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Landgericht Darmstadt: Verurteilter Doppelmörder will Unschuld beweisen


Seit zwölf Jahren im Knast
Verurteilter Doppelmörder will Unschuld beweisen

Von dpa, t-online, mtt

Aktualisiert am 09.03.2022Lesedauer: 3 Min.
Andreas Darsow 2011 bei der Urteilsverkündung (Archivfoto): Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest.Vergrößern des BildesAndreas Darsow 2011 bei der Urteilsverkündung (Archivfoto): Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest. (Quelle: Claus Völker/dpa-bilder)
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Es war eine kaltblütige Tat im Morgengrauen. Doch der zu lebenslanger Haft Verurteilte beteuert bis heute seine Unschuld. Dass das Land Hessen nun Geld von ihm fordert, begreift er als Chance.

Die Tat sorgte deutschlandweit für Entsetzen: Am frühen Morgen des 17. April 2009 wurde in Babenhausen, rund 20 Kilometer südöstlich von Frankfurt, zunächst Familienvater Klaus T. vor seinem Reihenhaus erschossen. Dann ging der Mörder nach drinnen und jagte der schlafenden Ehefrau zwei Kugeln in den Kopf. Schließlich schoss der Täter auch noch auf die behinderte Tochter des Paares.

Nach Ansicht des Landgerichts Darmstadt war die Sache klar: 2011 verurteilte es den Nachbarn der Familie zu lebenslanger Haft und stellte zudem die besondere Schwere der Schuld von Andreas Darsow fest, der als Verdächtiger schon seit 2010 in Haft saß.

Doch ob sich wirklich der Richtige im Gefängnis befindet, wird bis heute immer wieder in Frage gestellt, unter anderem auch von einem der beteiligten Ermittler. Der heute 52-jährige Darsow selbst beteuert seine Unschuld – und hofft nun auf ein Zivilverfahren, das am Mittwoch gestartet ist.

Hoffnung des Anwalts: "Zivilgericht ist offen, über Beweise zu entscheiden"

Elf Jahre nach dem Urteil gegen ihn will das Land Hessen Geld von Darsow. Es fordert die Übernahme der Kosten für die Heimunterbringung der damals schwer verletzten Tochter, es geht um insgesamt 69.308 Euro. Darsow und sein Anwalt sehen das als Chance.

Seit Jahren trägt Strafverteidiger Gerhard Strate, der auch das bayerische Justizopfer Gustl Mollath vertreten hat, aus Sicht der Verteidigung neue Fakten zusammen, die die Unschuld seines Mandanten beweisen sollen. Die Hoffnung: "Ein Zivilgericht ist offen, auch über Beweise zu entscheiden", sagte Strate der Nachrichtenagentur dpa. Sollte im Zivilverfahren bei einer möglichen Beweiserhebung keine Schuld seines Mandaten festgestellt werden, wäre dies gegebenenfalls ein Hebel für ein mögliches Wiederaufnahmeverfahren.

Gerichtssprecher: Wiederaufnahme möglich

Der Fall wird wieder am Landgericht Darmstadt verhandelt. Und laut Gerichtssprecher Jan Helmrich ist es tatsächlich möglich, dass der Prozess um die Kostenübernahme schließlich zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens führt.

"Grundsätzlich hat der Ausgang eines Zivilverfahrens zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf einen strafrechtlichen Schuldspruch", erklärte der Vorsitzende Richter am Landgericht t-online. "Aber es kann Fälle geben, wo eine nachfolgende zivilrechtliche Entscheidung neue Ansätze für Ermittlungen bietet."

Doppelmord von Babenhausen: Keine DNA, keine Zeugen, keine Tatwaffe

Darsow war 2011 nach einem reinen Indizienprozess schuldig gesprochen worden. Es gab keine DNA von ihm am Tatort, keine Zeugen, keine gefundene Tatwaffe. Auch Suchhunde hatten im Haus des getöteten Ehepaars keinerlei Spuren Darsows gefunden.

Dennoch sah der Richter damals die Schuld des Babenhauseners als erwiesen an. Der Angeklagte habe den Lärm der behinderten Tochter und die als markerschütternd beschriebenen Schreie der "psychisch auffälligen Mutter" als unerträglich empfunden. Das habe Darsow zu der Tat veranlasst, die von "absolutem Vernichtungswillen" getragen gewesen sei. Darsow habe in seiner Wut eine ganze Familie auslöschen wollen.

Beteiligter Ermittler: "Eindruck einer Vorverurteilung"

Die Indizien sprächen eindeutig gegen ihn, befand der Richter: Darsow habe sich auf seinem Firmencomputer eine Anleitung zum Bau eines einfachen Schalldämpfers ausgedruckt und den PC später zerstört, um Spuren zu beseitigen. Ein wichtiger Bestandteil des Schalldämpfers, Bauschaum, sei auch am Tatort sichergestellt worden. Außerdem habe Darsow sich darüber informiert, wie Ermittler DNA-Beweise sichern und Spürhunde einsetzen. Und an seiner Kleidung seien Schmauchspuren gefunden worden, die von Schießübungen vor dem Verbrechen stammen müssten.

Zuletzt hatte allerdings eine Mail eines damals beteiligten Ermittlers Schlagzeilen gemacht, der in dieser vom "Eindruck einer Vorverurteilung" berichtete. Der heutige Bürgermeister von Pfungstädt war wegen dieser Mail Ende 2021 wegen Geheimnisverrats angeklagt und in erster Instanz freigesprochen worden. Er hatte an Darsows Anwalt geschrieben, dass man sich viel zu schnell auf den später Verurteilten als Täter festgelegt habe.

Wann es zu einem Urteil im Zivilverfahren gegen Darsow kommt, ist noch unklar. Das Darmstädter Landgericht will am 30. März zunächst verkünden, ob es erneut eine Beweiserhebung zulässt, sagte die Vorsitzende Richterin der Zivilkammer am Mittwoch nach knapp einstündiger Verhandlung.

Verwendete Quellen
  • "hessenschau": "Freispruch für Pfungstädter Bürgermeister"
  • Webseite des Anwalts von Darsow: Mail eines damaligen Ermittlers
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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