Treffen mit Trump Selenskyjs Tomahawks könnten in weite Ferne rücken
Eigentlich wollte Wolodymyr Selenskyj Donald Trump im Oval Office von der Tomahawk-Lieferung überzeugen. Das könnte sich nun erledigt haben.
Die Chancen schienen gut zu stehen, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump mit einer Zusage für die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern wieder heimfliegt. Doch dann telefonierte Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin – und äußerte sich plötzlich deutlich zurückhaltender.
Vor dem Besuch Selenskyjs im Oval Office sind die Erwartungen für einen Durchbruch für die US-amerikanische Unterstützung der Ukraine damit bei vielen Beobachtern deutlich gesunken. Sie sehen die Gefahr, dass Trump seine Einstellung wieder einmal geändert haben könnte und sich jetzt wieder Putin annähert.
- Neuordnung der Welt: "Für Deutschland ist das eine schlechte Nachricht"
- Mehr als 70 Flugzeuge: Nato übt mit Atomwaffen – Botschaft an Putin
Denn nach dem Telefonat am Donnerstag folgte schnell die Verkündung eines weiteren Treffens mit dem russischen Staatschef, ausgerechnet in der EU im ungarischen Budapest. Die Ukraine wurde von dieser Ankündigung offenbar komplett unvorbereitet getroffen, berichtet die "Zeit". Dies könnte ein Hinweis darauf sein, welche Relevanz Trump der ukrainischen Meinung zumisst.
Trump plötzlich zögerlich
Auch die Äußerungen Trumps nach dem Telefonat nähren die Zweifel: "Wir brauchen Tomahawks auch für die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben viele davon, aber wir brauchen sie." Man könne die eigenen Vorräte nicht aufbrauchen. "Sie sind sehr wichtig, sehr präzise und sehr gut. Ich weiß also nicht, was wir da machen können."
Es wird befürchtet, dass Trump sich dabei von Putin ins Gewissen reden ließ. So sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow, der russische Präsident habe die Frage der Lieferung von Tomahawks an die Ukraine in dem Telefonat direkt angesprochen.
Putin habe seinen Standpunkt bekräftigt, "dass Tomahawk-Waffen die Lage auf dem Schlachtfeld nicht ändern würden, sondern den Beziehungen zwischen unseren Ländern erheblichen Schaden zufügen würden, ganz zu schweigen von den Aussichten auf eine friedliche Lösung". Man hoffe daher, sagte Uschakow, dass Trump dies bei seinem Gespräch mit Selenskyj am Freitag berücksichtigen werde.
Zunächst zeigte sich Trump offen
Das könnte auf den US-Präsidenten Eindruck gemacht haben, denn zuvor hatte dieser sich bezüglich der Ukraine deutlich unterstützender geäußert. Zuletzt hatte er angekündigt: "Sie wollen in die Offensive gehen. Ich werde eine Entscheidung dazu treffen." Selenskyj "will Waffen. Er möchte Tomahawks haben", betonte Trump dabei explizit und zeigte sich offen für die Lieferung.
Zudem bekundete er sein Unverständnis darüber, dass Putin den Krieg weiter fortsetzt. "Ich bin sehr enttäuscht, denn Wladimir und ich hatten ein sehr gutes Verhältnis", sagte er zwischenzeitlich.
Auch Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte erklärt, Washington sei bereit, "Russland Kosten aufzuerlegen", wie es "nur die USA können". Darüber hinaus gab es zuletzt Meldungen, dass die USA die ukrainische Armee bereits deutlich stärker mit Geheimdienstinformationen unterstützen, als offiziell bekannt ist.
Selenskyj besuchte bereits Tomahawk-Hersteller
Es war erwartet worden, dass Selenskyj Trump beim persönlichen Aufeinandertreffen endgültig von der Lieferung der Tomahawks überzeugen wollte. Zuvor hatte er bereits öffentlich darum geworben. "Wir sehen und hören, dass Russland Angst hat, dass die Amerikaner uns Tomahawks geben könnten. Das zeigt, dass diese Art von Druck zu Frieden beitragen kann."
Tomahawk-Marschflugkörper haben eine Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern und würden der Ukraine damit Angriffe bis tief in russisches Gebiet ermöglichen. Zudem können sie prinzipiell auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden
Dabei waren Selenskyjs Planungen offenbar schon vorangeschritten. Vor dem Treffen mit Trump traf er einen US-amerikanischen Produzenten von Tomahawk-Marschflugkörpern und Patriot-Systemen in den USA. Man habe mit Vertretern des Rüstungskonzerns Raytheon bereits über "Produktionskapazitäten und mögliche Wege für eine Zusammenarbeit zur Stärkung der Luftverteidigung und der Langstreckenfähigkeiten der Ukraine gesprochen", erklärte Selenskyj am Freitag in Onlinediensten. Auch über eine mögliche gemeinsame US-ukrainische Produktion sei gesprochen worden.
Die Aussicht, dass die USA der Ukraine Tomahawk-Marschflugkörper liefern könnten, zwinge Moskau zu Verhandlungen, fügte Selenskyj hinzu. "Wir können bereits beobachten, dass Moskau sich beeilt, den Dialog wieder aufzunehmen", erklärte er.
Nach den neuesten Trump-Äußerungen scheint es, als seien die Chancen gesunken, dass Selenskyj das Weiße Haus mit konkreten Ergebnissen verlassen wird. Vielmehr könnte die neue Dialogbereitschaft Moskaus Trumps Bereitschaft, mehr Druck auf Putin auszuüben, reduziert haben.
Trump verfällt in alte Muster
In der Vergangenheit hatte Trump des Öfteren ein härteres Vorgehen gegenüber Putin angekündigt, bis er dann jeweils mit dem russischen Präsidenten sprach und plötzlich deutlich versöhnlicher klang. Im Frühjahr etwa hatte Trump Putin vorgeworfen, "mit dem Feuer zu spielen", und gesagt, er erwäge, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Er erklärte, er brauche noch zwei Wochen, um zu wissen, ob Putin es mit den Verhandlungen ernst meine. Obwohl Putin keinerlei Zugeständnisse machte, verhängte Trump keine Sanktionen.
Anfang August setzte Trump Putin eine neue Frist, den Krieg zu beenden. Dann traf er sich mit dem russischen Präsidenten in Alaska und verkündete anschließend, man habe Fortschritte auf dem Weg zum Frieden erzielt. Putin setzte jedoch seinen Angriff auf die Ukraine im Anschluss noch intensiver fort. Nun, so befürchten viele, könnte sich das Muster wiederholen.
- nytimes.com: "After ‘Productive’ Call, Trump Plans Another Meeting With Putin" (englisch)
- kyivindependent.com: "'We need them too' — Trump hesitant on providing Tomahawk missiles to Ukraine following call with Putin, ahead of talks with Zelensky" (englisch)
- zeit.de: "Das war es dann wohl mit den Tomahawks" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP




