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Letzte Generation: Carla Hinrichs wehrt sich gegen Strafe für Klimakleben


Carla Hinrichs soll 1.800 Euro zahlen
"Letzte Generation"– Sprecherin wehrt sich gegen Strafbefehl

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 30.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Carla Hinrichs: Die "Letzte Generation"-Sprecherin hat fürs Festkleben in Frankfurt einen Strafbefehl bekommen.Vergrößern des Bildes
Carla Hinrichs: Die "Letzte Generation"-Sprecherin hat fürs Festkleben in Frankfurt einen Strafbefehl bekommen. (Quelle: Stefan Müller )

Sie ist das Gesicht von "Aufstand Letzte Generation" und klebt sich auch selber auf Straßen. Dafür hat Carla Hinrichs eine Strafe bekommen. Was sie jetzt vorhat.

Die Sprecherin von "Aufstand Letzte Generation", Carla Hinrichs, soll nach ihren eigenen Angaben 1.800 Euro zahlen, weil sie sich am 12. April in Frankfurt am Main auf eine Straße klebte. In der Woche war der Finanzplatz der Schwerpunkt der Proteste, es wurden bis zu sieben Straßen gleichzeitig blockiert. Wegen Nötigung durch ihre Teilnahme an dem Protest habe sie einen Strafbefehl mit 60 Tagessätzen über 30 Euro erhalten, schrieb sie auf Twitter. Dagegen will sie vorgehen.

Die 25-Jährige hat vier Jahre Jura studiert. Kurz vor der Bundestagswahl brach sie zumindest vorerst ab: Sie habe gesehen, dass keine Partei auch nur ansatzweise ihre Interessen vertrete, und daher entschieden: "Jetzt studiere ich nicht mehr Recht, jetzt wende ich Recht an!" Seither ist sie als Sprecherin der "Letzten Generation" Vollzeitaktivistin.

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Sie lebt von der Unterstützung ihrer Eltern und von Spenden, wie sie in einem Interview sagte. Der Richter, der den Strafbefehl gegen sie mit Tagessätzen von je 30 Euro unterschrieb, ging bei ihr von einem monatlichen Nettoeinkommen von 900 Euro aus – die Geldstrafe würde demnach in Höhe von zwei Monatseinkommen liegen. Geldstrafen werden eins zu eins in die gleiche Zahl an Tagen Ersatzfreiheitsstrafe umgerechnet, wenn nicht gezahlt wird.

Hinrichs: Strafbarkeit ist Auslegungssache

Strafbefehle sind gedacht für solche Fälle, die nach Aktenlage klar zu sein scheinen – sie vereinfachen das Verfahren und reduzieren Kosten. Wenn ein Strafbefehl nicht angenommen wird, kommt es zur Verhandlung. Im Fall von Hinrichs läuft es darauf hinaus: "Wir sehen uns vor Gericht!", schrieb sie auf Twitter. "Denn ob mein Verhalten strafbar ist, ist Auslegung. Es muss unter Einbeziehung meiner Beweggründe entschieden werden."

Klimaschutzaktivisten argumentieren bisher fast immer erfolglos mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Die Politik sei beim Klimaschutz verpflichtet, Freiheitsrechte künftiger Generationen zu achten und zu schützen. Mit Verweis auf das Versagen angesichts des Klimanotstandes hat eine Flensburger Richterin einen Baumbesetzer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen. Auch bei Klebeaktionen haben die Beweggründe schon eine Rolle gespielt.

Ein Berliner Richter lehnte es im Oktober ab, einen Strafbefehl gegen eine Aktivistin zu erlassen, und begründete auch das damit, die Klimakrise sei eine "objektiv dringliche Lage" und "wissenschaftlich nicht zu bestreiten". Berlins Staatsanwälte hatten zu dem Zeitpunkt rund 200 Strafbefehle wegen Aktionen der "Letzten Generation" beantragt. Fast immer entscheiden die Aktivisten wie Clara Hinrichs jetzt auch: Sie nehmen die Strafbefehle nicht an – es kommt zum Prozess.

Das wird auch im Fall des Strafbefehls so sein, den der Richter nicht erlassen wollte: Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht seine Entscheidung aufgehoben, es gebe die "erforderliche Wahrscheinlichkeit", dass die Frau "wegen Nötigung in Tateinheit mit Widerstand" verurteilt werde, wie der "Tagesspiegel" berichtet.*

Erste Verurteilung im August

Die nach Medienberichten erste Verurteilung eines Klimaklebers gab es Ende August in Berlin – 60 Sozialstunden für einen 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht. In Verhandlungen ist mit dem "Klimanotstand"-Argument noch kein Klima-Kleber durchgekommen, die Bandbreite ist aber groß: 110 Tagessätze für mehrere Klebeaktionen in Stuttgart, 25 Tagessätze für Aktivisten nach zwei Aktionen in München. Mal gilt das Festkleben zusätzlich als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mal nicht. Eine Kirchenmusikerin im Alter von Mitte 40 hat nach Teilnahme an gut 40 Straßenblockaden bisher verschiedene Strafen über rund 10.000 Euro in 250 Tagessätzen angesammelt – und will nicht zahlen: 250 Tage Haft drohen ihr. Im Raum stehen für Aktivisten auch noch deutlich höhere Strafen wegen Störung des Flugverkehrs und des Betriebs von Ölpipelines.

Fast alle Aktivisten sagen: Sie machen auch nach einer Verurteilung weiter. Hinrichs denkt auch so. Sie werde im kommenden Jahr so viel Widerstand wie möglich leisten, solange die Regierung nicht Verantwortung übernehme, erklärte sie gerade in einem Interview mit dem Portal "Du bist Halle". Sie könne "nur hoffen, dass ich Ende des Jahres 2023 nicht im Gefängnis sitze".

Ob es das wert ist, frage sie sich jeden Tag, "weil es einfach unfassbar anstrengend ist, sich auf eine Straße zu setzen und in einer Zelle zu sitzen". Ihre Motivation? Bei der Aktion in Frankfurt am 12. April, für die sie nun den Strafbefehl erhielt, drehte sie ein Video und erklärte, dass sie "einfach nicht mehr zusehen kann, wie unsere Regierung uns immer weiter in den Abgrund führt".

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Sie musste nach Klebeaktionen schon wegen Unterkühlung ärztlich behandelt werden, sie kam auch in Polizeigewahrsam. Und als bundesweit bei Aktivisten Durchsuchungen stattfanden, weil die Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt, wurde auch Hinrichs Zimmer in ihrem Elternhaus bei Bremen durchsucht. Dort hatte sie schon als Schülerin Aktionen, damals mit Amnesty International, vorbereitet. Sie bringt mit 25 Jahren schon einige Demo-Erfahrung mit, die Durchsuchung sei aber für ihre Eltern einschüchternd gewesen.

Clara Hinrichs machte Justizminister Feuer

Wenn heute durch Straßenblockaden Menschen auf sie wütend seien, setze ihr das auch zu, sagte sie in dem Interview mit dem Portal "Du bist Halle". Noch mehr Angst mache ihr aber etwas anderes: "In einer Welt, in der schon wegen eines Staus so viel Hass und Wut freigesetzt wird, in dieser Welt will ich nicht leben, wenn es dann nicht genug Wasser für alle gibt."

Selbst festgeklebt zu sein, ist dabei ihre kleinere Rolle: Sie spricht mit den Medien, sie ist bei Terminen mit der Politik dabei. Kurz nach der Wahl kommentierte sie für die Medien ein Gespräch mit dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In der Sendung "Anne Will" attackierte sie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für ein "verfassungsfeindliches" Klimapaket. Jetzt muss sie sich auch in eigener Sache mit der Justiz befassen.

*Wir haben an dieser Stelle nach einem Hinweis ergänzt, dass das Landgericht die Entscheidung des Richters aufgehoben hat.

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