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Ukraine-Krieg: Ukraine vergibt für getötete russische Soldaten Punkte


Belohnung für Drohnenschläge
Ukraine vergibt Punkte für getötete russische Soldaten

Von t-online
Aktualisiert am 03.11.2025Lesedauer: 4 Min.
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Ein ukrainischer Drohnenpilot übt in der Region Charkiw an einer Drohne: Die ukrainische Militärführung belohnt ihre Soldaten mit einem Punktesystem für erfolgreiche Einsätze. (Quelle: IMAGO/Viacheslav Madiievskyi/imago)
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Drohnen sind im Ukraine-Krieg unverzichtbar, ihr Einsatz wird immer wichtiger. Um die Effizienz ihrer Piloten zu steigern, setzte die Ukraine auf ein Bonussystem.

Die ukrainische Regierung setzt zunehmend auf ein neuartiges Punktesystem, um ihre Drohneneinheiten zu motivieren und effizienter zu machen. Unter dem Namen "Army of Drones Bonus System" (zu Deutsch: "Drohnenarmee-Bonussystem") erhalten Soldaten Punkte für erfolgreiche Angriffe, die sie gegen neue Ausrüstung eintauschen können. Wie der britische "Guardian" berichtet, wird das System mittlerweile von rund 400 Drohneneinheiten genutzt – ein sprunghafter Anstieg gegenüber 95 Einheiten im August.

Allein im September sollen Drohnenteams 18.000 russische Soldaten getötet oder verwundet haben, die über das System registriert wurden. Insgesamt liegen die russischen Verluste, also tote und verletzte Soldaten, laut ukrainischen Angaben bei mehr als 1.000 pro Tag. Die Drohnenpiloten in den ukrainischen Reihen tragen einen großen Teil dazu bei.

Für jeden getöteten Infanteristen gibt es demnach aktuell zwölf Punkte – doppelt so viele wie im Vorjahr. Für die Tötung eines russischen Drohnenpiloten werden hingegen aktuell sogar 25 Punkte vergeben, und für die Gefangennahme eines russischen Soldaten sogar 120 – ein Hinweis auf den hohen Stellenwert von Kriegsgefangenen für Gefangenenaustausche.

"Je mehr Infanterie du tötest, desto mehr Drohnen bekommst du"

Das Ziel erklärte Mychajlo Fedorow, erster stellvertretender Ministerpräsident, folgendermaßen: "Je mehr Infanterie du tötest, desto mehr Drohnen bekommst du, um noch mehr Infanterie zu töten", sagte er dem "Guardian". "Das wird zu einer Art sich selbst verstärkendem Kreislauf."

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Quelle: t-online

Die Punkte lassen sich in einem militärischen Online-Shop von Brave1 einlösen. Bei Brave1 handelt es sich um eine Plattform, die von der ukrainischen Regierung ins Leben gerufen wurde, um Unternehmen und Start-ups im Verteidigungssektor zu bündeln. Die Plattform erinnert laut "Guardian" optisch an kommerzielle Online-Shops, bietet jedoch über 100 verschiedene Drohnenmodelle, autonome Fahrzeuge und elektronische Kampfsysteme an. Eine Bestenliste zeigt die erfolgreichsten Teams – mit Namen wie "Achilles" oder "Phoenix".

Doch es geht nicht nur um das Töten. Auch für das Aufklären von Zielen, erfolgreiche Artillerieeinsätze und autonome Logistikfahrten gibt es Punkte. Außerdem geht es um Zusammenarbeit: Einige Einheiten sprechen intern von "Uber-Targeting". Dabei markiert eine Aufklärungseinheit ein Ziel auf einer Karte – ähnlich wie bei einer Fahrtenbuchung in der Uber-App – und eine Drohne aus einer anderen Einheit übernimmt den Schlag.

Auch für den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) werden Anreize gesetzt: Drohnen, die mithilfe von KI ihre Ziele identifizieren und in den letzten Sekunden selbstständig lenken, gelten als besonders präzise.

"Das ist Krieg – es geht nicht ums Punktejagen"

Laut Fedorow ist das System aber nicht nur ein Anreiz, sondern auch eine wertvolle Datenquelle: "Dank der Punkte verstehen wir besser, was auf dem Schlachtfeld passiert", sagte er. Um Punkte zu erhalten, müssen die Einheiten Videoaufnahmen ihrer Einsätze hochladen. So kann die Armee auswerten, welche Waffen, Taktiken und Orte besonders effektiv sind.

Obwohl das System von außen wie die "Gamifizierung" – also die spielerische Ausgestaltung – des Krieges wirken könnte, widersprechen manche Beteiligten diesem Eindruck. Der Kommandeur der Drohneneinheit "Achilles", Jurij Fedorenko, betonte im Gespräch mit der britischen Zeitung: "Wir müssen die Aufgabe erfüllen. Das ist Krieg – es geht nicht ums Punktejagen." Ein anderer Kommandeur, Andrij Poltorazkyj, räumte hingegen ein: "Die ganze Einheit steht im Wettbewerb. Sogar die höchsten Kommandeure messen sich."

Fedorow erklärte, die ukrainische Regierung sei bei der Punktevergabe mittlerweile "ziemlich emotionslos". Der Krieg dauere nun vier Jahre – da sei die Effizienz entscheidend. "Wenn du den Feind nicht stoppst, wird er deine Soldaten töten. Und wenn die tot sind, kommt er in die Städte, um Zivilisten zu töten", sagte Fedorow.

Kritik am Belohnungssystem

Doch es gibt auch Kritik an dem System – vor allem wegen einer drohenden Vermischung von Wettbewerb und Kriegsführung, die ethische und sicherheitspolitische Gefahren birgt. Der ukrainische Drohnenkommandeur Pawlo "Lasar" Jelysarow, der das System zunächst ablehnte, nannte es im "Time"-Magazin "ein Spiel, das von Zivilisten entworfen wurde, um Kommandeure zu bewerten". Er sieht darin ein Symptom für fehlende professionelle Strukturen innerhalb der Armee.

Zwar habe das System die Effizienz gesteigert, sagte Jelysarow, doch es berge erhebliche Risiken: "Es konzentriert all diese sensiblen Daten in einem Dokument, und das kann in die falschen Hände geraten." Tatsächlich seien in der Vergangenheit Ranglisten erfolgreicher Drohneneinheiten an die Öffentlichkeit gelangt – ein Problem, das laut Jelysarow russischen Kräften helfe, gezielt Angriffe auf führende ukrainische Drohnenteams zu planen.

Auch ethische Bedenken mehren sich. Der ehemalige ukrainische Chefankläger Hündus Mamedow warnte im "Time"-Magazin, dass das Töten durch das System "weniger real" wirken könne. Es bestehe die Gefahr, dass Soldaten emotional abstumpften: "Wir wollen, dass unsere Leute als Menschen aus dem Krieg zurückkehren – nicht als Tötungsmaschinen."

Verwendete Quellen
Transparenzhinweis

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