Einkesselung droht Ukrainische Truppen in "katastrophaler Lage"

Seit Monaten dauern die Kämpfe um die ostukrainische Stadt Pokrowsk an. Nun spitzt sich die Lage für die ukrainischen Einheiten offenbar dramatisch zu.
Die Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine ist seit Monaten Schauplatz erbitterter Gefechte. Sie liegt an der Frontlinie im Donezker Gebiet, wo Russland seit Sommer versucht, tief in die ukrainischen Verteidigungszonen vorzustoßen. Mehrfach wechselte die Kontrolle über einzelne Stadtteile, im Abnutzungskrieg erlitten beide Seiten hohe Verluste. Jetzt scheint die Lage für die ukrainischen Truppen jedoch so kritisch wie nie.
Wie die ukrainische Nachrichtenseite "Ukrajinska Prawda" unter Berufung auf Offiziere berichtet, befinden sich bereits mindestens 250 russische Soldaten in Pokrowsk. In fast jeder Straße werde gekämpft, ein Kontakt zu einzelnen Einheiten bestehe nur noch über Funk. "Die Infanterie ist praktisch vom Kommando abgeschnitten", sagte ein beteiligter Offizier. "Wir können sie über Funk hören und versuchen, ihnen mit Drohnen Wasser zu liefern. Sie sind seit zweieinhalb bis drei Monaten auf ihren Positionen."
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Russische Drohnen dominieren die Front
Laut den Berichten hat die Dominanz russischer Drohnen deutlich zugenommen. Die per Glasfaser kontrollierten Flugobjekte überwachen die Stadt rund um die Uhr. Jede Bewegung ukrainischer Fahrzeuge wird sofort entdeckt und häufig beschossen, sodass die Logistik faktisch zum Erliegen gekommen ist.
Deshalb müssen ukrainische Soldaten teils zehn bis 15 Kilometer zu Fuß zur Front marschieren, um Munition und Vorräte zu transportieren. Ein Evakuieren Verwundeter sei kaum noch möglich. Der Soldatenmangel in den Frontabschnitten gilt als gravierend. Ein Offizier schilderte die Lage als "katastrophal": "Pokrowsk bricht zu schnell zusammen, damit haben wir nicht gerechnet."
Ukrainische Truppen in Pokrowsk unter großem Druck
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte im September noch von erfolgreichen Gegenangriffen berichtet. Die Erfolgsberichte wurden jedoch von Anfang an durch ukrainische Militärbeobachter angezweifelt. Dennoch informierte am Mittwoch das ukrainische Militär über die Rückeroberung des Dorfes Kutscheriw Jar nördlich von Myrnohrad und über 50 russische Gefangene.
Diese Erfolge konnten den Druck auf Pokrowsk jedoch offenbar kaum lindern. So existieren laut ukrainischen Quellen einige Positionen nur noch auf Karten oder seien lediglich von Verwundeten besetzt. Jetzt hat die russische Armee erneut mehrere Stellungen in Pokrowsk bezogen. Auch im Norden des nahegelegenen Myrnohrad sind russische Einheiten gesichtet worden. Den Ukrainern dort droht die Einkesselung: "Wenn Pokrowsk fällt, gibt es für die Einheiten in Myrnohrad keinen Ausweg mehr", sagte ein Offizier der "Ukrajinska Prawda".
Bedeutung für den Donbass
Der Donbass ist reich an Kohle- und Industrievorkommen und gilt als eines der zentralen Kriegsziele Russlands. Pokrowsk liegt am westlichen Rand der noch von der Ukraine kontrollierten Zone im Gebiet Donezk. Die Bergarbeiterstadt mit vormals rund 60.000 Einwohnern gilt als wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Fällt die Stadt, könnten russische Truppen weiter in Richtung der Großstädte Slowjansk und Kramatorsk vorrücken – die letzten großen ukrainischen Bastionen im Osten.
Diese Orte bilden zusammen mit Druschkiwka und Kostjantyniwka den sogenannten Festungsgürtel, eine rund 50 Kilometer lange Verteidigungslinie, die nach ukrainischen Angaben über Jahre massiv ausgebaut wurde.
Ein weiteres Vordringen könnte eine große Herausforderung für die russische Armee werden. Schon jetzt kostet der verlustreiche Häuserkampf vielen Soldaten das Leben. Im laufenden Jahr sollen es laut einer neuen Schätzung des britischen Magazins "Economist" bis zu 600.000 tote oder verwundete Soldaten sein. Seit Kriegsbeginn belaufen sich die Verluste demnach auf 984.000 bis 1,4 Millionen Soldaten.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- pravda.com.ua: At least 250 Russians in Pokrovsk, Ukrainian troops walk 10-15 km to reach positions (Englisch)
- spiegel.de: Geländeverluste zur Unzeit (kostenpflichtig)




