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In Afghanistan Arzt – in Deutschland Wachmann

Von Stefan Simon

Aktualisiert am 11.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Farhat S. im weißen Kittel: Er studierte zehn Semester Medizin in Kabul, doch in Deutschland wurde sein Abschluss mit der Mittleren Reife gleichgesetzt.
Farhat S. im weißen Kittel: Er studierte zehn Semester Medizin in Kabul, doch in Deutschland wurde sein Abschluss mit der Mittleren Reife gleichgesetzt. (Quelle: Privat/leer)
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Farhat S. studierte Medizin in Afghanistan. In Deutschland wird sein Abschluss mit der Mittleren Reife gleichgesetzt. Dass nun ukrainische Flüchtlinge ohne Schulabschluss studieren dürfen, findet er gut – aber nicht gerecht.

Mit weißem Kittel steht Farhat S. im Treppenhaus des Krankenhauses Ali Abad in Kabul. Er sieht stolz aus. Das Foto stammt aus dem Jahr 1986. Es wird eine der letzten Aufnahmen von ihm als angehender Arzt sein. Denn Farhat S. verlässt 1989 sein Heimatland. Er flüchtet vor dem Krieg mit der Sowjetunion. Ein Jahr ist er auf der Flucht, dann kommt er als Asylbewerber in Deutschland an.

Heute lebt der 60-Jährige mit seiner Familie in Wiesbaden. Als Arzt hat er jedoch in Deutschland nie praktizieren können, denn sein Medizinstudium wurde nicht anerkannt – stattdessen wurde sein erlangter Bildungsgrad mit der Mittleren Reife gleichgesetzt. Das schmerzt Farhat bis heute. "Ich hatte Träume", sagt er im Gespräch mit t-online.

Seine Geschichte steht nur exemplarisch für die vielen Tausend nach Deutschland eingewanderten Menschen. Und vielleicht hätte seine Geschichte nie den Weg in die Öffentlichkeit gefunden, wenn die Kultusministerkonferenz nicht eine Sonderregel für ukrainische Geflüchtete beschlossen hätte, die wegen des Krieges keinen Schulabschluss machen konnten. Für sie gilt eine Sonderregel: Diese Schüler sollen dennoch in Deutschland studieren dürfen.

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Zehn Semester Studium – für nichts?

Nach zwei Jahren in Deutschland erhält Farhat Asyl. Die Dokumente ließ er in Afghanistan, aus Angst, auf der Flucht erkannt zu werden. Denn Farhat verweigerte den Wehrdienst und steht deswegen laut eigener Aussage bis heute unter Beobachtung. Es dauert eine Weile, bis er sein Abschlusszeugnis der Universität in Kabul erhält. "Ich habe das Zeugnis beim Regierungspräsidium in Darmstadt eingereicht und zuvor eidesstaatlich versichert sowie übersetzt", erzählt er.

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Erst im Mai 1996 erhält Farhat eine Bescheinigung für sein Zeugnis. Allerdings nicht so, wie er es sich erhofft hatte. So heißt es in dem Schreiben im Wortlaut: "S. hat mit Vorlage des afghanischen Zeugnisses 'Kabul University Information', ausgestellt von der Kabul Universität, den erfolgreichen Abschluss eines zehnsemestrigen Medizinstudiums (...) Ich stelle hiermit fest, dass er einen Ausbildungsstand erworben hat, der dem Realschulabschluss gleichwertig ist."

Farhats Traum platzt

Seitdem sind einige Jahre vergangen und auch die Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse hat sich inzwischen offenbar geändert. In Deutschland regeln die Bundesländer die Anerkennung von ausländischen Berufen. Das gilt auch für ausländische Berufsqualifikationen.

Für afghanische Studierende werden in der Regel die Abschlüsse zwar nicht automatisch von deutschen Hochschulen anerkannt – sie können dies allerdings nach der Belegung von Vorbereitungskursen, heißt es beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Begründet wird das mit dem unterschiedlichen Bildungs- und Leistungsniveau afghanischer und deutscher Studierender.

Farhat hatte damals keine andere Wahl. Er musste seinen Traum als Arzt in der Inneren Medizin begraben. "Ich hatte ja gehofft, dass ich in Deutschland zwei Jahre weiter studieren und ein Praktikum machen kann", sagt er. Weil er Geld verdienen muss, arbeitet er bei einer Reinigungsfirma. Heute verdient er sein Geld als Wachmann für einen Securitydienst. Berufe, die seinem Bildungsstand nicht gerecht werden, sagt sein Sohn Hewad.

Hewad S., Farhats Sohn: Er postete die Geschichte seines Vaters auf Instagram und erhielt sehr viel Zustimmung.
Hewad S., Farhats Sohn: Er postete die Geschichte seines Vaters auf Instagram und erhielt sehr viel Zustimmung. (Quelle: Privat/leer)

Der 25-Jährige hat kurz nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz auf seinem Instagram-Profil die Geschichte seines Vaters publik gemacht. Hewad schreibt: "Der Beschluss der Kultusministerkonferenz ukrainischen Flüchtlingen das Studium ohne Schulabschluss zu ermöglichen ist löblich, lässt aber einen bitteren Nachgeschmack bei Flüchtlingen und deren Angehörigen, denen eine solche Möglichkeit nie gewährt wurde."

Viel Zuspruch für Hewads Post auf Instagram

Sein Post geht viral. Bis heute haben fast 150.000 Menschen ein "Like" hinterlassen, über 2.600-mal wurde sein Post kommentiert. "Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet", sagt er.

Vor allem erhält er sehr viel Zuspruch. So schreibt etwa eine Userin: "Mein Herz blutet für jeden einzelnen Menschen, der das durchmachen musste." Ein anderer User berichtet, dass sein Vater an derselben Universität wie Farhat Medizin studierte, 1992 als Flüchtling nach Deutschland kam, aber anders als Farhat hat er "eine Chance bekommen, indem er das dritte Staatsexamen erneut ablegen durfte und zusätzlich in Deutsch geprüft wurde".

Farhat wünscht sich auch Erleichterungen für Geflüchtete aus Drittstaaten

Auch Farhat kennt ehemalige Kommilitonen, die nach Deutschland flüchteten und Ähnliches wie er erlebten. "Einige wenige konnten aber mit dem Studium weitermachen und haben nun eine eigene Praxis oder sind im Krankenhaus tätig", erzählt er. Diese Chance erhielt er nicht.

Auch wenn Farhat seinen Traum nicht ausleben durfte, ist er keineswegs wütend oder enttäuscht von der Entscheidung der Kultusminister, ukrainischen Flüchtlingen einen leichteren Bildungsweg zu ermöglichen. "Ich weiß, wie es sich anfühlt, vor einem Krieg zu flüchten", sagt er.

Farhat wünscht sich künftig für Geflüchtete aus Drittstaaten, dass der Zugang zu Universitäten erleichtert und die Bildungsabschlüsse anerkannt werden. "Diese Leute haben studiert, sie haben Träume. Viele kommen aus armen Ländern und dort ist Bildung sehr teuer. Familien investieren in die Zukunft ihrer Kinder", sagt er. Hewad pflichtet seinem Vater bei und ergänzt: "Wenn die Leute nach Deutschland kommen und ihr Abschluss wird nicht gleichgesetzt, dann ist das wie ein Schlag ins Gesicht."

Hewad: "Es gilt das Narrativ des weißen, gebildeten Menschen"

Für den 25-Jährigen ist die Situation freilich eine andere. Vor Kurzem machte er seinen Bachelor-Abschluss in Media Conception and Production an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. "Ich habe all das von meinem Vater nur indirekt mitbekommen, dennoch wünsche ich mir von der Politik, dass sie das Ankommen der Flüchtlinge generell erleichtern würde. Zum Beispiel Formulare und so weiter in einfacher Sprache halten statt in diesem Beamtendeutsch."

Auch wenn Hewad der Entscheidung der Kultusminister zustimmt, sieht er letztendlich darin auch eine Form des institutionellen Rassismus. "Ich will mich jetzt auch nicht so weit aus dem Fenster lehnen, aber es fühlt sich schon so an. Vor allem in den englischsprachigen Medien wurden Ukrainer als zivilisiert betitelt. Als wären andere Flüchtlinge das nicht. Es gilt das Narrativ des weißen, gebildeten Menschen. Die anderen sind es nicht und leben in Lehmhütten."

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Von Sophie Vorgrimler
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