Drohnenkrieg in der Ukraine Putins "Stachelschwein" überrascht Kritiker

Die Improvisationskünste der russischen Armee ernten regelmäßig Spott. Doch "Stachelschweine" und "rollende Scheunen" könnten effektiver sein als gedacht.
Auf den Schlachtfeldern in der Ukraine schienen klassische Kampfpanzer zuletzt keine große Rolle mehr zu spielen. In der bis zu 30 Kilometer breiten "Todeszone" zu beiden Seiten der Frontlinie zerstören Kamikazedrohnen die auffälligen und langsamen Fahrzeuge, bevor sie überhaupt in die Nähe feindlicher Stellungen kommen. Aufwendig nachgerüstete "Schildkrötenpanzer" und "rollende Scheunen", also Panzer mit Stacheln zur Drohnenabwehr, der Russen lösten unter Kriegsbeobachtern eher Belustigung aus. Doch nun häufen sich Berichte, die den Abgesang auf den Panzer verfrüht erscheinen lassen.
"Wer sich über 'Schildkrötenpanzer' lustig macht, sollte schauen, wie viele Kamikazedrohnen es braucht, um einen ordentlich aufgerüsteten Panzer zu zerstören", schrieb kürzlich etwa ein Nutzer auf X zu Bildern, die die Zerstörung eines russischen Panzers durch mindestens fünf Drohnen zeigen sollen. Zuletzt schienen auch die Ukrainer ihrer Panzerfahrzeuge mit Metallstacheln gegen anfliegende Drohnen zu schützen, wie dieses Bild eines US-Truppentransporters vom Typ M113 zeigen soll:
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Dabei bieten die westlichen Panzerfahrzeuge in Diensten der Ukraine offenbar ohnehin besseren Schutz vor den Bedrohungen des modernen Schlachtfelds. So soll Anfang des Jahres ein ukrainischer Panzer vom Typ Leopard 1A5 erst acht russische Drohnen ausgehalten haben, bevor die Besatzung das Fahrzeug verlassen musste. Dann habe es drei weitere Drohnen gebraucht, um den Leopard 1 endgültig zu zerstören, berichtete das Magazin "Forbes". In einem anderen Fall hätten die Russen mindestens sechs Drohnen gebraucht, um einen Panzer vom Typ Abrams zu stoppen – auch in diesem Fall soll die Crew überlebt haben.
Putins "Stachelschwein" wohl besser als sein Ruf
"Sie haben den Motor getroffen, sind aber weder durch den Turm noch durch die Hülle gekommen, während wir drin saßen", berichtete der Panzerkommandant später in der ukrainischen Presse. "Und das, obwohl die Russen massig Zeit hatten." Nach Angaben des Soldaten war ihr Abrams mit zusätzlicher Panzerung und einem Netz gegen Drohnenangriffe nachgerüstet worden.
Laut "Forbes" schützen die Ukrainer ihre Fahrzeuge auch durch zusätzliche Schichten aus Reaktivpanzerung, die eintreffende Geschosse durch eine nach außen gerichtete Explosion abwehrt. Um diese Panzerung zu durchbrechen, braucht es viele Einschläge an derselben Stelle. Zudem lässt sich nach einem überstandenen Angriff oder einem Kampfeinsatz die Reaktivpanzerung leicht wieder herstellen. Doch auch die Improvisationen der russischen Armee scheinen ihren Zweck zu erfüllen, vor allem das Modell "Stachelschwein".
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Ein solches mit Metallstreben übersätes Exemplar der Russen soll im Juli fast 60 Drohneneinschläge ausgehalten haben, bevor es zum Halt kam. Die Stacheln sollen in der Lage sein, Drohnen entweder aufzuspießen, abzulenken oder in ausreichend Abstand zur eigentlichen Panzerung explodieren zu lassen. Und selbst russische Panzer ohne zusätzliche Aufbauten halten offenbar mehr aus, als zwischenzeitlich angenommen wurde. "In Extremfällen brauchen wir mindestens 20 Drohnen für einen aufgerüsteten Panzer", zitiert "Forbes" den ukrainischen Panzerkommandeur Michael. "Aber selbst für normal gepanzerte Fahrzeuge braucht man mehrere Drohnentreffer."
"Kamikazedrohnen können jeden Panzer aufhalten"
Dabei besteht die erste Schwierigkeit schon darin, mit der Drohne überhaupt in die Nähe eines feindlichen Panzers zu gelangen. Bei schlechtem Wetter sind beispielsweise auch Drohnen mit einer Glasfasersteuerung, die gegen elektronische Störmaßnahmen immun sind, nur von eingeschränktem Nutzen. Dazu kommt, dass es gar nicht so einfach ist, die Ketten eines Panzers anzusteuern, wie der Panzerkommandeur Michael berichtet: "Die Räder und Ketten sind oft besonders geschützt, daher zielen unsere Drohnenpiloten eher auf die besser sichtbaren Aufbauten oben auf den Panzern."
Wichtiger als die Größe der Sprengladung seien im Drohnenkampf die Fähigkeiten des Piloten, erklärt der ukrainische Soldat: "Auch kleine Sprengköpfe haben eine verheerende Wirkung, wenn sie an der richtigen Stelle einschlagen und der Drohnenpilot weiß, wo die Panzerung am dünnsten ist." Auch dieser Umstand scheint die Überlebensfähigkeit von modifizierten Panzern zu erhöhen: Die zusätzlichen Aufbauten erschweren es feindlichen Drohnenpiloten, im Gefecht die Schwachstellen in der Panzerung ausfindig zu machen.
Doch ob "Stachelschwein", "Schildkröte" oder "rollende Scheune" wirklich die Zukunft des Kampfpanzers sind, ist derzeit noch offen, glaubt Michael: "Kamikazedrohnen können jeden Panzer aufhalten, wenn sie an der richtigen Stelle treffen."
- forbes.com: A Ukrainian Leopard 1A5 Tank Shrugged Off Eight Russian Drones, Proving Its Add-On Armor Works


