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Russischer Moderator in Berlin: "Manchmal fühle ich mich selbst falsch"


"Manchmal fühle ich mich selbst falsch"

Von Jannik Läkamp

17.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ortsbesuch im Video: Dieser russische TV-Sender bietet Putin noch Paroli. (Quelle: t-online)

Auch in Deutschland stehen einige der hier lebenden Russen auf der Seite Wladimir Putins. t-online hat mit einem gesprochen, der sich klar gegen den Kremlchef und dessen Propaganda stellt.

Putin hat in Berlin treue Gefolgschaft. Sichtbar wird das bei Ereignissen wie dem prorussischen Autokorso (mehr dazu lesen Sie hier). Hunderte zogen, russische Fahnen schwenkend, durch die Hauptstadt – ausgerechnet an dem Tag, als das Massaker in Butscha bekannt wurde. In deutschen Telegram- und Facebookgruppen werden die Nachrichten und Bilder aus der Ukraine als "Fake News" und westliche Propaganda abgetan.

Konstantin Hackethal ist Moderator bei "Ost West TV" – einem russischsprachigen Fernsehsender in Charlottenburg. Der Sender galt schon lange als kremlkritisch. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine steht er klar auf der Seite des Westens. t-online hat mit dem russischstämmigen Journalisten über die Propaganda des Kremls in Berlin, aber auch über Anfeindungen und "Russenhass" in der Hauptstadt gesprochen.

t-online: Herr Hackethal, wie effektiv ist Putins Propaganda in Berlin?

Konstantin Hackethal: Es gibt Menschen, die sind wirklich anfällig für diese Propaganda. Wir haben neulich von dem Autokorso berichtet. Es wundert mich immer, dass es Menschen gibt, die so lange in Deutschland leben und nur ab und zu mal nach Russland reisen, aber trotzdem so starke Putinisten sind. Sie leben in Deutschland, aber sind trotzdem Propagandisten in Putins Stil.

Woher beziehen die meisten Russen oder russischsprachigen Deutschen in Berlin ihre Nachrichten?

Aus dem Internet oder aus dem Kabel-TV. Es gibt auch solche, die ständig staatliches russisches Fernsehen gucken. Das ist natürlich ein Problem, insbesondere auch für die deutsche Gesellschaft. Diese Menschen bekommen ein verzerrtes Bild. Und dieses Bild entspricht nicht der Realität Deutschlands. Sie bekommen ganz andere Informationen, ganz andere Einstellungen vermittelt, Propaganda eben. Russland hat viel Geld investiert, um das eigene Image aufzupäppeln, auch hier in Deutschland.

Unterscheidet sich die russische Propaganda hier in Deutschland zu der in Russland?

Ich glaube schon. Für Menschen, die im Ausland leben, wird die Propaganda ein bisschen trickreicher, also etwas feiner verpackt. Russia Today etwa präsentiert gerne einen "Missing Link", nach dem Motto: "Wir wissen es selbst nicht genau. Es ist vielleicht so, aber vielleicht auch so. Könnte doch sein." Es werden ständig mehrere Varianten der Wahrheit präsentiert, damit man dann anfängt zu zweifeln. In Russland ist die Propaganda eindeutiger, direkter.

Würden Sie Berliner, die primär die russischen Staatsmedien nutzen, als verblendet bezeichnen?

Ich kenne diese Menschen nicht. Ich weiß nicht, womit sie ihr tägliches Brot verdienen oder was sie sonst machen. Was ich aber bei all den prorussischen Demos gesehen habe: Es geht um Patriotismus. Hier in Deutschland. Und ich glaube, dass das nicht nur die Russen charakterisiert.

Es gibt solche Gruppen auch aus der Türkei und aus anderen Ländern. Die leben schon ewig in Deutschland und sind trotzdem irgendwie stolz auf ihr Land, ihre Heimat. Was immer das auch heißt. Vielleicht werden dadurch irgendwelche Mängel kaschiert. Ich weiß es nicht.

Am Berliner Hauptbahnhof kommen jeden Tag zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine an. Trotzdem leben in derselben Stadt Menschen, die genau das für Fake News halten. Wie kommt das?

Diese Menschen lassen sich nicht informieren. Es ist wirklich erstaunlich. Aber das ist schon seit Ewigkeiten so. Es gibt auch in der Bibel diese Geschichte von Thomas, der nicht geglaubt hat, egal welche Beweise man ihm gab.

Versuchen Sie, gezielt Berliner zu erreichen, die von russischen Staatsmedien beeinflusst werden?

Das ist unsere Hauptaufgabe. Genau diese Menschen wollten wir immer erreichen. Wir versuchen alles, was mit unseren bescheidenen finanziellen und technischen Möglichkeiten möglich ist. Das klappt nicht immer, aber wir machen weiter.

Glauben Sie diese Menschen werden Putin auch weiterhin die Treue halten?

Bestimmt. Das sehen wir auch in der Geschichte. Es gibt immer noch Menschen, die treu zu Assad (Anm. d. Red.: Machthaber in Syrien) stehen oder dem Führer in Nordkorea, Kim Jong Un.

Gibt es in vielen russischen Familien hier in Berlin eine Spaltung seit Beginn des Krieges?

Nicht nur in Berlin, auch in Russland. Ich kenne viele Russen, die hier in Deutschland leben. Sie haben oft Probleme mit ihren Familien in Russland, weil sie ganz andere Bilder und Informationen über den Krieg bekommen. Auch in Russland ist die Gesellschaft gespalten. In der Familie konnte man diese Spaltung als Erstes fühlen.

Wie ist die Stimmung unter den in Deutschland lebenden Russen und russischsprachigen Deutschen allgemein?

Die Stimmung in meinem Freundeskreis ist sehr, sehr trüb. Es ist es eine Tragödie, die uns alle hier betrifft und mit der wir uns noch Jahre befassen werden. Wie das alles endet, ist schwer vorherzusagen.

Was hat sich für Sie privat durch den Krieg verändert?

Ich kann nicht mehr nach Russland. Ich kann meine Freunde oder Verwandten nicht besuchen, so oft ich will. Auch wirtschaftlich ist der Krieg sehr spürbar in Russland. Und ich glaube, auf privater Ebene ist es eine große Tragödie.

Man hört immer wieder von Anfeindungen gegenüber Russen, regelrecht von der Russophobie seit Beginn des Krieges. Wie stellt sich das für Sie dar?

Ich habe das noch nie erlebt. Aber ich schließe nicht aus, dass ich das noch erleben werde. Das kann ich auch nachvollziehen. Manchmal fühle ich mich selbst falsch. Ich kann ein bisschen spüren, was zum Beispiel die Deutschen gefühlt haben, die damals aus Nazi-Deutschland geflohen sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Konstantin Hackethal
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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