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Ex-Awo-Chefin Richter sagt als Zeugin in Feldmann-Korruptionsprozess aus


Ex-Awo-Chefin im Feldmann-Prozess
"Du Würstchen wirst niemals Oberbürgermeister"

Von Roxana Frey

16.11.2022Lesedauer: 4 Min.
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Der ehemalige Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann betritt den Verhandlungssaal am Landgericht in Frankfurt. (Quelle: Boris Roessler/dpa)

Im Korruptionsprozess gegen den ehemaligen OB Peter Feldmann in Frankfurt hat eine zentrale Figur des Awo-Skandals ausgesagt – mit deutlichen Worten.

Mit Spannung wurde die Zeugenaussage von Hannelore Richter im Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Peter Feldmann (SPD), erwartet: Nachdem die Aussage der ehemaligen Sonderbeauftragten der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt bereits verschoben worden war, trat sie am Mittwoch als Zeugin vor dem Landesgericht auf – direkt nach ihrer eigenen Verhandlung gegen sie selbst am Arbeitsgericht.

Dort wurde an diesem Mittwoch entschieden, dass die früheren Chefs der Awo, Hannelore und Jürgen Richter, dem Verband keinen Schadensersatz zahlen müssen. Die neue Awo-Führung hatte das Ehepaar auf insgesamt 1,77 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Gegen Hannelore Richter laufen mehrere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Vorteilsgewährung. Sie ist wegen des Verdachts auf Betrug in Millionenhöhe angeklagt worden. Ihr Anwalt hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Doch bei ihrer Aussage vor dem Landesgericht geht es nur bedingt um ihre eigene Rolle im Awo-Skandal: Vielmehr interessiert, ob Feldmann in seiner Funktion als OB der Stadt der Arbeiterwohlfahrt Vorteile gewährt hat. Dies bestreitet Hannelore Richter vehement: Er habe dem Verband "nicht mal das Schwarze unter den Fingernägeln gegönnt". Richter war bis Anfang 2020 Geschäftsführerin der Awo Wiesbaden und hatte zudem Sonderaufgaben der Awo Frankfurt übernommen.

Richter zu Feldmanns Kandidatur: "Du Würstchen wirst niemals Oberbürgermeister"

Generell sei das Verhältnis zwischen Feldmann und Hannelore Richter laut eigener Aussagen "suboptimal" gewesen. Richter nimmt bei der Schilderung der Antipathie zwischen ihr und Feldmann kein Blatt vor den Mund – und sorgt damit für Belustigung im Gerichtssaal.

Der Zeugin zufolge habe man sich bereits 1975 kennengelernt, gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann, Jürgen Richter. Es habe aber nie ein freundschaftliches Verhältnis gegeben. Trotzdem habe Feldmann sich im Jahr 2008 mit einer Bitte um einen Job an ihren Ehemann gewandt. Dieser habe die Anfrage an Frau Richter weitergeleitet, weil Feldmann ihm "auf die Lampe ging". Feldmann wurde daraufhin von Hannelore Richter als Leiter eines Pflegeheims eingestellt.

Dort habe Feldmann allerdings nicht die erwünschten Leistungen erbracht, sei beispielsweise zu spät zur Arbeit erschienen. Daraufhin wurde er als Belegungsmanager eingesetzt – laut Richter habe man ihm eine "zweite Chance geben" wollen. Dass er sich als Kandidat für das Oberbürgermeisteramt aufstellen ließ, habe Richter allerdings überrascht. Als er ihr von seiner Kandidatur berichtet habe, habe sie erwidert: "Du Würstchen wirst niemals Oberbürgermeister." Bei dieser Aussage können sich sogar Feldmanns Verteidiger und auch er selbst ein Lachen nicht verkneifen.

Sie habe nie daran geglaubt, dass Feldmann tatsächlich gewählt werden würde, weshalb sich, für sie, auch kein Vorteil daraus ergeben habe, seine damalige Freundin und spätere Ehefrau, Zübeyde Feldmann, ehemals Temizel, zu bevorzugen. Dass sie von Richter als Leiterin der neu geplanten deutsch-türkischen Kita Dostluk mit einem überhöhten Gehalt eingesetzt wurde, obwohl dieser Führungserfahrung fehlte, habe nichts mit dem Verhältnis Feldmanns und der jungen Frau zu tun gehabt, sagte Richter.

Zeugin über Feldmann: "Er hat eher woanders hingegriffen"

Diese habe sie bei einem gemeinsamen Mittagessen 2014 in Wiesbaden, gemeinsam mit ihrem Mann und Feldmann sehr beeindruckt – fachlich und persönlich. Zudem sei sie nicht davon ausgegangen, dass die Beziehung in eine Ehe münden würde. "Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass aus Frau Temizel mal eine Frau Feldmann wird." Ein Festgehalt von 4.300 Euro und ein Dienstwagen seien für Richter "absolut angemessen" gewesen. Zudem erhielt Temizel einen Minijob in Wiesbaden bei einem Förderverein des Awo-Pflegezentrums Robert-Krekel-Haus. Laut Richters Aussage habe sie dort allerdings nie gearbeitet habe, der Minijob sei ihr "durchgerutscht". Ursprünglich sei geplant gewesen, dass Temizel sie bei einer muslimischen Seelsorge unterstütze.

Hannelore Richter scheint überzeugt davon, dass der Ex-OB nicht korrupt gewesen sei. "Ich habe ihn nicht gekauft und er hat sich nicht kaufen lassen", sagte Richter. Sie traue ihm nicht zu, in irgendwelche Kassen gegriffen zu haben. "Er hat eher woanders hingegriffen", sagte Richter mit Blick auf Feldmanns angebliches Verhältnis zu Frauen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Feldmann zudem vor, von der Awo Spendengelder und andere Vorteile angenommen zu haben. Feldmann hat die Vorwürfe bisher zurückgewiesen. Richter sagte dazu aus, dass sie den SPD-Kandidaten unterstützt habe, wie dies seitens des Verbands gewollt sei. Sie habe über Telefonate um Spenden gebeten, auch bei aktiven Mitgliedern. Feldmann habe sie teilweise auch per Nachricht darüber informiert.

Bei der Verlesung der Anklageschrift beim Prozessauftakt im Oktober hatte die Staatsanwaltschaft zudem aus privaten Chatverläufen zwischen Feldmann und Richter zitiert. Auf Nachrichten von Richter wie beispielsweise "Stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen, jetzt bauen wir auf dich", sagte die Zeugin aus, dass Feldmann viele Nachrichten nur kurz oder gar nicht beantwortet habe: "Herr Feldmann setzt sich für niemanden ein", so Richter.

Weitere Zeugen sagen aus

Zudem waren bei der Verhandlung am Mittwoch zwei weitere Zeuginnen geladen: Die frühere stellvertretende Leiterin des Awo-Kreisverbandes Wiesbaden sagte zu der Anstellung von Feldmanns damaliger Lebensgefährtin aus, dass es normalerweise keine Festvergütungen bei dem Sozialverband gegeben habe. Es sei nach Tarifvertrag bezahlt worden.

Die dritte geladene Zeugin teilte mit, die Anstellung von Temizel und deren Qualifikation sei im Frankfurter Awo-Kreisvorstand kein Thema gewesen. Grundsätzlich seien Personalangelegenheiten dort nicht besprochen worden. Neben Berufserfahrung habe es bei der Leitung der Kita aber jemanden gebraucht, der die türkische Sprache und Kultur kenne – Letzteres habe auf Temizel zugetroffen.

Die Zeugin gab zudem an, dass sie selbst nie wahrgenommen habe, dass Feldmann die Interessen der Awo mehr unterstützt habe als die anderer Organisationen. Es sei eine Selbstverständlichkeit, für Feldmann als Sozialpolitiker gewesen, sich einzusetzen, so die Zeugin.

Das Verfahren gegen Feldmann steht in Verbindung mit dem Awo-Skandal um Betrugsvorwürfe in Millionenhöhe gegen ehemalige Führungsfunktionäre des Verbands in Frankfurt und Wiesbaden. Der Prozess soll am nächsten Mittwoch, dem 23. November, fortgesetzt werden. Zu diesem Termin sind weitere Zeugen geladen – auch Hannelore Richter soll am übernächsten Termin erneut als Zeugin auftreten, da die Befragung noch nicht abgeschlossen ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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