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Streik in Deutschland: Mehr Lohn zu fordern, ist in dieser Lage nur logisch


Tagesanbruch
Gut, wenn Sie heute genervt sind

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 27.03.2023Lesedauer: 6 Min.
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Mitglieder der Gewerkschaft EVG protestieren (Archivbild): Zwei Gewerkschaften legen den Verkehr für einen Tag still.Vergrößern des Bildes
Mitglieder der Gewerkschaft EVG protestieren (Archivbild): Zwei Gewerkschaften legen den Verkehr für einen Tag still. (Quelle: via www.imago-images.de)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

das wird ein stressiger Tag in Deutschland. Mit den Gewerkschaften Verdi und EVG streiken heute zwei Branchengrößen gemeinsam und entfalten dabei ihre volle Macht: Der Fernverkehr der Deutschen Bahn fällt aus, in vielen Bundesländern fahren auch Regional- und Straßenbahnen nicht, an den Flughäfen bleiben viele Maschinen am Boden und sogar der Schiffsverkehr ist betroffen. Deutschland steht an diesem Montag still.

Das ist ärgerlich für Millionen Bürger, natürlich. Denn die allermeisten müssen ja trotzdem zur Arbeit, zur Schule, zum Arzt. Groß sind der Ärger und das Unverständnis bis hinein in die Redaktionen der Republik: Von einem Land in Geiselhaft schreiben Kommentatoren, und davon, dass der Streik vielleicht legal, aber illegitim sei, weil zu groß angelegt.

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"Wir haben genug Probleme", twittert der Gründer des Recherchenetzwerks Correctiv, David Schraven. "Dann machen die Gewerkschaften noch welche." Zum ersten Mal in seinem Leben habe er für einen Streik kein Verständnis. "Soll doch alles kaputtgehen, scheint die Devise zu sein."

Du meine Güte!, dachte ich, als ich diese endzeitlichen Zeilen las. Um Deutschland scheint es wirklich schlecht bestellt zu sein. Allerdings nicht wegen des Streiks – sondern weil dieses grunddemokratische Mittel, das Arbeitnehmern wahre Macht in den Verhandlungen mit ihren Chefs verleiht, so dermaßen kaputtgeredet wird.

Fassen wir doch mal die Fakten zusammen: Die Inflation frisst seit Monaten die Einkommen deutscher Arbeitnehmer auf. Die Verbraucherpreise sind sehr viel stärker gestiegen als die Löhne. Das Statistische Bundesamt meldete deshalb für 2022 den stärksten und längsten Rückgang der Reallöhne seit 2008. Zu den Problemen insgesamt und bei den Eisenbahnern im Speziellen lesen Sie hier mehr von meiner Kollegin Lisa Becke.

Mehr Lohn zu fordern, ist in dieser Lage eigentlich nur logisch. In den vergangenen Jahren aber haben die Arbeitgeber gestöhnt, erst unter der Last der Corona-, dann unter den wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise. Stichwort: "Wir haben genug Probleme. Kommt uns bitte jetzt nicht auch noch mit der Forderung nach mehr Geld!"

Diese Reaktion hat sich verselbstständigt. Das gute Recht der Arbeitnehmer, für angemessene Löhne zu streiken, wird offenbar zunehmend als Dreistigkeit empfunden. Ein gefährlicher Trend.

Dabei haben viele Beschäftigte und Gewerkschaften lange Rücksicht genommen und die Füße stillgehalten. So zum Beispiel die Eisenbahner von der EVG: Sie gaben sich in der letzten Tarifrunde 2020 mit einer Lohnerhöhung von nur 1,5 Prozent zufrieden.

Damit aber soll jetzt Schluss sein. Mit 10,5 beziehungsweise 12 Prozent mehr Lohn fordern die Gewerkschaften, was angesichts der Teuerungslage nicht allzu abwegig ist.

Der Streik ist deswegen nicht nur legal, sondern auch legitim. Er setzt das Signal zur Kehrtwende: Arbeitnehmer lassen sich nicht mehr vom Krisengestöhne beeindrucken. Jetzt sind sie dran.

Dass die Gewerkschaften so einen erheblichen Teil Deutschlands zum Stillstand bringen werden, ist dabei eher von Vor- als von Nachteil. Je härter der Streik, je deutlicher er spürbar wird, ja: je mehr er uns alle nervt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitgeber ihnen entgegenkommen.

Seien Sie deshalb heute gerne genervt wegen des Streiks, es ist nur zu verständlich. Aber die Gewerkschaften sollten nicht der Sündenbock, sie können ein Vorbild für andere Branchen sein.


t-online liefert neue Erkenntnisse zum Nord-Stream-Anschlag

Seit Ende September 2022 liegen drei von vier Strängen der Nord-Stream-Pipelines unbrauchbar auf dem Meeresgrund. Unbekannte haben die Pipelines sabotiert, die Gas von Russland nach Deutschland bringen sollten. Sprengungen in rund 80 Metern Tiefe wurden dafür vorgenommen, mutmaßlich Hunderte Kilo militärischen Sprengstoffs verwendet.

Spekulationen über die Täter und die Beteiligung staatlicher Akteure reißen seitdem nicht ab. Über die Ermittlungen in Deutschland, Schweden und Dänemark ist bislang aber wenig bekannt geworden.

Meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe, Carsten Janz, Oliver Alexander und Lars Winkelsdorf liefern in dem brisanten Fall nun neue Erkenntnisse. Sie sind über Wochen den Aktivitäten der russischen Marine vor der Sabotage nachgegangen, haben Satellitenbilder ausgewertet und die Ausrüstung verdächtiger Schiffe studiert.

Ihre Recherchen legen nahe, dass wenige Tage vor den Explosionen russische Militärschiffe an den Tatorten operierten. Eines der Schiffe verfügte über ein Mini-U-Boot mit Greifarmen, zwei andere waren mit Lastkränen ausgestattet. Der Verband wäre mit dem nötigen Material und Können ausgestattet gewesen, um einen Sabotageakt dieser Größe unter Wasser durchzuführen.

Es sind gänzlich neue Hinweise im Nord-Stream-Krimi. Vor rund zwei Wochen hatten die "New York Times" sowie ARD, SWR und "Zeit" mit einer anderen Theorie Schlagzeilen gemacht: Die Spur führe in die Ukraine, hieß es da. Ein Kommando aus sechs Personen mit falschen Pässen soll eine Jacht von einem Unternehmen gemietet haben, das offenbar zwei Ukrainern gehören soll. Der Trupp soll im Anschluss die Pipelines gesprengt haben.

Experten blieben skeptisch und warnten vor einer Aktion unter falscher Flagge, blieben doch viele Fragen ungeklärt: Ist eine 15-Meter-Jacht nicht viel zu klein für den Transport so großer Mengen Sprengstoff? Warum sollten die Täter, sollten sie aus der Ukraine kommen, ihre Pässe fälschen, dann aber bei Landsmännern ein Schiff chartern? Und können sechs Personen eine so komplexe Sabotage unter Wasser überhaupt stemmen?

Die Recherche meiner Kollegen zeigt nun: Spuren führen auch nach Russland.

Lesen Sie hier den Report in voller Länge. Hier gibt es außerdem eine Kurzversion, die die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfasst.


Was steht an?

Die Ampelkoalitionäre, allen voran die FDP und die Grünen, haben in den vergangenen Wochen ein denkbar schlechtes Bild abgegeben. Heftig stritten sie öffentlich über Verbrenner, Autobahnen, Heizungen. Das Regieren blieb auf der Strecke. Gestern Abend von 18.30 Uhr an setzten sich deshalb SPD, Grüne und FDP an einen Tisch. Das Ziel: Die Streitereien beenden, stattdessen sollen endlich neue Gesetze auf den Weg gebracht werden. Wie und in welchen Punkten sich die Koalitionäre einigen konnten und bei welchen Themen weiter Unfrieden droht, blieb am Sonntag zunächst offen. Heute soll es Neues geben.

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Nach der langen Nacht reist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit mehreren Ministern zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen nach Rotterdam. Es soll dabei vor allem um Energieversorgung, Umweltschutz und Verteidigung gehen. Die Niederlande sind nach Japan das zweite Land, das eine so große Delegation der deutschen Regierung empfängt. Auf der Liste der besonders wichtigen Partner, die so hofiert werden, stehen auch Spanien, Indien, Brasilien und China.

Und was kommt nach dem Krieg? Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) stellt am Morgen die Plattform Wiederaufbau Ukraine vor. Über sie unterstützen internationale Partner das zerstörte Land beim Wiederaufbau. Entwicklungs-Staatssekretär Jochen Flasbarth hat das im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" vorab als "Aufgabe für Generationen" bezeichnet.

Ungarns Parlament ratifiziert am Abend das Nato-Beitrittsprotokoll für Finnland. Es ist neben der Türkei das letzte Land, das den Schritt geht. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán nämlich stimmt sich in der Frage eng mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ab, der die Norderweiterung der Nato ausbremst. Schweden wartet noch immer auf eine Zusage aus beiden Ländern.

Wer Schottland künftig regieren wird, soll am Mittag in Edinburgh bekannt gegeben werden. Nicola Sturgeon hatte Mitte Februar überraschend ihren Rückzug als Regierungschefin erklärt.

Wie steht es um die Menschenrechte weltweit? Amnesty International veröffentlicht am Mittag seinen Report zur Lage in 156 Ländern für die Jahre 2022/23.


Was lesen?

Frankfurt hat nach den Skandalen um Peter Feldmann einen neuen Oberbürgermeister. Das Rennen fiel knapp aus, mit 51,7 Prozent siegte am Ende der SPD-Politiker Mike Josef. Was der 40-Jährige ändern will und wie Kollegen reagieren, lesen Sie im Text von Stefan Simon und Sabine Schramek.

In Berlin ist ein Klima-Volksentscheid gescheitert. Die Ziele kritisierten Experten vorab als nicht realistisch. Interessant ist dennoch, welch klares Bild sich nach der Abstimmung mit Blick auf die Berlin-Karte ergibt, wie der RBB hier zeigt.

Die Situation in Armenien ist angespannt: Im Grenzgebiet zum Nachbarstaat Aserbaidschan wissen die Menschen nicht, wann der nächste Angriff bevorsteht. Mein Kollege Tobias Eßer hat drei Orte im Grenzgebiet besucht und mit den Einwohnern über die Angst vor einem neuen Krieg gesprochen.

Bei der Regierungsbildung in Afghanistan versprachen die Taliban den Regierungsbeamten Straffreiheit. Doch die Realität hat damit nur wenig zu tun, wie der General Murad Ali Murad im Gespräch mit meinen Kollegen Axel Krüger und Carl Exner schildert.

Wilhelm II. war nicht nur ein umstrittener Kaiser, sondern auch ein reisefreudiger. Wohin es den Monarchen zog, lesen Sie hier.


Was amüsiert mich?

"Der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen", Warnstreik-Edition.

Herzlichst,

Ihre Annika Leister
Redakteurin Politik
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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