Menschenhandel am Hauptbahnhof? Wie Männer die Not von jungen Ukrainerinnen ausnutzen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Immer wieder werden junge Frauen aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof belästigt. Männer bieten ihnen Übernachtungsmöglichkeiten und Geld an – aber nicht aus Nächstenliebe.
Unseriöse oder kriminelle Hilfs- und Wohnungsangebote an geflüchtete Frauen aus der Ukraine sorgen für erhöhte Aufmerksamkeit der Polizei am Berliner Hauptbahnhof. Die Bundespolizei warnte auf Twitter vor "auffälligen Übernachtungsangeboten".
"Es gibt immer wieder Leute, die die Situation missbrauchen", so Aaron, ein freiwilliger Helfer vor Ort. Mehrere Fälle hätten seine ehrenamtlichen Kollegen auch schon verhindert. "Dies ist kein Supermarkt für Menschen."
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Die zumeist älteren Männer bieten angekommenen Frauen, die alleine reisen oder Kinder dabei haben, eine Unterkunft oder Mitfahrgelegenheit an. Oftmals wollen sie den Frauen zusätzlich Geld geben. "Außerdem sprechen sie nicht alle Frauen an, sondern nur welche, die bestimmte Kriterien erfüllen", so eine Sprecherin der Berliner Bundespolizei. "Das ist ein höchst dubioses Angebot."
Berlin: Verdächtiger wegen sexueller Nötigung polizeibekannt
Insgesamt bewegen sich die Fallzahlen im niedrigen zweistelligen Bereich, oft handelt es sich um Einzelfälle, so die Sprecherin. Dennoch gab es allein am vergangenen Montag drei Vorgänge, bei denen die Polizei aktiv wurde. Ein 55-jähriger Mann bot besonders jungen Frauen eine Mitfahrgelegenheit nach Hamburg an. Sein Verhalten fiel auf, die Polizei befragte ihn. Dabei verstrickte er sich in Widersprüche. Der Mann war bereits wegen sexueller Nötigung polizeibekannt.
Auch ein 29-Jähriger und sein 21 Jahre alter Freund wurden von der Polizei kontrolliert. Helfer vor Ort hatten die Beamten auf die Männer aufmerksam gemacht und bis zu ihrem Wagen verfolgt. Auch sie hatten gezielt junge Frauen angesprochen. Auf die Vorwürfe angesprochen, stritten sie alles ab – doch die Auswertung von Videomaterial habe tatsächlich gezeigt, dass die Männer gezielt allein reisende oder mit Kindern reisende Frauen angesprochen hatten, so die Polizeisprecherin.
Auch zwei 50 und 53 Jahre alte Männer fielen den Beamten auf. Sie boten im Bereich der Erstversorgung für Flüchtlinge jungen Frauen Geld an, wenn sie mit ihnen nach Hause kämen. Bei der Befragung gab einer der Männer an, Russisch zu sprechen und lediglich übersetzen zu wollen, sein Freund hätte ihn nur begleitet.
"Wir können nicht in die Köpfe der Männer reinschauen"
Auch am Dienstag habe es wieder einzelne Fälle gegeben, bei denen Männer Frauen dubiose Angebote gemacht hätten.
Alle Verdächtigen werden des Platzes verwiesen und ihre Personalien aufgenommen. "Eine präventive Maßnahme", so die Polizeisprecherin. Ein härteres Durchgreifen sei erst einmal nicht möglich. "Es ist schwierig, hier einen Straftatbestand festzustellen", so die Sprecherin. Für eine Festnahme fehlten die Beweise.
"Es handelt sich erst mal nur um ein Wohnungsangebot, auch wenn sich die Männer verdächtig verhalten." Ein konkretes Motiv für die Taten gibt es nicht. "Wir können ja nicht in die Köpfe der Männer reinschauen", erklärte die Sprecherin. "Der Verdacht geht aber in Richtung Menschenhandel."
Bislang hat die Bundespolizei keine Hinweise darauf, dass ein solch dubioser Versuch von Erfolg gekrönt war. Auch wird seit Tagen vermehrt auf solche Fälle geachtet. Viele Verdächtige meldeten auch die freiwilligen Helfer vor Ort.
- Beobachtungen vor Ort
- Telefonat mit der Bundespolizei Berlin
- Material der Nachrichtenagentur dpa