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Spott für Grünen-Politikerin: Schulwissen ist nicht alles


Pro und Kontra zur Fester-Blamage
Schulwissen ist nicht alles

  • Philip Buchen
  • Katharina Grimm
Pro & KontraVon Philip Buchen, Katharina Grimm

Aktualisiert am 19.05.2023Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

imago images 0245925947Vergrößern des Bildes
Emilia Fester in der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude: Die Politikerin hat sich in einem Wissens-Quiz blamiert. (Quelle: IMAGO/Frederic Kern)

Bei einem YouTube-Format blamiert sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Emilia Fester mit Wissenslücken bei der deutschen Geschichte. Aber ist das wirklich so schlimm?

Die Grünen-Politikerin Emilia Fester, zweitjüngstes Mitglied des Deutschen Bundestags, muss gerade viel Hohn und Spott ertragen. Der Grund: Sie stolperte im Wissens-Quiz des YouTubers Mirko Drotschmann, alias "MrWissen2Go", über die Frage, wer im Jahr 1871 zum deutschen Reichskanzler ernannt worden war.

Zunächst schien die 25-Jährige von der Frage grundsätzlich überrascht: "Neben dem Kaiser?" Und legte nach: "Ich weiß es nicht, ich weiß keine Namen." Drotschmann half, gab den Tipp, dass nach dem Mann ein Hering benannt wurde und der Name mit "B" anfangen würde. Da fiel auch bei Fester der Groschen: "Der Bismarck, ach was wirklich? Der war Kanzler? Witzig, ok."

Nun hagelt es Spott und Häme: Der Hamburger CDU-Mann Christoph Ploß sieht bei Fester "riesige Wissenslücken" und den Anspruch, "anderen regelmäßig die Welt erklären" zu wollen. Der frühere FDP-Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, Gerhard Papke, nannte die zweitjüngste Abgeordnete im Deutschen Bundestag ein "Dummchen". Aber auch ernstzunehmende Kritik wird laut.

Die Frage im Raum: Ist auswendig gelerntes Schulwissen nicht längst überholt?

Pro
Philip BuchenPhilip BuchenChef vom Dienst für Regionales

Keine Ahnung von Geschichte? Das ist nicht das Problem

Empörung kann so einfach sein: Auf Social Media poltern – vor allem konservative und auf Twitter vor allem männliche – Kommentatoren gegen die Grünen-Politikerin Fester und ihre Wissenslücken bei der deutschen Geschichte.

Da passt es ins Bild, dass Ploß, Papke und die anderen empörten selbsterklärten Bildungsbürger großzügig außen vor lassen, dass sich einige Vertreter anderer Parteien in dem YouTube-Wissenstest auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben.

CDU-Dauerjungspund Philipp Amthor irrlichterte bei der Frage, was denn am 30. Januar 1933 so passiert sei, erst einmal umher. Dietmar Bartsch, Chef der Linksfraktion, konnte das Gründungsdatum der Bundesrepublik nicht benennen. Charmante Ausrede: Er komme ja aus der DDR. Und Franziska Hoppermann (CDU) hatte anfangs große Probleme, das Alter der Bundesrepublik zu benennen.

Es sollte uns allen eigentlich recht egal sein, ob unsere Volksvertreter eine Eins mit Sternchen in Geschichte hatten (und haben). Sie sollten über die Einzelheiten ihrer aktuellen politischen Vorhaben bestens informiert sein – dafür darf schnödes Schulwissen auch mal über Bord gehen. Darüber hinaus ist Emilia Fester mit ihren Lücken im Geschichtswissen nicht allein: Schon 2012 fand die Freie Universität Berlin heraus, dass 40 Prozent der befragten Schüler keine großen Unterschiede zwischen Nazideutschland, der BRD und der DDR ausmachen konnten. Die Körber-Stiftung aus Hamburg legte in einer Umfrage 2017 nach: Vier von zehn Schülern konnten demnach mit dem Begriff Auschwitz nichts anfangen.

Aber auch diese "An-den-Pranger-Sendungen" sind ein Problem: Die langfristige Folge solcher öffentlicher Bloßstellungen könnte sein, dass die Spitzenpolitik nur noch von Zettelchen vorgefertigte und dreifach geprüfte Statements abliest – nur um keinen Fehler zu machen. Schon jetzt wandern immer mehr solcher Aussagen, fein geschliffen von einer Schar an Pressesprechern, auf Social Media und in öffentliche Mitteilungen: sprachlich kerngereinigt, inhaltlich austauschbar.

Und damit ist am Ende keinem geholfen. Erst recht nicht dem Wähler.

Kontra
Katharina GrimmKatharina GrimmHead of Regio Nord

Politiker sind auch Vorbilder

Das Internet kann schon ein gemeiner Ort sein, denn es vergisst nichts. Nicht mal winzig-kleine Videoschnipsel. Das musste nun auch die Bundestagsabgeordnete der Grünen Emilia Fester erleben, als ihr Auftritt bei Mirko Drotschmann auseinandergenommen wurde. Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken mögen überzogen sein. Die inhaltliche Kritik ist aber richtig. Und das aus mehreren Gründen.

Zum einen hat Fester mit dem Auftritt eklatante Wissenslücken offenbart. Man muss sicherlich nicht die deutsche Geschichte fehlerfrei und lückenlos runterbeten können. Aber eine Handvoll Namen und Jahresdaten sollte man parat haben – und da gehört der erste Reichskanzler definitiv dazu.

Es ist aber nicht nur das "Was", also das Nicht-Wissen. Es ist auch das "Wie". Denn verpackt in eine schnodderige Antwort "Ach, der war Kanzler" / "Ich weiß keine Namen" wird hier versucht, das eigene Nicht-Wissen als coole Fehlerkultur zu verkaufen. Vielleicht wäre der große Aufschrei in den sozialen Netzwerken milder ausgefallen, wenn ein wenig mehr Entsetzen vor dem eigenen Unvermögen gezeigt worden wäre.

Denn: Emilia Fester ist nicht irgendeine 25-Jährige. Sie ist gewählte Bundestagsabgeordnete. Und übernimmt in ihren jungen Jahren schon eine so wichtige Vorbildrolle: Seht her, ich bin weiblich, jung und sitze im Bundestag. Denn mit 35 Prozent Frauenanteil bekleckert sich Deutschlands höchstes Parlament nicht unbedingt mit Diversity-Ruhm. Daher sind solche Biografien eigentlich so wichtig für die Sichtbarkeit von Frauen.

Nun aber hat dieses Vorbild sichtbare Kratzer bekommen. Und die Frage, ganz ohne den Twitter-Schaum vorm Mund, darf erlaubt sein: Sind das die Vorbilder, die wir brauchen?

Die gute Nachricht, zumindest für Frau Fester: Das Internet kann auch ein gnädiger Ort sein, denn die aufgescheuchte Social-Media-Meute vergisst recht schnell. Und zieht meist genauso flott weiter zum nächsten Skandal.

 
 
 
 
 
 
 

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Verwendete Quellen
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