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Corona-Krise in Bremen: OB Andreas Bovenschulte fordert Impfpflicht | Omikron


OB im Corona-Hotspot Bremen
"Ich bin für eine Impfpflicht"

InterviewVon Kirstin Hermann

Aktualisiert am 20.01.2022Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte: Die Omikron-Welle sieht er noch nicht als überstanden.Vergrößern des Bildes
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte: Die Omikron-Welle sieht er noch nicht als überstanden. (Quelle: Frank Koch)

Bremen gilt beim Impfen als Musterbeispiel. Doch seit einigen Tagen ist die Stadt auch bei der Inzidenz weit vorne. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte erklärt im Interview seine Strategie gegen die Omikron-Welle und warum er sich für ein Mindestkurzarbeitergeld einsetzen will.

Bremen gehört zu den deutschen Corona-Hotspots. Der Inzidenzwert ist zwar rückläufig, dennoch: Er liegt seit mehr als einer Woche bei über 1.300 – nur fünf deutsche Kreise haben laut Robert Koch-Institut noch höhere Zahlen. Wie will der Stadtstaat den Kampf gegen die Ausbreitung gewinnen?

t-online: Herr Bovenschulte, Bremen gilt als Vorreiter beim Impfen und erhält dafür bundesweit Anerkennung. Nun gibt es andere Schlagzeilen: Bremen ist seit Tagen weit oben bei der Sieben-Tage-Inzidenz (aktuell: 1.359,8). Ärgert Sie das?

Andreas Bovenschulte: Ich befürchte, dass wir in Bremen der bundesweiten Entwicklung einfach ein paar Tage voraus sind. So überraschend ist das allerdings nicht, da die Zahlen im Norden Deutschlands derzeit insgesamt deutlich höher sind und schneller steigen als im Süden. Das könnte unter anderem an der Nähe zu Dänemark und den Niederlanden liegen, wo es aufgrund der Omikron-Welle sehr hohe Inzidenzen gibt.

Ist das der einzige Grund für die vielen Omikron-Fälle in der Stadt?

Nein, es hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass urbane Gebiete bei dieser Variante stärker betroffen sind als ländliche. Omikron verbreitet sich dort besonders schnell, wo viele Menschen dicht an dicht leben. Auch andere Großstädte haben bei den Fallzahlen ja inzwischen deutlich nachgezogen. Vielleicht spielt auch der Zufall eine Rolle. Hat man einmal einen Omikron-Herd, verbreitet sich die Variante von da aus sehr schnell.

Lässt Sie das manchmal an dem bisherigen Weg zweifeln?

Die Impfstrategie habe ich nie infrage gestellt. Wir bleiben bei unserem Motto: Impfen und Boostern, bis die Nadel glüht. Beim Boostern haben wir in den vergangenen Tagen viel Boden gut gemacht (Platz zwei zusammen mit Schleswig-Holstein hinter dem Saarland, Anm. d. Red.). Da müssen wir noch besser werden, aber wir sind auf einem guten Weg. Im Übrigen haben wir die in der letzten Bund-Länder-Runde vereinbarten Schutzmaßnahmen umgesetzt und zum Teil sogar noch schärfere Regeln eingeführt, die das Infektionsgeschehen stabilisieren sollen. Dabei ist eins klar: Wir können die aktuelle Welle zwar abflachen, aber wir können sie nicht kurzfristig brechen. Das ist bisher noch niemanden gelungen, auch in unseren europäischen Nachbarländern nicht.

Dennoch fragen sich noch immer viele Menschen, wie die hohe Impfquote in Bremen mit der derzeit hohen Inzidenz zusammenpasst.

Die ein- oder zweimalige Impfung hilft leider kaum noch gegen eine Ansteckung. Durch die früh angelaufene Impfkampagne in Bremen lässt der Impfschutz inzwischen nach, weshalb wir die Booster-Kampagne so schnell wie möglich vorantreiben wollen. Zwar verhindert auch die Booster-Impfung eine Ansteckung nicht zuverlässig, senkt aber das Risiko deutlich, insbesondere das eines schweren Verlaufs.

Wie ist die Situation in den Bremer Krankenhäusern aktuell?

Wir haben zwar hohe Fallzahlen und eine steigende Anzahl von Aufnahmen bei den Normalbetten (Hospitalisierungsinzidenz aktuell bei 15,36, Anm. d. Red.), sind aber, was die Krankenhausbelegung betrifft, noch deutlich von den Höchstständen der zweiten Welle entfernt. Erfreulicherweise ist die Situation auf den Intensivstationen derzeit stabil.

Im Vergleich zur Vorwoche stagniert der Inzidenzwert in Bremen gerade bzw. geht wieder leicht zurück. Ist der Höchstwert der Omikron-Welle schon erreicht?

Eine solche Prognose wäre zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Diese Pandemie hat uns schon häufig ein Schnippchen geschlagen. Da stelle ich mich nur ungern hin und sage: Ich weiß, was die Zukunft bringt. Die Zahlen müssen länger und deutlicher nach unten gehen, um von einem Abwärtstrend zu sprechen.

Sie haben das Motto "Impfen und Boostern, bis die Nadel glüht" erwähnt. Wie wollen Sie die Booster-Kampagne vorantreiben?

Wir haben eine sehr hohe Erst- und Zweitimpfungsquote (85,6 Prozent grundimmunisiert, Anm. d. Red.) und wollen auch die Booster-Quote (aktuell bei 54,3 Prozent) auf dieses Niveau bringen. Da werden wir noch einiges an Arbeit haben, tun aber auch viel dafür. In unserem Impfzentrum kann man sich mittlerweile auch ohne Termin impfen lassen. Dafür haben wir vor dem Gebäude eine Ampel angebracht und wenn die auf Grün steht, kann man einfach so reinspazieren. Niedrigschwelliger kann man Impfungen kaum anbieten. Außerdem sind wir nach wie vor mit unseren mobilen Impfteams in den Quartieren und Pflegeheimen unterwegs, um die Leute direkt an ihrem Wohnort zu erreichen.

Die 2G-plus-Regel für Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen soll in Bremen unabhängig von der Warnstufe bis zum 13. Februar gelten. Besonders die Gastronomen klagen darüber, dass kaum noch Gäste kommen.

Ich persönlich glaube nicht, dass das an der 2G-plus-Regelung liegt. Es gibt in Bremen sehr viele Geboosterte und frisch Geimpfte, für die ein Restaurant- oder Kinobesuch jederzeit möglich wäre, auch ohne zusätzlichen Test. Allerdings entscheiden sich viele Menschen dafür, aufgrund der aktuellen Lage sicherheitshalber lieber zu Hause zu bleiben. Das ist aus epidemiologischer Sicht gut, aus Sicht der Gastronomie und der Kulturschaffenden aber natürlich schlecht, da kann ich die Klagen sehr gut nachvollziehen.

Die Bremer Gastro-Gemeinschaft beklagt teilweise Umsatzrückgänge von bis zu 90 Prozent. Muss man den Betreibern mehr entgegenkommen?

Selbstverständlich müssen wir die Gastronomie und andere betroffene Branchen unterstützen. Zum einen gibt es hier die Überbrückungs-, Neustart- und Härtefallhilfen des Bundes. Zum anderen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld für die Beschäftigten zu beantragen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Höchstlaufzeit des Kurzarbeitergelds, die bisher auf 24 Monate begrenzt ist und für einige Betroffene im März auslaufen würde, ausgeweitet wird. In diesem Zusammenhang sollten wir auch darüber sprechen, die Beantragung des Kurzarbeitergeldes zu erleichtern, da das viele Betriebe als erhebliche Belastung empfinden. Zudem sollten wir über ein Mindestkurzarbeitergeld nachdenken.

Was wären die Vorteile von Mindestkurzarbeitergeld?

Das jetzige Kurzarbeitergeld geht häufig an der Lebensrealität von Beschäftigten mit niedrigen Einkommen vorbei. Ein Mindestkurzarbeitergeld, zum Beispiel in Höhe von 1.200 Euro, könnte Abhilfe schaffen. Der große Vorteil wäre, dass Betroffene nicht zum Sozialamt gehen müssten, um aufstockende Leistungen zu beantragen. Ich habe vor einigen Tagen noch einmal mit dem Bundesarbeitsminister darüber gesprochen. Inhaltlich kann er dem Gedanken einiges abgewinnen. Verwaltungsorganisatorisch ließe sich ein Mindestkurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit aber offenbar kurzfristig kaum umsetzen. Wir werden darüber sicher in der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz kommende Woche beraten.

Wie in vielen anderen deutschen Städten gab es zu Beginn der Woche auch in Bremen und Bremerhaven Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. In Bremen trafen Gegner der Maßnahmen auf viele Gegendemonstranten, eine Person wurde verletzt. Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorge?

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Natürlich betrachte ich das mit Sorge. Man kann in einer freiheitlichen Demokratie für und gegen alles demonstrieren, aber wenn Proteste in Gewalt und Extremismus abgleiten, ist für mich eine klare Grenze erreicht. Ich bin froh, dass die "Querdenker" hier in Bremen lange nicht so zahlreich und gut organisiert sind wie in anderen Teilen Deutschlands. Nichtsdestotrotz beobachten wir die Entwicklung genau und nehmen sie sehr ernst, insbesondere die zunehmende politische Radikalisierung der "Querdenker".

Glauben Sie, dass Ungeimpfte im öffentlichen Diskurs zu sehr über einen Kamm geschoren werden?

Ich persönlich finde es, von wenigen medizinisch begründeten Ausnahmen abgesehen, falsch, sich in der aktuellen Lage nicht impfen zu lassen. Gleichwohl darf man in der Tat nicht alle Ungeimpften über einen Kamm scheren, denn hinter der Entscheidung sich nicht impfen zu lassen, können sehr unterschiedliche Motive stehen.

Wie wollen Sie die Ungeimpften erreichen?

Grundsätzlich bin ich immer fürs Überzeugen. Ja, es gibt auch beim Impfen ein Restrisiko, aber das Risiko einer Corona-Infektion ist deutlich größer. Das sagen alle seriösen Studien, die bisher vorliegen. Sofern kein medizinischer Grund dagegenspricht, bietet die Impfung den vergleichsweise besten Schutz gegen das Coronavirus. Wir sind deshalb in den Quartieren unterwegs und klären in den Impfzentren auf, um noch mehr Menschen für die Impfung zu gewinnen. Dennoch bin ich am Ende auch für eine Impfpflicht. Unsere Gesellschaft ist durch die Pandemie so in Mitleidenschaft gezogen worden, dass wir eine möglichst hohe Impfquote möglichst schnell, möglichst flächendeckend brauchen. Und das wird auf rein freiwilliger Basis kaum zu erreichen sein. Ich finde es jedoch wichtig, zu dieser grundsätzlichen Frage eine offene, nicht fraktionsgebundene Debatte und Abstimmung im Bundestag zu führen. Das bietet die Chance, dass die letztlich getroffene Entscheidung eine breite gesellschaftliche Akzeptanz findet.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Andreas Bovenschulte in Bremen
  • Aktuelle Zahlen des RKI-Dashboards
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