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Fall Schlesinger: RBB-Verwaltungsrat gesteht Fehler ein – aber "kein Bonus-System"


Fall Schlesinger
RBB-Spitze räumt Fehler ein – aber streitet Bonus-System ab

Von dpa, yer

Aktualisiert am 16.08.2022Lesedauer: 5 Min.
Landtags-Sondersitzung im Fall SchlesingerVergrößern des BildesHagen Brandstäter, geschäftsführender Intendant des RBB, und Dorette König, amtierende Verwaltungsratschefin des RBB: Sie beantworteten Fragen im Landtag. (Quelle: Jens Kalaene/dpa/dpa-bilder)
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Vertreter der RBB-Spitze haben sich in der Affäre um Ex-Intendantin Schlesinger dem Brandenburger Landtag gestellt. Der Senderchef versprach Aufklärung.

Direkt zu Beginn der Sondersitzung des Hauptausschusses im Brandenburger Landtag zur Affäre Schlesinger hat sich der geschäftsführende RBB-Intendant Hagen Brandstäter am Dienstag an die Abgeordneten gewandt. Er versprach, dass der Sender intensiv an der Aufklärung arbeite. Die Abberufung Schlesingers sei ein wichtiger Schritt gewesen. "Es muss sehr viel mehr geschehen", so Brandstäter. Das sei man den Beitragszahlerinnen und -zahlern schuldig.

Gleichzeitig verteidigte Brandstäter den umstrittenen Neubau des Digitalen Medienhauses des RBB. Die digitale Transformation stelle den Sender vor große Herausforderungen.

Verwaltungsratschefin kritisiert Vorgänger

Die amtierende Verwaltungsratschefin des RBB, Dorette König, räumte Mängel in der Gremiumsarbeit rund um die Causa Schlesinger ein. Bei der Arbeitsaufteilung habe es ein Ressortprinzip gegeben, das Einzelnen "sehr viel Freiheit" gegeben habe, sagte sie bei der Sondersitzung. "Natürlich sehen wir auch Schuld bei uns", so König.

Mit der Ressortzuteilung in dem Kontrollgremium, das die Arbeit der Intendantin überwachte, wollte man demnach die Arbeit im Ehrenamt zeitlich besser bewältigen. Dennoch habe das einen Teil der Probleme verursacht, ergänzte König. Der zurückgetretene Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf etwa habe den Dienstvertrag der Intendantin allein ausgehandelt, und seine mündliche Berichterstattung sei oftmals "unzureichend" gewesen.

Wolf sei auch Berichterstatter für das Digitale Medienhaus gewesen, so König. Das RBB-Bauprojekt liegt wegen der Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen die inzwischen abberufene Intendantin Patricia Schlesinger und Chefkontrolleur Wolf auf Eis. In der Kritik stehen umstrittene Beraterverträge für das Bauprojekt.

Senderchef: Kein Bonus-System beim RBB

Brandstäter wies weiter Berichte von einem Bonus-System für Führungskräfte beim RBB zurück. Stattdessen sprach er von einem variablen Gehaltssystem.

"Im RBB gibt es kein Bonus-System", sagte Brandstäter. Es gebe außertarifliche Arbeitsverträge. 27 davon werden demnach variabel vergütet. Das seien neben der Geschäftsleitung auch Hauptabteilungsleiter und Abteilungsleiter, darunter Radiowellen-Chefs.

Schlesinger und der zurückgetretene Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf sehen sich zahlreichen Vorwürfen der Vetternwirtschaft ausgesetzt. In der Kritik steht unter anderem eine kräftige Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303.000 Euro.

RBB hält konkrete Zahlen unter Verschluss

Für Unmut sorgen auch Berichte über Boni für die Führungsetage: Der Sender hält die konkreten Zahlen bislang unter Verschluss – andere ARD-Anstalten legen die Intendantengehälter offen.

Brandstäter präsentierte am Dienstag keine Gehaltszahlungen für Schlesinger. Über das 2018 eingeführte System – Schlesinger war seit 2016 Intendantin – sagte er: "Der Grundgedanke dabei ist, dass die obere Führungsebene an einer Zielerreichung gemessen werden muss."

Er ergänzte, die Ziele Schlesingers seien zwischen ihr und dem Verwaltungsratschef Wolf vereinbart worden. Was die Geschäftsleitung und die Direktoren angehe, sei das zwischen Schlesinger und den jeweiligen Führungsmitarbeitern vereinbart worden.

Verwaltungsratchefin kommt nicht an Dokumente

Die amtierende RBB-Verwaltungsratssitzende Dorette König sagte, dass ihr die Zielvereinbarungen zwischen Wolf und Schlesinger nicht vorlägen. Sie versuche seit Tagen vergeblich, im Sender an die Unterlagen zu kommen. Wolf habe zur Gehaltserhöhung Schlesingers "Eckdaten" genannt. Sie selbst habe die kräftige Gehaltserhöhung Schlesingers nicht als kritisch eingestuft.

Bei den Zielen für Führungskräfte ging es laut Brandstäter etwa um Kosteneinsparungen im Programm. Beim RBB wurde zuletzt die TV-Sendung "Zibb" am Vorabend gestrichen. Betroffene Mitarbeiter hatten damals großen Unmut geäußert, weil ihre Zukunft im Sender zunächst offen geblieben war.

Zudem sei es um Reichweite im Programm gegangen. Auch die Fahrzeugflotte des RBB möglichst mit E-Antrieben zu versehen, sei ein typisches Ziel gewesen.

Es gebe eine Unterscheidung zwischen "Grundgehalt" und "Basisgehalt". Letzteres sei der Maßstab, der im Arbeitsvertrag stehe. Zunächst werde ein niedrigeres Grundgehalt ausgezahlt und über die Erreichung der vereinbarten Ziele könne man das Basisgehalt erreichen. Oder – wenn die Ziele übererfüllt werden – dieses Gehalt sogar übertreffen, ergänzte Brandstäter. Variable Gehaltauszahlungen habe es auch schon vor 2018 in einem anderen Modell gegeben.

Darum geht es in der RBB-Affäre

Am Montag hatte der Rundfunkrat des öffentlich-rechtlichen Senders Patricia Schlesinger mit sofortiger Wirkung abberufen. Sie war bereits davor zurückgetreten – als RBB-Chefin und als ARD-Vorsitzende. Ob sie eine Abfindung bekommt oder Pensionsansprüche geltend machen kann, muss der RBB-Verwaltungsrat eruieren. Ein Zeithorizont blieb zunächst unklar.

Der Fall hat den Sender in eine beispiellose Krise gestürzt, die auch auf den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk abstrahlt.

Die Managerin und Journalistin sieht sich zahlreichen Vorwürfen der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Im Zentrum steht neben der 61-Jährigen der ebenfalls zurückgetretene RBB-Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf. Beide wiesen Vorwürfe zurück.

Zudem geht es um fragwürdige Aufträge für Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl bei der Messe Berlin, wo Wolf ebenfalls bis zu seinem dortigen Rücktritt Aufsichtsratschef war. Das Onlinemedium "Business Insider" hatte den ganzen Fall Ende Juni ins Rollen gebracht.

Ermittlungen gegen Schlesinger, Spörl und Wolf

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme gegen Schlesinger, gegen den Ex-"Spiegel"-Journalisten Spörl und gegen Wolf.

In dem Fall geht es um Details wie die umstrittenen Beraterverträge für das inzwischen auf Eis gelegte RBB-Medienhaus-Bauprojekt, einen teuren Dienstwagen für Schlesinger mit Massagesitzen, die Verköstigung von Gästen in ihrer Privatwohnung auf RBB-Kosten mit angeblich falschen Rechnungen, eine kräftige Gehaltserhöhung für Schlesinger. Auch die Renovierung der Chefetage mit schicken Möbeln für 1,4 Millionen Euro sorgte für Unmut, zudem wird ein London-Trip Schlesingers hinterfragt.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Senderchefin und der Senderchefkontrolleur Wolf miteinander einen zu laxen Umgang bei der möglichen Kollision von beruflichen und privaten Interessen gepflegt haben könnten. Es läuft eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei, Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sie werden erst in Wochen erwartet.

Personelle Konsequenzen

Es gab bereits weitere personelle Konsequenzen: Vor Tagen wurde die Leiterin der Intendanz, Verena Formen-Mohr, mit sofortiger Wirkung freigestellt. Sie gilt wie Wolf als Weggefährtin Schlesingers. Die Frage ist, ob es noch weitere personelle Veränderungen an der Senderspitze geben wird. Auch die Zusammensetzungen der Gremien Rundfunkrat und Verwaltungsrat wurden in den vergangenen Wochen hinterfragt.

Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) sagte, "unabhängig von der aktuellen Debatte hatten wir als Länder Berlin und Brandenburg im Entwurf zum neuen RBB-Staatsvertrag ohnehin schon vorgesehen, die Kontrolle, etwa durch die Landesrechnungshöfe, weiter auszubauen. Daran halten wir fest und werden angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen Transparenz und Aufsicht – noch über das ohnehin schon vorgesehene Maß hinaus – deutlich stärken."

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Die Koordinatorin der Länder-Rundfunkkommission, Heike Raab, hat vom RBB zur Causa Schlesinger die Aufklärung zu Bonuszahlungen gefordert. Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, die die wichtigste Medienpolitikerin der Bundesrepublik ist, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Der RBB und seine Gremien müssen alle Vorwürfe und Kritikpunkte, zum Beispiel Vergaben und Bonuszahlungen, lückenlos aufklären. Insgesamt brauchen wir mehr Kontrolle, Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit bei Transparenz und Compliance." Raab ergänzte: "Denn es ist ein großer Schaden über den RBB hinaus entstanden."

Transparenzhinweis

Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl schreibt als Kolumnist auch für t-online.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Material der Nachrichtenagentur dpa
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