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Frankfurter Ex-Oberstaatsanwalt gesteht: Jahre lang Bestechungen angenommen


Schmiergeld für Gutachten
Ex-Oberstaatsanwalt gesteht: Jahre lang Bestechungen angenommen

Von t-online, dpa, RF

20.01.2023Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:230113-911-004556Vergrößern des BildesDer angeklagte ehemalige Frankfurter Oberstaatsanwalt (m) spricht im Gerichtssaal mit seinem Verteidiger Andreas Hohnel (l): Rechts im Bild der mitangeklagte Geschäftsmann. (Quelle: Arne Dedert/dpa)
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Der Ex-Oberstaatsanwalt Alexander B. hat vor Gericht die Annahme von Bestechungsgeld zugegeben. Zudem berichtet er von seiner traumatischen Kindheit.

Am zweiten Verhandlungstermin im Korruptionsprozess gegen den Frankfurter Ex-Oberstaatsanwalt Alexander B. hat sich der Angeklagte zu den Vorwürfen gegen ihn geäußert. Er räumte vor Gericht die Annahme von Bestechungs- und Schmiergeldern ein.

Er habe seine Taten psychologisch aufgearbeitet, sagte der Angeklagte am Freitag. Dabei sei ihm bewusst geworden, dass er vielen Unbeteiligten hohen Schaden zugefügt habe. Er habe Vertrauen massiv missbraucht und der hessischen Justiz schweren Schaden zugefügt. Er habe es nicht vermocht, das System der Schmiergeldzahlungen zu stoppen, sagte Alexander B. "Insofern kann ich der Staatsanwaltschaft fast dankbar sein, dass sie mich da rausgezogen hat."

Der 55-Jährige soll sich laut Staatsanwaltschaft bei der Vergabe von Gutachten bereichert und Schmiergelder kassiert haben. B. soll dem befreundeten und mitangeklagtem Unternehmer Bernhard A. gegen Geld zu Aufträgen für Gutachten verholfen haben. Zu diesem Zweck sollen die beiden Angeklagten sogar eigens ein Unternehmen gegründet haben.

Die Staatsanwaltschaft legt dem ehemaligen Oberstaatsanwalt insgesamt 101 Fälle der fortgesetzten und gewerbsmäßigen Bestechlichkeit zur Last.

B. soll so in dem noch nicht verjährten Zeitraum zwischen 2015 und 2020 rund 280.000 Euro Schmiergeld kassiert haben. Zudem wird B. vorgeworfen, viel zu hohe Stundensätze beispielsweise für die Erstellung von Gutachten abgerechnet zu haben. Dadurch sei der Staatskasse ein Schaden in Höhe von 644.836,73 Euro entstanden, so die Staatsanwaltschaft.

Angeklagter berichtet von sexuellem Missbrauch

Der befreundete Unternehmer muss sich unter anderem wegen der gewerbsmäßigen Bestechung in 82 Fällen verantworten. Zudem muss sich der suspendierte Oberstaatsanwalt wegen schwerer Untreue in 55 Fällen verantworten. Die Kammer hatte diesen Teil der Anklage zunächst nicht zugelassen und weitere Beweiserhebungen angeordnet.

Als Motivation verwies der 55-Jährige am Freitag auf persönliche Probleme. Unter anderem habe er damit Ausgaben für seine damalige Lebensgefährtin bestritten. Zudem berichtete der Angeklagt B. vor Gericht auch von seiner von sexualisierter Gewalt geprägten Kindheit.

Er sei in prekären Verhältnissen aufgewachsen: Der Vater habe ihn sexuell missbraucht. Seine Mutter habe ihn direkt nach der Geburt in ein Kinderheim gegeben und mit zwei Jahren zurückgeholt. Seine Kindheit sei geprägt gewesen von Geldsorgen, der Überforderung seiner Mutter und der Alkoholsucht seines Vaters.

Angeklagter wollte sich " zusätzliche Einnahmequelle"verschaffen

Bis zu seiner Festnahmen 2020 habe er mit niemandem darüber gesprochen, "weil ich mich geschämt habe". Durch die "traumatischen Erlebnisse" habe er "einen starken Lebenswillen entwickelt", sagte der Angeklagte. Er habe geglaubt, es sei "eine Frage der Disziplin, den Dämonen keine Macht zu geben".

Mit Fleiß und Disziplin habe er das Jurastudium abgeschlossen. Eine Beziehung sei an dem unerfüllten Kinderwunsch seiner Partnerin gescheitert. Mit Arbeit habe er sich von seinen persönlichen Problemen ablenken wollen, sei "völlig ausgebrannt" gewesen. "Mein beruflicher Erfolg war mein einziger Lebensinhalt."

Von 2002 an war der Angeklagte mit Ermittlungen zu Abrechnungsbetrug bei Ärzten betraut. Für die komplizierte Materie brauchte man Sachkundige, die zunächst einzeln und selbstständig arbeiteten. In der Hochphase seien bis zu 2000 Verfahren anhängig gewesen. Zusammen mit seinem Schulfreund, der nun mit ihm auf der Anklagebank sitzt, gründete der Angeklagte eine Firma, bei der die Sachverständigen angestellt waren.

Der Angeklagte gab zu, zuerst zu einem Drittel und später zu 60 Prozent am Gewinn dieses Unternehmens beteiligt gewesen zu sein, dabei habe er gewusst, "dass dieses Verhalten unzulässig ist". Hintergrund dieser "Unrechtsvereinbarung" sei seine neue Beziehung zu einer dieser Sachverständigen gewesen. Sie habe nicht mit Geld umgehen können und er sei nicht in der Lage gewesen, dem Einhalt zu gebieten.

Als ihre beiden Kinder aus erster Ehe bei dem Paar einzogen – die Tochter adoptierte der Angeklagte später – seien die Kosten gestiegen. Zu diesem Zeitpunkt habe er beschlossen, "sich eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen". Der mitangeklagte Unternehmer habe ein Konto eingerichtet und ihm die Bankkarte dazu gegeben. Laut Anklage hob er davon jahrelang monatlich rund 3.000 Euro ab.

Ehemalige Partnerin zeigte Alexander B. an

Eine weitere Einnahmequelle erschloss sich der Angeklagte nach eigenem Bekunden bei einer Firma, die EDV-Gutachten erstellte. Mit dem Inhaber dieser Firma habe er sich über die ähnlich gelagerten persönlichen Probleme ausgetauscht. Bei einem Spaziergang habe man vereinbart, dass der Unternehmer für jedes von B. in Auftrag gegebene Gutachten diesem einen Euro zahle.

Seine Partnerin sei dann psychisch krank geworden, er habe sich 2019 von ihr getrennt, die Kosten seien aber weitergelaufen. Diese Frau war es denn auch, die den damaligen Oberstaatsanwalt 2019 anzeigte. Das Gericht verlas eine Selbstanzeige und eine Anzeige der Frau, die mittlerweile gestorben ist.

Darin bezichtigt sie ihren Ex-Partner der Korruption und Steuerhinterziehung und sich selbst der Mitwisserschaft. Sie schilderte in einem handschriftlichen Brief an das Amtsgericht, wie das "System" funktionierte, bis hin zur PIN des geheimen Kontos und behauptete, B. habe versucht, sie in der gemeinsamen Wohnung zu ermorden.

B. nimmt Mitangeklagte in Schutz

Nach seiner Verhaftung 2020 habe er begonnen aufzuarbeiten, "weshalb ich derart gescheitert bin". Er wisse, dass seine Ausführungen als Ausflüchte gesehen werden können "und dass die juristische und die persönliche Aufarbeitung nur eine geringe Schnittmenge haben".

Auch den – neben gewerbsmäßiger Bestechlichkeit – zweiten Tatvorwurf der Steuerhinterziehung räumte er ein. Zum dritten Tatvorwurf, der erst später hinzugenommen wurde – schwere Untreue – will er sich später äußern. Am kommenden Mittwoch will auch der zweite Angeklagte aussagen, der mitangeklagte Unternehmer. Ihn nahm B. in seiner Aussage explizit in Schutz. Dieser habe ihm mehrfach angeboten, das Korruptionssystem zu beenden, er habe das aber stets abgelehnt.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Diana Reichmann, sagte, die Aussage habe im Wesentlichen derjenigen aus dem Ermittlungsverfahren entsprochen. Insofern sei sie für die Staatsanwaltschaft keine großen Überraschungen dabei gewesen. Eine geständige Einlassung habe sicherlich die Folge, dass es zu einer strafmildernden Wirkung komme. Die Bewertung sei Sache des Gerichts.

Das Gericht setzte für die Hauptverhandlung zunächst 22 Termine bis Ende März an.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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