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Russlands Krieg gegen die Ukraine: Gefährliche Ablenkung der Putin-Versteher


Tagesanbruch
Gefährliche Ablenkung

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 20.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Wladimir Putin: Gegen den russischen Diktator liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Gegen den russischen Diktator liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. (Quelle: The Kremlin Moscow)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Wladimir Putin war auf Reisen. Am Sonntag besuchte der russische Präsident Mariupol – die ukrainische Hafenstadt, die seine Soldaten im vergangenen Jahr in Schutt und Asche gelegt und erobert hatten. Videoaufnahmen zeigen etwa, wie Putin in einem leeren Saal der Kammerphilharmonie sitzt. Nach der russischen Eroberung war der Raum eigentlich als Gerichtssaal für Schauprozesse gegen ukrainische Soldaten gedacht, die in einem Käfig präsentiert werden sollten, wie der "Spiegel" berichtete.

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Zu den Prozessen kam es bisher nicht. Stattdessen soll es zwischen Russland und der Ukraine einen Gefangenenaustausch gegeben haben. Doch Putin könnte sich möglicherweise in der Zukunft vor einem tatsächlichen Gericht wiederfinden – und zwar auf der Anklagebank.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) erließ am Freitag einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten. Putin wird vorgeworfen, für die Entführung Hunderter Kinder aus der Ukraine nach Russland verantwortlich zu sein. Die Ermittlungen würden indes fortgesetzt, sagte Chefankläger Karim Khan. Weitere Haftbefehle sind nicht ausgeschlossen.

Ein Staatspräsident soll sich für mögliche Kriegsverbrechen verantworten. Bei diesen Worten werden gerade am heutigen Tag rasch Parallelen gezogen: Am 20. März vor genau 20 Jahren begannen federführend die USA mit Großbritannien mit einer "Koalition der Willigen" einen Krieg im Irak – ohne ein Mandat der Vereinten Nationen. Die USA begründeten ihren Einsatz mit angeblichen Massenvernichtungswaffen. Es handelte sich um eine glatte Lüge. Doch die Entscheider George W. Bush in den USA und Tony Blair in Großbritannien haben sich bis heute nicht in Den Haag oder sonst wo dafür verantworten müssen.

Wer vermeintliche Gemeinsamkeiten zwischen dem Krieg in der Ukraine und dem im Irak sucht, wird fündig. Zwei unbegründete völkerrechtswidrige Angriffe von Atommächten auf deutlich schwächere Staaten, die unschätzbares Chaos und Leid verursachten. Doch wer die Gemeinsamkeiten sieht, sollte die großen Unterschiede dabei nicht vergessen.

Der 2003 angegriffene Irak war ein rücksichtsloses Unterdrückungsregime des Diktators Saddam Hussein. Er ging nicht nur brutal gegen andere Staaten, sondern auch gegen sein eigenes Volk vor. Die USA initiierten seinen Sturz zwar mithilfe von Lügen – kaum jemand aber trauerte ihm nach. Die Ukraine ist hingegen eine Demokratie mit einem gewählten Präsidenten, deren einziges Problem es ist, dass Putin noch immer glaubt, er habe ein Anrecht auf die ehemalige Sowjetrepublik.

Beide Kriege hätten nie stattfinden dürfen. Sie aber gegeneinander aufzurechnen, ist falsch – in Teilen sogar gefährlich. Wer sich im Moment als besonders großer Putin-Versteher zeigt, wird häufig nicht müde, immer wieder auf die USA und deren fatale Bilanz im Irak hinzuweisen. "Whataboutism" nennt sich dieses bewusste Ablenken von Themen, um kritischen Fragen auszuweichen. Wer so argumentiert, ist selten an einer ernsthaften Diskussion interessiert, sondern eher daran, die russischen Handlungen zu legitimieren.

Doch gerade am 20. Jahrestag des Irakkrieges lohnt sich ein Blick zurück – und auf die Frage, warum sich Bush und Blair nach dem Irakkrieg nicht in Den Haag verantworten mussten: Die USA erkennen den Strafgerichtshof nicht an. Daher hatten die Ermittler keine Handhabe gegen die amerikanische Regierung. Im Fall der russischen Invasion in die Ukraine hat das überfallene Land allerdings dem ICC die Erlaubnis erteilt, alle Vorkommnisse dort seit 2014 zu untersuchen. Deshalb kam jetzt die Klage gegen den Kremlchef zustande.

Anders liegt der Fall bei Großbritannien. Dort ist der Gerichtshof zwar anerkannt, die Ermittlungen zum Irakkrieg aber wurden 2020 eingestellt – und das, obwohl es Hinweise auf Kriegsverbrechen gab. Die Liste war lang: Zu den Vorwürfen gehörten vorsätzliche Tötung, Folter, unmenschliche Behandlung, Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt. Doch dass der britische Premier von diesen Taten wusste oder sie gar angeordnet hat, dafür gab es laut den Ermittlern keine Anzeichen.

Im Fall Putins haben die Ermittler nun genug Beweise gefunden, die eine Anklage rechtfertigen. Blair und Bush bleiben aufgrund der Bestimmungen und angeblich mangelnder Beweise weiter unbelastet. Auf dem Papier mag das stimmen – moralisch allerdings nicht. In einer gerechten Welt sollte jeder, der einen unrechtmäßigen Krieg beginnt, sich dafür verantworten müssen. Doch wichtig ist: Ein Unrecht wiegt das andere nicht auf – und noch weniger ist es ein Freibrief. Deswegen steht außer Frage, dass Putin und all die weiteren Verantwortlichen für ihre Verbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Und die Weltöffentlichkeit sollte nicht ruhen, bis das geschehen ist.


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Passend zum heutigen Tag des Glücks wünsche ich Ihnen viel Glück zum Start in die Woche. Morgen schreibt Ihnen wieder unser Chefredakteur Florian Harms.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
Redakteur Politik, Wirtschaft & Gesellschaft
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Mit Material von dpa.

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