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Trump und das Gold: So wertvoll sind die Untersetzer im Oval Office


Tagesanbruch
Ein Albtraum in Gold

MeinungVon Christoph Cöln

Aktualisiert am 06.10.2025Lesedauer: 7 Min.
Trump stellt sich im Rosengarten des Weißen Hauses den Fragen von Reportern.Vergrößern des Bildes
Trump stellt sich im Rosengarten des Weißen Hauses den Fragen von Reportern. (Quelle: IMAGO/Mehmet Eser)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Donald Trump hat derzeit alle Hände voll zu tun. Er muss umdekorieren. Das Weiße Haus ist ihm zu viel Haus und zu wenig Palast. Deshalb legt der Präsident jetzt selbst Hand an die Inneneinrichtung in der Pennsylvania Avenue 1600. Zuerst schmiss er im Arbeitszimmer alles um. Dann ließ er den Rosengarten zubetonieren. Und bald wird er einen gigantischen Ballsaal errichten lassen. Das dominierende Material dabei: Gold.

Der Bauherr Trump hat es mit Luxusimmobilien zu Prominenz gebracht. Nicht mit Bescheidenheit. Er setzt auf Opulenz, nicht auf Dezenz, wie die meisten seiner Vorgänger. Man könnte auch sagen: Der Mann protzt, wo es nur geht.

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Nehmen wir besagten Ballsaal. Dessen erste Entwürfe lassen eine gewaltige Kitschorgie erahnen: viel Weiß und noch mehr Gold, dorische Säulen, Kassettendecken und riesige Deckenlüster. Alles aus Gold. Alles im Stil der klassischen Antike. Nicht anders sieht es im Oval Office aus. Auch dort wimmelt es vor güldenem Krempel: Präsidenten-Porträts in goldenen Rahmen, goldene Amphoren auf dem Kaminsims, goldene Tische getragen von goldenen Adlern und an der Tapete goldene Vignetten. Selbst die Untersetzer für die Wassergläser sind aus Gold der höchsten Reinheitsstufe. "24 Karat", wie Trump betont.

Vor Journalisten prahlte der Präsident, die Bilder mit den schweren Goldrahmen habe er persönlich ausgesucht. "Ich bin eben ein Rahmen-Mann. Manchmal mag ich die Rahmen sogar mehr als die Bilder." Das nimmt man ihm sofort ab.

Nun könnte man mit den Achseln zucken und sagen: "Was juckt mich der Kitsch in Trumps Bude?" Aber das Ganze ist eben nicht nur Geschmackssache. Es hat eine politische Dimension. Das pompöse Dekor im Weißen Haus ist Teil von weitaus größeren Umbauarbeiten: Bald soll das ganze Land im Glanz antiker Imperien erstrahlen. Rom und Athen stehen hier Pate. Dafür muss nach dem Willen der MAGA-Architekten all der modernistische und demokratische Plunder weichen. Alles, was im Verdacht stehen könnte, irgendwie links zu sein. Und das ist einiges.

Dass es bei der Renovierung nicht nur bei ästhetischen Erwägungen bleibt, bekam gerade auch der angesehene Historiker Todd Arrington zu spüren. Der Direktor der Dwight-D.-Eisenhower-Bibliothek wurde von Trumps Bütteln vor die Wahl gestellt, entweder freiwillig seinen Stuhl zu räumen oder gefeuert zu werden. Dabei war Arrington erst wenige Monate im Amt. Sein Vergehen: Er hatte sich geweigert, Trump ein wertvolles Schwert auszuhändigen, das einmal dem früheren US-Präsidenten Eisenhower gehört hatte. Trump wollte das Schwert unbedingt als royales Mitbringsel für seinen Besuch bei König Charles III., bekam aber nur eine Replik.

Wie ernst es Trump und seinen Ideologen mit dem Totalumbau der US-Gesellschaft zu einer machiavellistischen Pseudo-Demokratie ist, zeigt auch ein Dekret aus dem Frühjahr. Der Titel lautet "Making federal architecture beautiful again" (Macht Amerikas Bundesarchitektur wieder schön). Darin legt Trump fest, dass zukünftig alle Regierungsgebäude wieder im klassizistischen Stil zu bauen sind. Alles Zeitgenössische, Progressive oder gar Avantgardistische soll aus öffentlichen Bauten verschwinden. Das Großreinemachen soll Platz für eine imperiale Ästhetik schaffen.

Der Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lampugnani zeigt sich vom präsidialen Erlass erschüttert. Er bezeichnet ihn im Interview mit t-online als einen Akt staatlicher Gleichschaltung und ein "Debakel für die Baukunst".

Eine treibende Kraft hinter dem Dekret ist Justin Shubow, Redakteur der neokonservativen Zeitschrift "Commentary" und Direktor der National Civic Arts Society. Für ihn ist Washington, D.C., dazu bestimmt, das "neue Rom" zu werden. Folglich soll die Architektur dem einfachen Amerikaner wieder das Gefühl von Größe und Bedeutung vermitteln – und zwar, ohne dass man erst "einen Tourguide" benötigt. Das Volk soll in Anbetracht der Monumentalbauten wohlig erschaudern und sofort begreifen: Wir sind wieder wer.

Dieses populistische Verständnis vom Bauen weckt ungute Erinnerungen: Hitler und dessen Lieblingsbauherr Albert Speer hatten Ähnliches im Sinn, als sie von Berlin als Welthauptstadt Germania im Stile des Römischen Reichs träumten. Gebaut wurde sie zum Glück nie.

Auch Trump träumt mitsamt seinem Hofstaat offenbar von alter Größe. Das Problem ist nur: Diese alte Größe hat es nie gegeben. Es handelt sich um eine Projektion. Um das Hirngespinst einer republikanischen Elite, für die die Demokratie ein Hindernis ist und die ihre Legitimation in einer imaginierten Antike sucht. Wie weit das gehen kann, offenbarte kürzlich Stephen Miller.

Der Chefideologe Trumps sprach dem politischen Gegner kürzlich quasi das Existenzrecht ab. Zugleich stellte er die MAGA-Bewegung in eine Traditionslinie mit Römern und Griechen. "Wir haben Schönheit. Wir haben Licht. Wir haben Stärke", sagte Miller. "Was habt Ihr? Ihr habt nichts." Miller kündigte bei seinem Grusel-Auftritt an, man werde einen "Sturm" entfachen. Die Trump-Feinde sollten sich auf etwas gefasst machen. Tage später beorderte der Präsident die Nationalgarde in die liberalen Hochburgen Portland und Chicago, um dort "aufzuräumen".

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Für die Trump-Regierung sind solche Repressionen offenbar politische Notwendigkeiten, um eine Oligarchie nach spätantikem Vorbild durchzusetzen. "Unser Stammbaum und unser Erbe reichen zurück bis nach Athen, Rom, Philadelphia und Monticello", rief Miller den MAGA-Anhängern in Arizona zu. Er spielte dabei auf die romanischen Bauten der US-Städte und den Klassizismus von Gründervätern wie George Washington und Thomas Jefferson an. Es seien Trumps Republikaner, die im Geiste des römischen Imperiums den Westen verteidigen und die Zivilisation retten, so Miller.

In Europa sollte man an der Stelle aufhorchen. Wenn Scharfmacher wie Miller einen Alleinvertretungsanspruch für die Kultur der Antike behaupten, steckt auch der Versuch dahinter, den alten Kontinent Europa auf den Schrotthaufen der Geschichte zu verfrachten. Ökonomisch, politisch, militärisch und auch kulturell.

Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk verweist seit geraumer Zeit darauf, dass das imperiale Drehbuch Europas jenseits des Atlantiks fortgeschrieben wird. Die Amerikaner seien längst die "Geschäftsführer des europäischen Zentralprojekts". Europa habe seine in der antiken Tradition wurzelnde Geschichte dagegen aus der Hand gegeben und es sich im "Sicherheitsschatten" der USA gemütlich gemacht. Die Zumutungen der zweiten Trump-Administration bereiten dieser Illusion des gebührenfreien Wohlstands ein Ende. Der sorglose Verzehr der Friedensdividende wird nun wohl oder übel mit der Kriegsertüchtigung beglichen.

Europa – das dürfte inzwischen jedem klar sein – muss dringend für seinen Selbsterhalt sorgen. Ansonsten könnte es über kurz oder lang von Tyrannen beherrscht werden. Es sollte schleunigst zu einer positiven Erzählung finden. Zu einem europäischen Patriotismus im besten Sinne, der die Werte der Aufklärung und der Moderne gegen die abgeschmackten Weltuntergangskampagnen der Rechtspopulisten zu verteidigen weiß. Und der jene moderne Version des antiken Erbes wieder wehrhaft macht, die Rechtsstaatsverächter wie Trump erst ermöglicht: die liberale Demokratie.


20 Sekunden für TikTok

Robert Habeck hat sich zwar aus der Politik verabschiedet, ganz weg aus dem politischen Diskurs ist er aber nicht. Unter dem Titel "Brauchen Demokratien den Notfall?" sprach er am Sonntag auf der Bühne des Berliner Ensembles mit der Talkshow-Moderatorin Anne Will und dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Volker Wissing darüber, wie Politik wieder Wirkung entfalten kann.

Habeck beklagte, dass "unsere Welt permanenten Streit" brauche. Wozu nicht nur Talkshows beitrügen, in denen Politiker vor allem ihre Marke schärfen wollten, sondern auch die Parteien selber. Deren Alleinstellungsmerkmal sei es inzwischen, sich um jeden Preis vom politischen Gegner abgrenzen zu wollen. Es gebe geradezu "eine Sehnsucht nach unterschiedlichen Lagern", pflichtete Wissing bei. Und je schärfer der Widerspruch, desto besser sei das alles für TikTok und die 20-Sekunden-Schnipsel in den sozialen Medien.

Der ehemalige FDP-Politiker Wissing forderte mehr Einigung statt noch mehr Spaltung. Geräuschlose Kompromisse, um Konflikte zu entschärfen und Dinge voranzubringen, scheinen jedenfalls seltener zu werden in der Politik. Angesichts dieser Diagnose könnte man tatsächlich von einem Notfall für die Demokratie sprechen.


Termine des Tages

In Kairo sollen Gespräche über den US-Plan für eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der verbliebenen Geiseln in Händen der Hamas anlaufen. Vertreter Israels und der radikal-islamischen Terrororganisation Hamas sowie der Vermittler USA, Katar und Ägypten wollen dort über ein Ende des fast zwei Jahre andauernden Krieges verhandeln.


In Stockholm beginnt die diesjährige Nobelpreis-Saison mit der Verkündung der Preisträger in der Kategorie Medizin. Im vergangenen Jahr war die Auszeichnung an die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun gegangen. Sie wurden damit für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung geehrt.


Im fränkischen Herzogenaurach kommt die DFB-Elf zusammen, um sich auf die beiden WM-Qualifikationsspiele gegen Luxemburg und Nordirland vorzubereiten. Bundestrainer Julian Nagelsmann steht mit seinem Team nach zwei von sechs Spieltagen in der Gruppe A nur auf Rang drei.


Historisches Bild

Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat starb 1981 im Kugelhagel. Mehr lesen Sie hier.


Ohrwurm

Auch der berühmte Rosengarten des Weißen Hauses fiel der Umgestaltungswut des US-Präsidenten zum Opfer. Auf dem saftigen Grün, angelegt im Jahr 1913, flanierten bereits etliche Staatsgäste und Präsidenten-Enkel. Trump ließ den Lustgarten planieren und schwere Marmorplatten verlegen. "Sie haben das Paradies zubetoniert und eine Veranda daraus gemacht", kommentierte die amerikanische "Vogue" trocken. Den passenden Song dazu hören sie hier.


Lesetipps

Wladimir Putin wollte es dem Westen in Sachen "Kultur" so richtig zeigen, doch was der Kreml kürzlich ablieferte, war eher blamabel, meint unser Kolumnist Wladimir Kaminer.


In der englischen Grafschaft East Sussex haben zwei Männer mit Sturmhauben eine Moschee angezündet. Die Stimmung in Großbritannien schlägt immer mehr in offene Gewalt um, berichtet mein Kollege Tobias Schibilla.


Dass es beim Restaurant-Besuch auch etwas gratis gibt, wissen die wenigsten Gäste. Was das ist und warum Sie einfach danach fragen sollten, erklärt Ihnen meine Kollegin Jennifer Buchholz.


Zum Schluss

Gesamtdeutsche Erschöpfung.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche. Morgen schreibt meine Kollegin Christine Holthoff an dieser Stelle für sie.

Ihr

Christoph Cöln
Chef vom Dienst/Büro Australien
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP.

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