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Trumps Gaza-Plan: Kann er den Krieg zwischen Hamas und Israel beenden?


Tagesanbruch
Nicht so einfach, wie Trump es sich vorstellt


Aktualisiert am 07.10.2025Lesedauer: 7 Min.
Eine Israelin hält ein Foto ihres Großvaters, der nach Angaben des israelischen Militärs von der Hamas entführt wurde: Der Gaza-Friedensplan sieht vor, dass alle verbliebenen Hamas-Geiseln übergeben werden.Vergrößern des Bildes
Eine Israelin hält ein Foto ihres Großvaters, der nach Angaben des israelischen Militärs von der Hamas entführt wurde: Der Gaza-Friedensplan sieht vor, dass alle verbliebenen Hamas-Geiseln übergeben werden. (Quelle: Leo Correa/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist etwa 6.30 Uhr, als vor zwei Jahren die Menschen in Israel von Sirenen aus dem Schlaf gerissen werden. Die Terrororganisation Hamas feuert von Gaza aus Tausende Raketen in das Land, an der Grenze setzen ihre Kämpfer mit Drohnen die israelischen Kameras und das Warnsystem außer Gefecht, zerstören den Grenzzaun und stürmen zu Tausenden mit Motorrädern und Pick-ups in mehr als 20 Ortschaften. Sie wüten in Städten wie Sderot und auf dem Nova-Musikfestival. Sie schießen auf alles, was ihnen begegnet, töten nach israelischen Angaben mehr als 1.200 Menschen und verschleppen 151 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Es ist das schlimmste Massaker an Juden seit dem Ende des Holocaust.

Noch am selben Tag rächt sich Israel und beginnt einen Krieg gegen die Hamas, der zu massiven Zerstörungen im Gazastreifen führen wird. Premierminister Benjamin Netanjahu schwört die Bevölkerung auf einen langen und schwierigen Konflikt ein. "Wir werden in diesem Krieg siegen, aber der Preis wird sehr hoch sein", sagt er wenige Stunden nach Beginn des Hamas-Angriffs in einer Rede an die Nation. Mehr als 67.000 Palästinenser sollen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen bis heute getötet worden sein. Der UN zufolge wurden fast 80 Prozent der Gebäude beschädigt oder zerstört. Die humanitäre Lage ist katastrophal. Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag läuft eine Völkermord-Klage gegen Israel.

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Und nun, genau zwei Jahre später, gibt es endlich ernst zu nehmenden Anlass für Hoffnung. Hoffnung auf den Beginn eines Friedensprozesses zwischen Israel und der Hamas, zumindest aber auf eine Waffenruhe und die Freilassung der verbliebenen 48 israelischen Geiseln, von denen nach israelischen Informationen noch etwa 20 am Leben sein sollen. Im ägyptischen Scharm el-Scheich verhandeln in dieser Woche Vertreter beider Kriegsparteien unter der Vermittlung Ägyptens sowie Katars und unter Aufsicht einer US-Delegation über "letzte Details" eines Abkommens, wie US-Präsident Donald Trump sagte. Es fällt nicht leicht, das zu schreiben, aber ohne den Druck von Trump und seinen Einfluss auf Netanjahu hätte es diesen Dialog wohl nicht gegeben.

Die Beschreibung, dass es in Ägypten nur noch um "letzte Details" gehe, dürfte allerdings eine für Trump typische Übertreibung sein. Denn die Hamas hat sich zwar bereit erklärt, alle israelischen Geiseln freizulassen. Eine Kapitulation, wie sie Netanjahu verlangt, ist das aber noch nicht. So gibt es noch keine Zusage, die Waffen komplett niederzulegen. Auch einer Übergangsregierung ohne palästinensische Beteiligung im Gazastreifen, wie es der Trump-Plan vorsieht, hat die Terrormiliz bisher nicht zugestimmt. Stattdessen besteht sie auf einem Mitspracherecht.

Vieles spricht dafür, dass die Hamas auf Zeit spielt. Dass sie den Plan nicht sofort abgelehnt hat, dürfte auch daran liegen, dass viele arabische Staaten ihr inzwischen den Rückhalt entziehen und Trumps Vorschlag unterstützen, teilweise sogar an ihm mitgewirkt haben. Auch viele Palästinenser haben für die politischen Manöver der Islamisten nichts mehr übrig. Geht der Krieg weiter, würden sie sich in Gaza wohl endgültig verhasst machen. Israel hingegen könnte sein Bombardement mit Rückendeckung der USA fortführen, sollten die Verhandlungen scheitern. Ganz nach dem Motto: Die Hamas hatte ihre Chance, ab jetzt geht jeder Tote auf ihr Konto.

Gut möglich also, dass die Hamas weiteren zentralen Punkten zustimmen wird. Eine Übergangsregierung aus unpolitischen Technokraten beispielsweise könnte für sie attraktiver sein, als es auf den ersten Blick scheint. Denn das würde auch bedeuten: Die palästinensische Autonomiebehörde spielt im Gazastreifen erst einmal keine Rolle. Und wer weiß, wie stabil ein solches Konstrukt unter dem geplanten Vorsitz von Trump und dem ehemaligen britischen Premier Tony Blair überhaupt wäre. Die Hamas könnte darauf spekulieren, dass es am Ende ähnlich läuft wie in Afghanistan, wo die Taliban nach dem Rückzug der westlichen Staaten inzwischen an die Macht zurückgekehrt sind.

Überhaupt sollte man die Chance auf einen langfristigen Frieden in der Region durch den Trump-Plan nicht überschätzen. Denn selbst wenn die Hamas allumfassend kapituliert, werden die Palästinenser weiter nach Unabhängigkeit streben. Trumps Vorschlag mag zwar die Möglichkeit eines palästinensischen Staates in Aussicht stellen, doch dieser dürfte eher Theorie bleiben. Netanjahu hat deutlich gemacht, dass weder die Hamas noch die Palästinensische Autonomiebehörde in Gaza regieren sollen. Der Punkt im Trump-Plan, dass die Autonomiebehörde die Macht übernehmen könnte, sobald sie sich reformiert habe, dürfte also niemals eintreten. Zumal nicht klar definiert ist, wann ein solcher Reformprozess als abgeschlossen gilt. Israel könnte also stets behaupten, es sei noch nicht genug getan.

Andererseits ist das Gaza-Abkommen auch für Netanjahu heikel. Denn es verpflichtet Israel, den Küstenstreifen nicht zu besetzen oder zu annektieren. Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner hätten daher gerne gesehen, dass die Hamas den Plan ablehnt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie die Regierung verlassen, sollte er tatsächlich umgesetzt werden. Und bei Neuwahlen hätte Netanjahu schlechte Karten.

Wie auch immer die Verhandlungen in dieser Woche ausgehen, der Austausch von Geiseln und Gefangenen sowie eine Waffenruhe wären mehr, als man noch vor Kurzem erwarten konnte. Und zumindest ein wenig Trost am Jahrestag des Massakers vom 7. Oktober 2023.


Rien ne va plus

Er war keine vier Wochen im Amt, da schmiss er bereits hin: Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu überraschte gestern mit seinem Rücktritt – nur 14 Stunden nachdem er seine neue Regierungsmannschaft vorgestellt hatte. Der Grund: mangelnde Kompromissbereitschaft im Haushaltsstreit und eigene Präsidentschaftsambitionen von Regierungsmitgliedern. "Man kann nicht Premierminister sein, wenn die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind", sagte Lecornu. Das ist wohl Französisch für: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren."

Mit seinem plötzlichen Rückzug verschärft der 39-Jährige die politische Krise im Land. Und die Lage für seinen engen Vertrauten, Präsident Emmanuel Macron, gleich mit. Der muss nun damit umgehen, dass allein in diesem Jahr drei Ministerpräsidenten verschlissen wurden. Das tat er am Montagabend, indem er den noch amtierenden Lecornu beauftragte, bis Mittwochabend über einen Ausweg aus der politischen Krise zu verhandeln. Damit verschafft sich Macron Luft für die Entscheidung, ob er einen neuen Premier ernennt oder alternativ das Parlament auflöst. Die Opposition fordert derweil bereits den Rücktritt von Macron sowie umgehende Neuwahlen.

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Angesichts der drei zerstrittenen Lager ohne eigene Mehrheit im Parlament ist völlig unklar, wie ein Kompromiss zum Haushalt zwischen den Linken, dem liberalen Lager von Macron und den Rechtspopulisten gefunden werden kann. "Einfache Auswege gibt es jetzt nicht mehr. Jede künftige Entscheidung birgt ein hohes Risiko, dass Frankreich nur noch tiefer in die Krise stürzt", schreibt mein Kollege David Schafbuch – und erklärt, welche drei Möglichkeiten Macron jetzt noch hat.


Mehr antisemitische Vorfälle

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel haben antisemitische Vorfälle in Deutschland deutlich zugenommen. Laut dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e. V. (Rias) wurden vom 7. Oktober 2023 bis Ende 2024 mehr als 2.200 Versammlungen mit antisemitischen Inhalten dokumentiert – ein Anstieg um rund ein Drittel im Vergleich zu den Jahren zuvor. Besonders häufig traten israelbezogene Formen von Antisemitismus auf, etwa die Relativierung der Shoah oder die Unterstützung der Hamas. Rias spricht von einer "bedrückenden Normalität".

Die Organisation stützt sich bei ihrer Erfassung auf die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance. Diese Definition ist international anerkannt, hat aber einige Unschärfen. Darauf weist die Bundeszentrale für politische Bildung hin. So stehe sie inzwischen für eine grundlegende politische Haltung: gegen Antisemitismus und für Israel. Diese Orientierung könne jedoch dazu führen, dass auch legitime Kritik an der israelischen Politik als antisemitisch eingestuft werde.


Ist das jetzt die Wende?

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat gestern den Entwurf ihrer Herbstprojektion vorgestellt. Darin geht sie von einem leichten Rückgang der Arbeitslosenquote in den kommenden Jahren aus, da die Wirtschaft wieder spürbar wachsen soll: um 1,3 Prozent im Jahr 2026 und um 1,4 Prozent 2027. Für das laufende Jahr rechnet Reiche hingegen nur mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Nach zwei Jahren Rezession immerhin wieder die richtige Richtung.

Belebt das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen also die Wirtschaft? Ein Effekt ist durchaus zu sehen, doch langfristig braucht es mehr, hieß es gestern ebenfalls aus dem Reiche-Ministerium. Ihre wissenschaftlichen Berater, darunter die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, forderten radikale Reformen – von einem höheren Renteneintrittsalter bis zu weniger Bürokratie. Auch Reiche selbst hatte vor gut zwei Monaten eine längere Lebensarbeitszeit gefordert und damit eine Debatte ausgelöst.


Termine des Tages

Gedenken an Geiseln der Hamas und weitere Opfer: Auch in Deutschland finden Gedenkveranstaltungen, Gottesdienste und Mahnwachen statt. In Berlin beginnen die zentralen Feierlichkeiten mit einer Namenslesung der Opfer vor dem Brandenburger Tor. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner trifft sich mittags mit Angehörigen der Opfer. Am Abend wird die Botschaft "Bring them home now" auf das Brandenburger Tor projiziert. Auch in anderen Städten wird mit Mahnwachen und Kundgebungen der Opfer gedacht. Mehrere Länder haben Trauer- oder Solidaritätsbeflaggung angeordnet.


Ende eines schwierigen Richterwechsels: In Berlin ernennt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zwei neue Verfassungsrichterinnen und einen neuen Verfassungsrichter. Ann-Katrin Kaufhold, Sigrid Emmenegger und Günter Spinner folgen auf Doris König, Josef Christ und Ulrich Maidowski. Die entlassenen Richter werden mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet. Die Richterwahl hatte zu einem Konflikt zwischen Union und SPD geführt, weil zahlreiche Konservative der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf die Stimme verweigerten. Sie waren dabei teilweise Falschbehauptungen in den sozialen Medien aufgesessen.


Bekanntgabe der nächsten Nobelpreisträger: Nachdem der Nobelpreis für Medizin gestern an Immunforscher aus den USA und Japan ging, werden in Stockholm heute die nächsten Preisträger gekürt, diesmal im Fachbereich Physik. Wer nominiert ist, weiß offiziell niemand. Das Nobelpreiskomitee beauftragt jedes Jahr rund 3.000 Professoren, Nobelpreisträger und Mitglieder der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, neue Kandidaten vorzuschlagen. Im vergangenen Jahr ging der Physik-Nobelpreis an die KI-Forscher John Hopfield und Geoffrey Hinton.


Das historische Bild

Russlands berühmte Journalistin Anna Politkowskaja wurde 2006 ermordet. Mehr zu diesem historischen Bild lesen Sie hier.


Lesetipps

In Frankreich kriselt es gewaltig, aber aus dem früher krisengeplagten Italien erreichen uns keine Katastrophenmeldungen. Das hat Giorgia Meloni keiner zugetraut, schreibt unser Kolumnist Uwe Vorkötter.


Ab dem Jahr 2026 müssen sich Autofahrer an zahlreiche Neuerungen gewöhnen. Diese betreffen Fahrzeuge, Führerscheine, Versicherungen und sogar die Spritpreise. Mein Kollege Markus Abrahamczyk hat den Überblick.


Rekordwerte, Hitzewellen, steigender Meeresspiegel: Tim Kruschke, Experte für maritime Meteorologie, erklärt im Interview mit meiner Kollegin Ellen Ivits, welche dramatischen Auswirkungen selbst kleine Temperaturanstiege für Deutschland haben.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen ausgeschlafenen Start in den Tag! Morgen schreibt wieder Florian Harms für Sie.

Herzliche Grüße

Christine Holthoff
Finanzredakteurin
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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