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Hanau: Vierjähriger als "Reinkarnation Hitlers" ermordet


Staatsanwalt fordert in Sekten-Prozess lebenslang
Vierjähriger als "Reinkarnation Hitlers" ermordet

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 08.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Landgericht Hanau (Archivbild): Hier findet der Prozess gegen Claudia H. statt.Vergrößern des BildesLandgericht Hanau (Archivbild): Hier findet der Prozess gegen Claudia H. statt. (Quelle: rheinmainfoto/imago images)
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Jan war vier, als er in einen Sack gesteckt wurde und qualvoll starb. Das ist 34 Jahre her. Jetzt nähert sich der Prozess gegen seine Mutter dem Ende.

Oberstaatsanwalt Dominik Mies plädiert auf lebenslange Haft wegen gemeinschaftlichen Mordes. Erfüllt sei das Mordmerkmal der niederen Beweggründe, sagte er an diesem Donnerstag vor Gericht in Hanau.

Angeklagt ist die 61-jährige Claudia H., eine promovierte Biologin: Sie soll ihren unterernährten und abgemagerten Sohn Jan zuerst mit Haferschleim vollgestopft, dann in einen Leinensack gesteckt, diesen kopfüber zugeschnürt und das Kind anschließend der Sektenchefin Sylvia D. überlassen haben, damit die Frau Jan mit Absicht sterben lassen konnte.

Prozess in Hanau: Jan war 1988 nicht obduziert worden

Sylvia D. selbst wurde 2020 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Nachdem sie Revision einlegte und der Bundesgerichtshof dieser stattgab, muss nun demnächst am Landgericht Frankfurt am Main neu verhandelt werden.

Der Prozess gegen Jans Mutter Claudia H. läuft seit September 2021. Es geht um ein Verbrechen, das jahrzehntelang ungesühnt blieb. Der vierjährige Jan starb an einem heißen Sommertag im August 1988, erstickt an erbrochenem Haferschleim. Damals ordneten die Behörden keine Obduktion an, sie gingen von einem tragischen Unglücksfall aus.

Zur Sekte gehörten ein Professor, ein Ex-Richter und ein Pastor

Erst als Sektenaussteiger 2015 auspackten, beschäftigte der Fall doch noch die Justiz. Was dabei herauskam, ist erschütternd: Sylvia D. leitete demnach eine sektenähnliche Gemeinschaft, der unter anderem ein Professor, ein ehemaliger Richter und weitere Akademiker angehörten. Die Anführerin behauptete, einen direkten Draht zu Gott zu haben, der ihr Anweisungen erteile. Ihre Schäfchen müssten die Befehle strikt befolgen, verlangte sie.

Auch der mittlerweile verstorbene Ehemann von Sylvia D. zählte zur Gruppe; er war ein evangelisch-methodistischer Pastor mit radikalen Ansichten, der seinem Rausschmiss aus der Kirche zuvorkam, indem er selbst ging.

"Reinkarnation Hitlers, von den Dunklen besessen"

Das Ehepaar H. folgte der Sektenchefin ebenfalls treu. Nur der Sohn des Paares, Jan H., zeigte sich widerspenstig. Seine eigene Mutter nannte den Jungen im Prozess "trotzig und stur". Er habe nicht mit Sylvia D. gesprochen, sich ihren Regeln verweigert. Er sei "knatschig" und "negativ" gewesen. Vielleicht aus Angst vor der Frau, wie sie auf Nachfrage der Richterin einräumte.

Die Rache von Sylvia D. muss, wie es in den Prozessen geschildert wurde, fürchterlich gewesen sein. Laut Anklage soll die mittlerweile 75 Jahre alte Sektenchefin dem Jungen nach dem Leben getrachtet und der Mutter des Jungen eingeredet haben, dass ihr Sohn die "Reinkarnation Hitlers, ein Machtsadist und von den Dunklen besessen" sei. Auch habe die Sektenanführerin der Gemeinschaft mehrfach prophezeit, dass der Junge bald "vom Alten" – gemeint sei Gott gewesen – geholt werde.

Oberstaatsanwalt: Jan wurde für das System geopfert

Indem die Mutter den Jungen im August 1988 in den Sack gesteckt, diesen über dem Kopf verschnürt und den Raum verlassen habe, habe sie den Tod des Jungen billigend in Kauf genommen, sagte nun Oberstaatsanwalt Mies in seinem Plädoyer. Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe sei erfüllt, weil die Tötung des Kindes die Position der Mutter innerhalb der Sekte gestärkt habe. "Für das System ein vierjähriges Kind zu töten, das steht nun wirklich auf sittlich niedrigster Stufe", sagte Mies.

Der Oberstaatsanwalt forderte am Donnerstag zudem die Verhängung eines neuen Haftbefehls gegen die Angeklagte. Vor wenigen Monaten war ein Haftbefehl gegen sie außer Vollzug gesetzt worden, da aus Sicht des Gerichts nach aktuellem Stand kein dringender Tatverdacht mehr bestand für einen gemeinschaftlichen Mord. Auch für eine Beihilfe zum Mord gebe es "keine gewichtigen Anhaltspunkte", hieß es seinerzeit.

Wie hörig Claudia H. ihrer Sektenchefin nach all den Jahren immer noch ist, wurde unter anderem beim Prozess gegen Sylvia D. deutlich. "Ich habe sie immer bewundert für ihren geduldigen Umgang mit den Kindern", sagte die Mutter dort über diejenige Frau, die am Ende wegen Mordes an Jan verurteilt wurde. "Sie hatte alle Kinder lieb."

Verwendete Quellen
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