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Berlin: "Unsere U-Bahnhöfe sind zeitgeschichtliche Museen"


Typografie in Berlin
"Unsere U-Bahnhöfe sind zeitgeschichtliche Museen"

InterviewVon Janek Kronsteiner

Aktualisiert am 07.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Eine U-Bahn fährt in die Station Museumsinsel ein: Der am 9. Juli 2021 eröffnete U-Bahnhof zeuge von viel Liebe zum Detail, erklärt Webdesigner Nico Hagenburger im Interview mit t-online.Vergrößern des Bildes
Eine U-Bahn fährt in die Station Museumsinsel ein: Der am 9. Juli 2021 eröffnete U-Bahnhof zeuge von viel Liebe zum Detail, erklärt Webdesigner Nico Hagenburger im Interview mit t-online. (Quelle: Frank Sorge/imago-images-bilder)

Täglich rauschen sie an den Fenstern der U-Bahnen vorbei, doch kaum einer schaut wirklich hin: die Schriftzüge in Berliner U-Bahnhöfen. Ein Instagram-Account will das nun ändern. t-online hat mit seinem Betreiber gesprochen.

Nico Hagenburger lebt seit 15 Jahren in Berlin. Im Zuge seiner Arbeit als Webdesigner beschäftigt sich der 40-Jährige mit Typografie. In seiner Freizeit betreibt er den Instagram- und Twitter-Account "Stationwalls". Dort postet er Bilder der Schriftzüge an Berliner U-Bahnhöfen und erläutert Besonderheiten in der Schriftart und im Wanddesign der jeweiligen Stationen. t-online hat Hagenburger am U-Bahnhof Samariterstraße getroffen.

t-online: Herr Hagenburger, was fasziniert Sie an den Schriftarten in Berliner U-Bahnhöfen?

Nico Hagenburger: Die Typografie hinter den Gleisen hält immer einen Zeitgeist fest.

Was sagen die Typografien denn über den Zeitgeist der jeweiligen U-Bahnstation aus?

So einiges. An den Bahnhöfen aus den Zwanzigerjahren sehen wir zum Teil noch die Kunst der damaligen Schildermaler. In der U8 kann man von Station zu Station wahrnehmen, wie die Schriftart auf den Schildern optimiert wurde.

In den Siebzigerjahren wurden für einzelne U-Bahnhöfe sogar einzigartige Schriftarten entwickelt. Unsere U-Bahnhöfe sind zeitgeschichtliche Museen.

Wie geht die BVG mit diesem historischen Erbe um?

Da ist zwischen radikaler Zerstörung bis zu sorgfältiger Bewahrung alles dabei.

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Sie haben uns gebeten, zur Samariterstraße zu kommen. Warum?

Nur hier an der Samariterstraße gibt es noch eine Originalschrifttafel aus der DDR. Die Schriftart nennt sich "Maxima" – die ostdeutsche Antwort auf die Schriftarten "Helvetica" und "Univers" aus dem Westen. Entwickelt wurde die Schriftart "Maxima" von Gert Wunderlich. Gut zu erkennen ist sie am bauchigen "ß".

Jedoch sind auch hier am Bahnhof Samariterstraße nicht alle Schrifttafeln original. Bei manchen Schildern wurde die "Maxima" eher schlecht imitiert.

Auf der Linie U5 in Friedrichshain haben alle Bahnhöfe unterschiedliche Fliesenfarben. Woran liegt das?

Das geht auf den schwedischen Architekten Alfred Grenander zurück. In den Zwanzigerjahren hat man eine U-Bahnlinie von Endstelle bis Endstelle designt. Dabei hat Alfred Grenander das Prinzip der Kennfarbe für die einzelnen Bahnhöfe entwickelt. Sie müssen in der U5 theoretisch nicht mal die Schilder lesen, schon an den Farben der Fliesen erkennen Sie, wann Sie aussteigen müssen. An der Samariterstraße war die Kennfarbe Grün. Viele der hier verbauten Fliesen stammen sogar noch aus der Zeit Grenanders.

Bei seinen U-Bahnhöfen hat Grenander auf jedes Detail geachtet. Ob er auch bei der Typografie die Finger im Spiel hatte, konnte ich allerdings nicht abschließend herausfinden. Aber wundern würde es mich nicht. Die Schilder wurden jedoch 1986 ausgetauscht. Und zwar durch Schilder in der Schriftart "Maxima".

Lässt sich diese Liebe zum Detail auch in den U-Bahnhöfen wiederfinden, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden?

Hier hat sich der Architekt Rainer Gerhard Rümmler als würdiger Nachfolger Grenanders erwiesen. Er hat das Prinzip der Kennfarbe weiterentwickelt, indem er die ganze Umgebung ins Designkonzept einbezog.

Deswegen ist der U-Bahnhof Bayerischer Platz blau-weiß, die Osloer Straße sieht aus wie die norwegische Flagge und die Eisenacher Straße ist grün wie der Thüringer Wald bei Eisenach.

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Viele U-Bahnhöfe mussten bereits renoviert werden. Wurde dabei sorgsam mit den Typografien umgegangen?

Da gibt es einige wunderbare Beispiele: Ein Schild im Bahnhof Heinrich-Heine-Straße etwa ist bei einer Graffiti-Entfernung zerstört worden. Das wurde anschließend liebevoll nachgebaut. Auch am Potsdamer Platz wurden die Schrifttafeln herausragend restauriert.

Gibt es auch Beispiele missglückter Renovierungen?

In der Station Rathaus Steglitz wurde viel verändert. An der Wand hat man das Schwarz und das Rot vertauscht. Vielleicht wollte die BVG so zeigen, dass hier etwas Neues entstanden ist. Doch am Ende wurde der Stationsname mit der Schriftart "Arial" auf die Wand geklatscht. Das tut doch in den Augen weh. Kaum auszuhalten.

Wie kommt es zu solchen Ungereimtheiten?

Ich glaube, das ist Ausdruck der Zeit: Früher wurden Architektur und Typografie zusammengedacht. Heute interessieren sich viele Architekten nicht mehr für Schriftarten. Es gibt unzählige Gebäude, bei denen sich bei Form und Material viel Mühe gegeben wird, und am Ende wird eine x-beliebige Schrift auf die Fassade gesetzt.

Dabei kostet die Lizenz für eine passende Schriftart gar nicht so viel. Und bei einem Bauprojekt, das viele Millionen Euro kostet, sollte der Preis für eine passende Typografie eigentlich kein Hindernis sein.

Welche Details an U-Bahnhöfen gefallen Ihnen persönlich am besten?

Mein liebster Schriftzug ist am U-Bahnhof Pankstraße. Die Schriftart heißt "Octopuss", sieht verspielt aus und schreit einfach "Siebzigerjahre". Ein bisschen, als wäre die Schrift auf Drogen.

Der U-Bahnhof Konstanzer Straße wirkt ebenfalls wie aus den Siebzigern, sieht dabei aber aus wie frisch eröffnet. Dieser Orangeton an der Wand ist einfach genial.

Die schönsten Fliesen hat der U-Bahnhof Schönleinstraße. Der Bahnsteig wird oft als hässlich dargestellt, aber das liegt meiner Meinung nach am Umfeld. Es ist dort zwar manchmal dreckig, aber der Bahnhof an sich ist richtig schön.

Diese Bahnhöfe sind alle recht alt. Können Sie neugebauten Bahnhöfen auch etwas abgewinnen?

Ich finde die Station Rotes Rathaus sehr schön. Die goldene Typografie an den schwarzen Wänden, auch die Beleuchtung ist sehr gelungen. Das gibt ein großartiges Raumgefühl.

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Auch die Haltestelle Museumsinsel beweist viel Liebe zum Detail. Die Materialabstimmung zusammen mit der seitlichen Beleuchtung funktioniert einfach. Der Blauton an der Decke scheint auch sorgsam ausgewählt zu sein. Die Mühe hat sich gelohnt.

Sie posten regelmäßig Fotos der U-Bahnstation-Schriftzüge auf ihrem Account "Stationwalls" auf Instagram und Twitter.

Eigentlich poste ich keine Fotos. Ich fotografiere die Wände nicht, sondern baue sie am Computer nach.

Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Ich möchte darauf aufmerksam machen, wie schützenswert die Typografie in den U-Bahnhöfen ist. "Stationwalls" soll eine Art Typografie-Museum werden. Durch das digitale Nachbilden der Schriftarten und Schilder habe ich die Möglichkeit, auch historische Schriftzüge zu rekreieren, die es in der Form gar nicht mehr gibt.

So kann ich vielleicht Erinnerungsorte wieder aufleben lassen. Wir haben schließlich eine große emotionale Bindung zu U-Bahn-Stationen. Jeder Berliner weiß noch, an welcher Station er während seines Studiums lebte oder an welcher Station die erste große Liebe wohnte.

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Wenn Sie eine U10 bauen könnten, wie würden Sie die Bahnhöfe gestalten?

Ich würde mich freuen, wenn die Stationen bunt und in Kennfarben gestaltet würden. Außerdem wünsche ich mir, dass Typografinnen und Typografen zurate gezogen würden.

Qualität zeigt sich eben in der Liebe zum Detail. Etwa durch den kleinen Frosch an der Station Prinzenstraße.

Wo ist denn dieser Frosch?
Suchen Sie mal.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Nico Hagenburger
  • "Stationwalls" auf Instagram
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