t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon


HomePolitikUkraine

Putin hat sie kalt erwischt: Trump gibt der Ukraine vorerst keine Tomahawk


Brisantes Treffen
Putin hat sie kalt erwischt

Eine Analyse von Patrick Diekmann

18.10.2025Lesedauer: 4 Min.
Video lädt
Player wird geladen
Trump zu Selenskyj im Video: "Ich hoffe, es fällt den Leuten auf." (Quelle: t-online)
News folgen

Noch vor dem Treffen von Wolodymyr Selenskyj mit Donald Trump telefonierte Kremlchef Wladimir Putin mit dem US-Präsidenten. Nun steht fest: Wieder ist es Russland gelungen, dass Trump mit Blick auf den Ukraine-Krieg einen Rückzieher macht.

Er wirkte etwas einsam, als er am Freitagnachmittag (Ortszeit) vor dem Weißen Haus in Washington stand. Wolodymyr Selenskyj hat in der US-Hauptstadt eine Pressekonferenz geplant. Zuvor hatte er US-Präsident Donald Trump und führende Mitglieder für ein Gespräch getroffen. Die Themen waren durchaus gewichtig: Die Ukraine hoffte auf weitere US-Unterstützungen – etwa mit dem US-Marschflugkörper Tomahawk oder mit Flugabwehrsystemen aus den Vereinigten Staaten.

Vor diesem Hintergrund lief das Treffen für Selenskyj enttäuschend. Der ukrainische Präsident stand am Ende mit leeren Händen da. Seine improvisierte Pressekonferenz vor dem Zaun des Weißen Haus sendete eben nicht die Botschaft, dass er soeben aus einem Treffen mit Freunden kam.

Trotzdem übte Selenskyj keinerlei Kritik an der US-Regierung. Er weiß: Die Ukraine ist auf Trump angewiesen. Auch die Erinnerung an das erste Aufeinandertreffen im Februar dürfte Selenskyj noch präsent gewesen sein: Damals hatte der US-Präsident ihn ohne Essen aus dem Weißen Haus werfen lassen.

Deshalb wählte Selenskyj seine Worte mit Bedacht, zögerte bei Fragen von Journalisten oft zunächst einen kurzen Moment. So, als würde er jede Antwort genau abwägen wollen.

Video | Beim Treffen mit Selenskyj: Donald Trump findet lobende Worte für seine Ehefrau Melania
Video lädt
Player wird geladen
Quelle: t-online

Es war kein einfacher Tag für den ukrainischen Präsidenten. Erneut musste er sich im Weißen Haus Kommentare zu seinem Outfit anhören, musste sich mehrfach rechtfertigen, warum Kremlchef Wladimir Putin und er sich hassen. All das, obwohl Russland seit mehr als dreieinhalb Jahren die Ukraine überfällt und das Land seither um die Existenz kämpfen muss.

Trotzdem bedankte sich Selenskyj am Nachmittag bei Trump für das "produktive Gespräch". Über Tomahawk-Lieferungen habe man gesprochen, doch beide Seiten haben Stillschweigen darüber vereinbart.

Nur gelegentlich schien die Enttäuschung des ukrainischen Präsidenten durch. "Die amerikanische Seite hat gesagt: 'Sie müssen das verstehen: Wir brauchen sie selbst'", erklärte Selenskyj, als er auf die Tomahawk angesprochen wurde. Mit Blick auf das anstehende Treffen zwischen Trump und Putin sagte er: "Es gibt viele positive Botschaften (von Russland, Anm. d. Red), aber nicht in unsere Richtung." Er sei offen für jedes Format, das "uns einem Frieden näherbringt".

Nachdem Trump in den vergangenen Wochen öffentlich mit Tomahawk-Lieferungen geliebäugelt hatte, folgte nun vorerst ein Rückzieher des US-Präsidenten. Das ist ein politischer Erfolg für Putin, er hat die Ukraine und die Europäer kalt erwischt.

Denn er schaffte es erneut, mit einem Telefonat am Donnerstag auf Trump einzuwirken. Der US-Präsident will einen Friedensdeal, doch ob er mit dieser Strategie diesem Ziel näherkommt, ist fraglich.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Putin steht unter Druck

Für Moskau steht in dieser Kriegsphase viel auf dem Spiel, Putin steht sehr unter Druck. Seine Sommeroffensive werten Militärexperten als Fehlschlag. Die Geländegewinne waren überschaubar, die Einnahme der ukrainischen Stadt Pokrowsk scheint in weiter Ferne zu liegen, die eigenen Verluste waren hoch.

Zuletzt wechselte die russische Armee ihre Taktik, setzte wieder vermehrt auf den Einsatz von Panzern – allerdings ohne Erfolg. Teilweise konnte die ukrainische Armee russische Panzerkolonnen mit Artillerie und Drohnen ausschalten, bevor diese überhaupt die Kontaktlinie an der Front erreichten.

Zeitgleich schwächelt die russische Wirtschaft. Durch den Krieg – Mobilisierungen und den Bedarf der russischen Armee an der Front – leiden russische Unternehmen an einem Mangel an Arbeitskräften. Gleichzeitig bricht der Binnenmarkt abseits der staatlich subventionierten Kriegswirtschaft ein. Um die Inflation zu bekämpfen, hat die russische Zentralbank den Leitzins auf 17 Prozent angehoben. Die Folge: Viele russische Unternehmen nehmen keine Kredite mehr auf, auch die russische Bevölkerung spart lieber.

Dem Kreml geht langsam das Geld für Putins Krieg aus. Der russische Wohlstandsfonds, der von Moskau jahrelang mit Erlösen aus Gas- und Ölgeschäften gefüllt wurde und mit dem Russland lange seinen Krieg finanzierte, ist aufgebraucht. Außerdem gelingt es der ukrainischen Armee immer wieder erfolgreich, mit Drohnen und Marschflugkörpern russische Ölraffinerien anzugreifen – die Achillesferse von Putins Wirtschaft.

All das in Summe legt einen Rückschluss nahe: Selten seit dem Beginn der russischen Vollinvasion im Februar 2022 war das Momentum so gut, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Doch dafür müsste der Druck auf Russland aufrechterhalten werden, meinen viele Militärexperten. Auch Selenskyj betonte im Weißen Haus: "Präsident Trump hat eine große Chance, diesen Krieg zu beenden."

Loading...
Loading...

Trump hat keine klare Strategie

Doch der US-Präsident verzichtet vorerst darauf, den Druck auf Putin zu erhöhen. Hoffentlich könne man den Krieg beenden, ohne über diese Waffen nachdenken zu müssen, sagte er mit Blick auf die Tomahawk. Dabei wäre die Ukraine mit diesen Marschflugkörpern in der Lage, weite Teile der russischen Kriegs- und Rohstoffindustrie unter Beschuss zu nehmen.

Putin hat sich mit seinem Telefonat erneut Zeit verschafft, ihm gelingt vorerst ein Befreiungsschlag auf diplomatischer Ebene. Dafür musste er bislang keine Zugeständnisse machen, nicht einmal ein direktes Treffen mit Selenskyj steht bevor. Vielmehr wollen sich Trump und Putin in den kommenden Wochen erneut treffen, wahrscheinlich in Budapest. Doch es ist fraglich, ob dieser Gipfel zustande kommt. Zuvor trifft sich eine amerikanisch-russische Verhandlungsgruppe, um die Chance auf eine Einigung auszuloten.

Trump möchte nicht mit leeren Händen dastehen, wie bei ihrem Treffen in Alaska im August.

Für den Kremlchef ist das Telefonat dagegen schon jetzt ein doppelter Erfolg, denn er lockt Trump in die nächste Falle, die den Westen auseinanderdividiert. Russland gewinnt Zeit, der Kreml hat erneut seinen Einfluss auf den US-Präsidenten deutlich gemacht.

Zudem ist der gewünschte Gipfelort für Russland von Vorteil. Einerseits symbolisch, denn hier wurde 1994 das Budapester Memorandum unterzeichnet, mit dem auch Russland der Ukraine ihre Souveränität zusicherte. Andererseits führt Putin der Europäischen Union ihre Zerrissenheit vor Augen. Die Europäer sitzen nicht nur nicht mit am Tisch, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wird auch den internationalen Haftbefehl ignorieren.

Putin wird wieder in die EU reisen können, erstmals seit Beginn seiner Vollinvasion in der Ukraine. Diese symbolische Genugtuung wird ihm von Trump ermöglicht, in einer Phase, in der Russland in Bedrängnis ist. Für Selenskyj war der Freitag also eine politische Niederlage – und genauso für die Europäer.

Verwendete Quellen
  • Beobachtung der Pressebegegnung von Donald Trump und Wolodmyr Selenskyj im Weißen Haus
  • Pressekonferenz von Wolodymyr Selenskyj in Washington
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom