Stagnation in der Rüstungsindustrie "Schockierende" Nachrichten für Putins Kriegswirtschaft

Seit Kriegsbeginn wuchs Russlands Rüstungswirtschaft eigentlich beständig – bis jetzt. Erstmals gibt es Anzeichen für eine Stagnation.
Russlands Rüstungswirtschaft hat im September erstmals seit Kriegsbeginn Anzeichen einer Abschwächung gezeigt. Laut einem Bericht der unabhängigen "Moscow Times" basieren diese Einschätzungen auf aktuellen Zahlen der russischen Statistikbehörde Rosstat. Demnach stagnierte die Produktion in mehreren rüstungsnahen Branchen – ein Bruch mit dem bisherigen Trend eines kontinuierlichen Wachstums seit Beginn der Invasion in die Ukraine im Februar 2022.
Besonders deutlich wird die Entwicklung im Bereich der "gefertigten Metallwaren". Hier kam es nach einem Zuwachs von über 20 Prozent im August nun im September zu einem Rückgang um 1,6 Prozent. Noch 2023 hatte dieser Sektor um 26,4 Prozent zugelegt, 2024 sogar um 31,6 Prozent. Auch die Herstellung "anderer Transportmittel", zu denen auch Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zählen, verlor spürbar an Dynamik: Das Wachstum fiel im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 6 Prozent – nach über 60 Prozent im August.
Produktionszahlen sind "schockierend"
Analysten des russischen Beratungsunternehmens MMI bezeichneten die aktuellen Produktionszahlen laut "Moscow Times" als "schockierend". Sie wiesen darauf hin, dass der Verteidigungssektor bislang als treibende Kraft für die gesamte Industrieproduktion gegolten habe, nun aber selbst zum Belastungsfaktor werde.
- Streit um eingefrorenes Geld: Russland droht EU mit "schmerzhafter Reaktion"
- Putin unter Druck: Fabriken im Notbetrieb
Der Ausstoß der gesamten Industrie stieg im September lediglich um 0,4 Prozent, verglichen mit 2,4 Prozent im Vormonat. Ein Analyst der PSB Bank erklärte, die Industrieproduktion – mit über 30 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt der größte Sektor der russischen Wirtschaft – sei "nahezu zum Stillstand gekommen".
Hinzu kommen strukturelle Probleme in der Breite der Industrie. So verzeichnete das Institut für Wirtschaftsprognosen der Russischen Akademie der Wissenschaften nach Angaben der Zeitung einen Rückgang in 18 von 24 Industriebranchen, die gemeinsam rund 80 Prozent der gesamten Produktion ausmachen. Diese Entwicklung interpretierten Beobachter als klares Signal für eine beginnende Rezession in der industriellen Fertigung.
Vor diesem Hintergrund hat die russische Zentralbank am Freitag erneut den Leitzins gesenkt – von 17 auf 16,5 Prozent. Es war bereits die vierte Senkung in Folge seit Juni. Damals hatte der Zinssatz mit 21 Prozent seinen höchsten Stand seit Kriegsbeginn erreicht. Die Zentralbank begründete den Schritt mit einer angehobenen Inflationsprognose sowie anhaltendem Arbeitskräftemangel und geht für 2026 nun von einem durchschnittlichen Zinsniveau zwischen 13 und 15 Prozent aus. Zugleich wurde die erwartete Wachstumsrate für das kommende Jahr nach unten korrigiert: Statt einem bis zwei Prozent rechnet die Bank nur noch mit 0,5 bis 1 Prozent. Die Inflation soll zwischen 4 und 5 Prozent liegen.
Ein unabhängiger Ökonom sagte der "Moscow Times", die jüngste Entscheidung der Zentralbank deute darauf hin, "dass wir im nächsten Jahr mit einer sehr schweren wirtschaftlichen Stagnation rechnen müssen".
- kyivpost.com: "Russian Defense Sector Shows ‘First Signs of Slowdown’ Since Invasion of Ukraine" (englisch)
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.