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Ukraine-Krieg: Russisches Militär – das hat Putins Armee gelernt


Krieg in der Ukraine
Putins Armee zeigt eine Lernkurve

Von t-online, jaf

10.10.2025Lesedauer: 4 Min.
Russische Soldaten im Ukrainekrieg: Auch die Putins Armee leidet unter hohen Verlusten.Vergrößern des Bildes
Russische Soldaten im Ukraine-Krieg: Dabei gewannen sie einige Erkenntnisse. (Quelle: Sergey Pivovarov/reuters)
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Das russische Militär stand zu Beginn des Ukraine-Kriegs nicht gut da. Mittlerweile hat es aber eine steile Lernkurve, die die Ukraine vor Herausforderungen stellt.

Als Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, ging die Staatsführung aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit von einem schnellen Erfolg aus. Doch die Fortschritte waren gering, der Vormarsch wurde schnell gestoppt.

Denn es stellte sich bald heraus, dass das russische Militär schlecht auf diesen Krieg vorbereitet war. Ausrüstung, Ausbildung, Taktiken und medizinische Versorgung waren mangelhaft. In vielen Bereichen war die Ukraine deutlich fortschrittlicher.

In der Folge analysierte Russland offenbar umfassend das eigene Verhalten, um weitgehende Schlüsse daraus zu ziehen. Dabei wurden Rüstungskonzerne, Universitäten und Soldaten entlang der gesamten Befehlskette eingebunden. Dies führte schließlich dazu, dass Russland in der Ukraine immer mehr die Oberhand gewann.

Die Militäranalystin Dara Massicot hat für das Fachmagazin "Foreign Affairs" untersucht, welche Schritte Russland genau unternommen hat. Sie glaubt, dass der Ukraine durch die russische Lernkurve in naher Zukunft weitere Zerstörung bevorsteht. Allerdings funktioniere trotz der umfassenden russischen Analyse vieles nicht optimal.

Moskau nimmt Änderungen vor

Erste Lerneffekte wurden laut Massicot bereits in den ersten Tagen des Krieges sichtbar. Demnach statteten russische Einheiten ihre Fahrzeuge mit Schutzpanzerungen aus, erlernten neue Tarnmuster und übernahmen Angriffstaktiken für kleine Einheiten. In der Folge sollen russische Soldaten solche kleinen Ratschläge über soziale Netzwerke, geschlossene Social-Media-Kanäle und selbst veröffentlichte Ratgeber mit anderen Kameraden teilen.

Doch solches Wissen geht schnell verloren. In der Folge sollten Erkenntnisse institutionalisiert werden, weshalb Stabsoffiziere und Militärexperten an die Front geschickt wurden, heißt es in dem "Foreign Affairs"-Artikel. Diese Personen führten demnach dort Interviews mit den Soldaten, beobachteten das Geschehen und studierten Protokolle von Kommandanten. Die Ergebnisse wurden mit dem Generalstab, aber auch den Einheiten und Rüstungsunternehmen geteilt.

In der Folge reorganisierte das Militär laut der Analyse seine Kommandostruktur und passte seine Taktik an, Moskau erließ einen Mobiltagungsbefehl und erhöhte den Verteidigungshaushalt. Mittlerweile arbeiten offenbar 20 Kommissionen in Moskau daran, die Berichte auszuwerten und Empfehlungen auszusprechen. Für die Soldaten werden demnach Listen erstellt und Workshops abgehalten. Zudem gab es offenbar bereits 450 Änderungen in den Kampfhandbüchern seit Kriegsbeginn.

Die Ausrüstung bremste Russland zunächst

Zu Beginn des Krieges bremste insbesondere die technische Ausrüstung das russische Militär aus. Die Komponenten waren von schlechter Qualität und wurden schlecht gewartet, berichtet Massicot. Die Rüstungsindustrie reagierte demnach langsam, es gab veraltete bürokratische Vorschriften.

Doch das änderte sich offenbar schnell. Das Verteidigungsministerium lockerte wohl Vorschriften, um Forschungs- und Entwicklungszeiträume zu verkürzen, und organisierte Treffen mit den Rüstungsunternehmen, um Rückmeldungen der Fronteinheiten weiterzugeben. Umgekehrt schickten die Firmen anscheinend Experten an die Front, um die Ausrüstung zu reparieren und ihre Erfahrungen für die weitere Entwicklung auszuwerten. Auch Start-ups wurden trotz langjähriger Ablehnung besser mit staatlichen Unternehmen vernetzt, heißt es in der Analyse.

Demnach verbesserte Moskau die Panzerung der Fahrzeuge, erhöhte die Tödlichkeit der Gleitbomben und modifizierte seine Drohnen und Raketen. Zudem wurden Drohnen- und Raketenangriffe immer komplexer und stellten die Ukraine vor größere Herausforderungen.

Wandel bei der Ausbildung

Auch bei der Ausbildung hat Russland große Anpassungen vorgenommen, erklärt Massicot. Demnach rotieren Truppen regelmäßig zwischen Schlachtfeld und Übungsgelände, zudem gibt es Videokonferenzen zwischen Fronteinheiten, Akademien und Ausbildungszentren. Kriegsversehrte Veteranen werden dabei wohl zu Ausbildern umgeschult.

Zudem wurden Simulatoren realistischer gestaltet, das Steuern und Angreifen mit Drohnen steht auf dem Lehrplan, heißt es. Die Ausbilder wiederum überwachen offenbar das Training der Soldaten per Drohne, um Erfolge und Misserfolge besser auswerten zu können.

Insbesondere beim Training für militärische Führungskräfte habe sich einiges getan, schreibt Massicot. Ihr zufolge gebe es zweimonatige Zusatztrainings für junge Offiziere, die auf veränderte Einsatztaktiken vorbereitet werden sollen. Dort soll vermittelt werden, wie sie die Führung über kleine Einheiten übernehmen, die ein Ziel erhalten, dieses aber selbstständig ohne zentrale Befehle umsetzen sollen. Dies war für das traditionell von oben nach unten organisierte russische Militär ein großer Wandel.

Nicht alles funktioniert bisher

Trotz aller Fortschritte hat die russische Lernkurve offenbar auch Grenzen. So seien die Ausbildungsprogramme oftmals noch nicht einheitlich. Teilweise werden noch alte Informationen vermittelt, die Ausbildungsdauer ist meist zu kurz, schreibt Massicot.

Überdies tut sich Russland offenbar bei der Umsetzung der zahlreichen, bisher gewonnenen Erkenntnisse schwer. So sollen Beamte empfohlen haben, das Qualitätskontrollsystem als Reaktion auf zahlreiche Pannen und Fehler zu überarbeiten. Das sei aber noch nicht geschehen. Auch Erkenntnisse bei der Kampfmedizin seien bisher ignoriert worden. So stecken sich immer mehr Soldaten mit HIV an, weil Spritzen mehrfach verwendet werden.

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Des Weiteren heißt es, die Moral der Truppe soll nachlässig sein, die Qualität des Führungspersonals unterscheide sich stark. Zudem gibt es offenbar wenig Zusammenarbeit zwischen den Einheiten. Auch psychologische Standards sollen nicht eingehalten werden, sodass der mentale Zustand der Soldaten teilweise falsch beurteilt wird.

Trotz dieser Mängel ist der Fortschritt allerdings erkennbar. Dies sollte laut Massicot auch die Nato alarmieren, da Russland seine Lehren wohl auch mit China, dem Iran und Nordkorea teilt. Die Nato-Länder analysieren die russischen Fortschritte im Krieg oftmals dagegen getrennt voneinander. Umfassende Reaktionen gab es demnach bisher nicht.

Verwendete Quellen
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