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Schließung von Traditionsmetzgerei Schmidt: Kunden sind entsetzt


Traditionsmetzgerei muss schließen: "Eine Schande"

Von Sophie Vorgrimler

Aktualisiert am 03.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Metzgerei Schmidt im Frankfurter Stadtteil Harheim: In einem Monat soll hier Schluss sein.Vergrößern des Bildes
Metzgerei Schmidt im Frankfurter Stadtteil Harheim: In einem Monat soll hier Schluss sein. (Quelle: Sophie Vorgrimler)

Aus für Frankfurter Traditionsmetzgerei: Wegen Personalmangels und neuer Verordnungen macht das Geschäft dicht. Die Kunden sind entsetzt.

Am Donnerstagvormittag vor der Metzgerei Schmidt im Frankfurter Stadtteil Harheim müssen nicht nur Hunde draußen warten. Der Andrang ist so groß, dass die Schlange zur Fleischtheke bis nach draußen reicht. Doch keiner beschwert sich, keiner ruft "Zweite Kasse" – stattdessen gibt es in der Warteschlange nur ein Thema, über das alle – man kann es nicht anders sagen – entsetzt sind: Die seit 90 Jahren bestehende Metzgerei wird zum Jahresende schließen. "Todtraurig", sagt eine Frau, vor der noch vier Personen anstehen.

"Das ist fast nicht zu ersetzen. Ich wüsste nichts, was ähnlich ist." Sie wohne an der Friedberger Warte, und ihre Familie kaufe seit Generationen in der Metzgerei Schmidt. Sie selbst komme jede Woche dorthin – sogar Bekannte aus Maintal ließen sich manchmal die Fleischwurst aus der Traditionsmetzgerei mitbringen. Der Grund: "Hier bekommt man eine super Qualität, und das preiswert", sagt sie. Von der Geschäftsaufgabe habe sie eben erst durch die Aushänge im Schaufenster erfahren.

Die Besonderheit des Familienbetriebs liegt darin, dass fast alle Fleisch- und Wurstwaren selbst geschlachtet und hergestellt werden. Und das Sortiment ist groß. Darauf müssen die Harheimer und die Kunden aus der Umgebung in einem Monat verzichten. "Der Hauptgrund ist der Personalmangel", sagt Metzgermeister Stefan Schmidt in seiner Mittagspause. Seit mehr als einem Jahr sind seine Frau Nicole und er im Verkauf alleine.

Personalmangel und Verordnungen zwingen Geschäft in die Knie

"Auf Dauer schafft man das nicht." Aber auch der Nachwuchs im Handwerk fehle. Beim Schlachten und in der Weiterverarbeitung in der Wurstküche seien sie auf die Hilfe von einigen Rentnern auf 520-Euro-Basis und Stefan Schmidts 88-jährigen Vater angewiesen, erzählt der Inhaber.

Ausschlaggebend für die Entscheidung Ende Oktober, das Geschäft zu schließen, war aber eine neue EU-Verordnung, von der sie bei einer Kontrolle des Regierungspräsidiums in Darmstadt erfahren haben. Es wäre ein kostenintensiver Umbau nötig. "Solche Standards können vielleicht große Firmen wie Brandenburg umsetzen, aber für kleine Betriebe funktioniert das nicht", sagt der Metzgermeister. "Die Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht. Es liegt ja nicht daran, dass das Geschäft nicht läuft."

Die anstehenden Kunden sind sich einig: Fleisch und Wurst aus dem Supermarkt – das ist nicht das Gleiche. "Das kann man vergessen, das will ich nicht essen", sagt die 83-jährige Gisela Kraft. "Die Sachen sind nach drei Tagen im Kühlschrank schmierig. Hier ist alles frisch, die Sachen halten sich lange und schmecken noch nach einer Woche gut." Außerdem müsse sie zukünftig dann mit ihrem Pflegepersonal in einen anderen Stadtteil zum Metzger fahren, hier kann sie – trotz Rollator – noch selbstständig einkaufen.

"Es ist eine Schande, dass der Laden schließen muss", ärgert sich die Seniorin. Sie bestellt Gelbwurst, Fleischwurst, Rinderhack und zwei Bratwürste. Beim Einpacken in ihren Stoffbeutel bekommt sie Hilfe. "Dann gehe ich vorher noch mal gut einkaufen", sagt sie über die bevorstehende Schließung.

Das haben sich anscheinend schon viele Kunden gedacht, stellt auch Stefan Schmidt fest. "Die Kunden fangen schon an zu hamstern", sagt er lachend. "Es war immer gut was los, aber seit wir letzte Woche die Aushänge aufgehängt haben, ist noch mehr los. Viele kaufen größere Mengen und frieren es sich ein." Der offizielle Ausverkauf startet am 21. Dezember, doch schon jetzt wird nicht mehr alles nachproduziert.

"Geschmacklich kommt da kein anderer hin"

"Der Renner bei uns sind Fleischwurst und Fleischsalat", sagt Schmidt. "Aber auch die warmen Frikadellen- und Schnitzelbrötchen sind beliebt." Für so einen Snack steht Vincent Weiler vor dem Geschäft an. Er kennt die Metzgerei, seit er als Kind Wurstscheiben über die Theke gereicht bekommen hat. "Schon meine Mutter hat hier immer eingekauft. Ich kenne den Laden, seit ich denken kann", sagt er. Auch er bedauert die Schließung. Er kaufe wöchentlich dort ein. "Ich arbeite hier im Ort als Bauleiter und kaufe mir, so wie jetzt, auch gerne was Warmes für die Mittagspause hier."

Schon seit 40 Jahren kauft der gebürtige Däne Mogens Svendsen in der Metzgerei ein. Er unterhält sich mit anderen Stammkunden aus dem Stadtteil über die Alternativen zur Metzgerei Schmidt. Der Netto, der Vilbeler Markt? Der Metzger in Bonames? Sie beklagen auch das Wegfallen einer fußläufigen Einkaufsmöglichkeit. "Einen Bäcker und einen Metzger, was anderes gibt es in Harheim ja nicht", sagt eine Frau. "Überall sonst muss man mit dem Auto hin", sagt Svendsen. Und sowieso: "Geschmacklich kommt da kein anderer hin", lautet das Fazit der Frau.

Auch Stefan Schmidt weiß: Eine Metzgerei mit großem Sortiment aus eigener Schlachtung gibt es in Frankfurt kein zweites Mal. Aber die Schließung ist in die Wege geleitet. Seine Frau und er werden sich einen anderen Job suchen. Die gute Nachricht für die beiden: "Da reichen mir auch 35 Stunden Arbeit in der Woche – und nicht mehr siebzig." Die Kunden wird das wohl kaum trösten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
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