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Totengebet für erschossenen 16-Jährigen in Dortmund: "Wie kann das passieren?"


Totengebet für erschossenen 16-Jährigen
"Wie kann das passieren?"


Aktualisiert am 12.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Der Sarg des Verstorbenen wurden nach der Trauerfeier gemeinsam in den Leichenwagen getragen.Vergrößern des Bildes
Der Sarg des Verstorbenen wurden nach der Trauerfeier gemeinsam zum Leichenwagen getragen. (Quelle: IMAGO/Friedrich Stark)

Hunderte von Menschen widmen dem durch Polizeikugeln getöteten Mouhamed D. in Dortmund ein Totengebet. Wut, Trauer und Angst entladen sich.

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Ein schwarzes Gebetstuch liegt auf dem Sarg von Mouhamed D. im Vorhof der Moschee Abu Bekr in der Dortmunder Nordstadt. Hunderte Bürgerinnen und Bürger stehen andächtig vor dem Holzsarg und beten für den toten 16-Jährigen. Die Stimmung ist andächtig, viele haben den Kopf gesenkt. Die extreme Hitze macht einigen zu schaffen, doch niemand bewegt sich im Moment des Totengebets für den 16-Jährigen.

Selbst Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) ist erschienen, um an dem Gedenkgottesdienst für den 16-jährigen Jugendlichen aus dem Senegal teilzunehmen. Mohammed war Anfang der Woche mit fünf Schüssen aus der Maschinenpistole eines Polizeibeamten auf dem Innenhof einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung an der Holsteiner Straße getötet worden.

"Die Polizei soll uns doch eigentlich beschützen"

Unsicherheit, Angst und Wut prägten die Stimmung vieler Anwesender mit Migrationshintergrund. "Ich kann das nicht verstehen", sagt zum Beispiel die 18-jährige Mariama. "Wie kann das denn passieren, dass ein 16-Jähriger einfach so erschossen wird? Natürlich sind wir jetzt besorgt. Die Polizei soll uns doch eigentlich beschützen." Sie könne sich nicht vorstellen, dass der 16-Jährige so gefährlich gewesen sei, dass man ihm das habe antun müssen, sagt die Abiturientin. Mariamas Familie stammt ursprünglich aus Guinea – ein Nachbarland des Senegal. Die ganze Familie ist mit Mariama und ihrer Freundin Yebhe für das Totengebet aus Hagen angereist.

Auch Mariam Sow, Mitglied des Integrationsrats der Stadt Dortmund, zeigt sich beunruhigt. "Es ist schwer zu verstehen. Ich selbst kannte den 16-Jährigen nicht. Aber es ist so traurig zu hören, dass ein Junge nach Deutschland kommt, damit er eine bessere Zukunft hat – und ihm dann so etwas passiert", sagt Sow. "Mein sechsjähriger Sohn war gestern mit auf der Demo. Er hat sich immer gewünscht, Polizist zu sein. 'Aber Mama, die töten doch', hat er zu mir gesagt. Sein Traum ist nun geplatzt."

Oberbürgermeister bei Trauerfeier für erschossenen 16-Jährigen

Nach dem Totengebet tritt der Oberbürgermeister vor den Sarg. Auch er hat sichtlich mit der extremen Hitze an diesem Freitag zu kämpfen. Immer wieder wischt er sich den Schweiß von seiner Stirn und spricht langsamer als sonst. Mit sehr ruhiger Stimme sagt er: "Ich verstehe, dass die Väter und Mütter Sorgen haben. Sie haben Angst. Ich verstehe das. Wir müssen alle verstehen, was in solchen Familien passiert. Wir müssen stark dabei sein."

Dann versucht er, mit seinen Sätzen die Situation zu besänftigen: "Wir dürfen andere noch nicht anklagen, weil wir nicht wissen, was passiert ist. Wir dürfen das Vertrauen nicht verlieren." Westphal schließt mit den Sätzen: "Mouhamed – auf seinem letzten Weg alles Gute."

Mit dem Vertrauen spricht Westphal das Hauptproblem im Fall "Mouhamed" an. Denn das Vertrauen in den Staat und in die Polizei steht nicht nur durch die brachiale Vorgehensweise mit fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole bei vielen Anwesenden auf der Kippe. Auch die Tatsache, dass die Ermittlungen zum Tatverlauf vom Nachbarkommissariat Recklinghausen geführt wird, ruft bei vielen Anwesenden Skepsis und Ärger hervor. So wird auch Westphals Rede mit Zwischenrufen gestört.

Dortmund: Polizei sichert Demonstration ab

Nachdem die Rede des Bürgermeisters beendet ist, wird der Sarg zu einem schwarzen Leichenwagen transportiert. Nun zieht ein Teil der Anwesenden von der Moschee in der Nordstadt per Demonstrationszug zum Friedensplatz in Dortmund. "Wer hat geschossen? Die Polizei!" und "Justice for Mouhamed" skandieren die Demonstranten. Mit dabei: Die Polizei, die den Demonstrationszug absichert.

Linke Aktivisten bringen während des Umzuges Flyer unter die Leute. "Wir haben Fragen. Wir verlangen Antworten!", steht auf diesen geschrieben. Insgesamt zehn Fragen sind auf dem Papier aufgelistet: "Warum greift die Polizei einen Jugendlichen in einer psychischen Notsituation an? Warum bringt die Polizei eine Maschinepistole mit? Warum hat die Polizei keine Expert*innen für solche Krisen hinzugezogen?" Diese Fragen dürften auch die Angehörigen noch einige Zeit beschäftigen.

Der Fall werde 100-Prozentig aufgeklärt, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) bereits am Donnerstag in Düsseldorf. "Aber es muss fair zu gehen." Darum dürfte es auch den Angehörigen von Mouhamed gehen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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