"Versuch, die Regierung zu erpressen" Freizeitpark droht mit Tötung von 30 Walen
Der Freizeitpark Marineland in Ontario steht vor dem finanziellen Aus – und fordert Geld vom Staat. Während sich Bund und Provinz über die Verantwortung streiten, warnt der Betreiber: Ohne Hilfe müssen Tiere eingeschläfert werden.
Der umstrittene Freizeitpark Marineland im kanadischen Niagara Falls hat der Regierung ein drastisches Ultimatum gestellt: Sollte Kanada keine finanzielle Unterstützung leisten, will der Park bis zu 30 Belugawale einschläfern lassen. Das berichten mehrere Medien unter Berufung auf ein Schreiben des Unternehmens vom 3. Oktober.
Doch wer helfen soll, darüber streiten sich die Regierungen von Ottawa und Ontario – während die Zeit für die Tiere knapp wird.
Regierung stoppt Export nach China
Auslöser der Krise war ein Exportstopp von Fischereiministerin Joanne Thompson. Sie blockierte vergangene Woche die geplante Ausfuhr der Wale in den chinesischen Themenpark Chimelong Ocean Kingdom. "Ich konnte nicht guten Gewissens eine Ausfuhr genehmigen, die das Leiden dieser Belugas verlängern würde", sagte Thompson laut einem Bericht des britischen "Guardian". Eine Genehmigung hätte "ein weiteres Leben in Gefangenschaft und zur öffentlichen Unterhaltung" bedeutet.
Marineland erklärte daraufhin, der Park befinde sich in einem "kritischen finanziellen Zustand" und könne die Tiere ohne staatliche Hilfe nicht mehr "angemessen versorgen". Sollte die Bundesregierung keine Lösung finden, müsse man "die verheerende Entscheidung" treffen, die Tiere einzuschläfern. "Die Schwere der Finanzierungskrise im Marineland kann nicht genug betont werden. Jede weitere Verzögerung gefährdet das Wohlergehen und die Sicherheit der Wale und wir befürchten, dass uns die Zeit zum Handeln davonläuft", heißt es in dem Schreiben.
Jahrzehntelange Kritik an Tierhaltung
Der Freizeitpark, zugleich Zoo und Aquarium, steht seit Jahren in der Kritik. Nach Angaben der Nachrichtenagentur "Canadian Press" sind seit 2019 insgesamt 20 Großwale im Park gestorben – 19 Belugas und ein Orca. Aktuell leben dort noch 30 Belugawale, vier Delfine, mehrere Robben und Seelöwen sowie eine Bären- und Hirschpopulation.
Tierschützer fordern seit Langem, die verbliebenen Meeressäuger in Schutzgebiete zu bringen – bislang ohne Erfolg, da geeignete Orte fehlen. Der Park, der früher Millionen Besucherinnen und Besucher anzog, blieb in diesem Sommer geschlossen und soll verkauft werden. Schon im Februar hatte ein Parkanwalt erklärt, Marineland wolle die verbliebenen Tiere "so schnell wie möglich" abgeben.
Bund und Provinz schieben sich Verantwortung zu
Ontarios Premier Doug Ford reagierte auf das Ultimatum: Die Provinz werde "alles tun", um den Walen "das bestmögliche Leben zu ermöglichen", sagte er laut "The Guardian". Der Zustand des Parks sei "schrecklich". Nach kanadischem Recht könnte Ontario die Tiere beschlagnahmen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Ford sieht jedoch die Verantwortung bei der Bundesregierung. Diese solle ihre Haltung zum Exportverbot überdenken: "Es sollte die Bundesregierung sein, die ihnen erlaubt, sie nach China oder in andere Meeresgebiete zu bringen, die sie aufnehmen, aber zu allem Nein zu sagen und keine Lösung zu finden, ist kein guter Vorschlag", sagte Ford.
Fischereiministerin Thompson wies das zurück. In einem Brief an Marineland, aus dem der kanadische Sender CBC zitierte, schrieb sie: "Die Tatsache, dass Marineland trotz jahrelanger Aufzucht dieser Wale in Gefangenschaft keine praktikable Alternative geplant hat, bedeutet nicht, dass die kanadische Regierung die Verantwortung für die Deckung Ihrer Kosten trägt." Der Tierschutz falle in die Zuständigkeit der Provinz Ontario, so Thompson, die das Unternehmen aufforderte, "einen neuen Plan vorzulegen".
Aktivisten sprechen von "moralischer Verpflichtung"
Tierschutzanwältin Camille Labchuk, Direktorin der Organisation Animal Justice, erklärte: "Marineland hat jahrzehntelang daran verdient, Wale in winzigen Becken zu halten. Jetzt sitzt der Park auf Hunderten Millionen Dollar an Grundstückswert – er hat eine moralische Verpflichtung, für die künftige Pflege der Tiere zu zahlen."
Das Unternehmen wies die Kritik zurück. Die Belugas erhielten "bessere medizinische Versorgung als jeder Mensch in Großbritannien oder anderswo", zitierte der "Guardian" eine Marineland-Sprecherin. Aktivisten versuchten seit Jahren, jeden Todesfall als "Misshandlung" darzustellen, was "effektive Propaganda" für Spendenkampagnen sei.
Labchuk entgegnete: "Diese Krise ist das Ergebnis jahrzehntelanger Vernachlässigung und Grausamkeit. Marineland versucht nun, die Regierung zu erpressen – selbst mit der Drohung, die Tiere zu töten."
Auch die Organisation World Animal Protection Canada forderte die Provinzregierung zum Eingreifen auf. Erin Ryan, Kampagnenmanagerin der Organisation, sagte gegenüber CBC News, es sei "moralisch verwerflich", dass Marineland die Regierung "als Geisel nehme, weil sie im Grunde die richtige Entscheidung getroffen hat". Euthanasie dürfe "nicht als Kosteneinsparungsmaßnahme betrachtet werden". Ryan rief Ottawa und Ontario auf, gemeinsam mit der Regierung von Nova Scotia den Bau eines geplanten Walschutzgebiets an der Ostküste voranzutreiben.
- guardian.com: Marine park threatens to euthanize 30 whales if Canada does not provide funding (englisch)
- thecanadianpressnews.ca: Ontario Premier Ford says Ottawa should reconsider position on sending Marineland belugas to China (englisch)
- cbc.ca: Marineland's belugas at risk of being euthanized as Ottawa, Ontario point at each other to take action (englisch)




