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Klima-Demo in Hamburg: Demonstrierende verteidigen Dreadlocks


Debatte bei Fridays for Future
Klimaaktivistin zu Dreadlocks: "Weiße haben dabei nicht die Deutungshoheit"

  • Gregory Dauber
Von Gregory Dauber

Aktualisiert am 17.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Klimaaktivistin Lakshmi Thevasagayam auf der Demo von Fridays for Future: "Es gibt noch zu viele Weiße Menschen, die Profit aus der Ausbeutung anderer Kulturen schlagen."Vergrößern des Bildes
Klimaaktivistin Lakshmi Thevasagayam auf der Demo von Fridays for Future: "Es gibt noch zu viele Weiße Menschen, die Profit aus der Ausbeutung anderer Kulturen schlagen." (Quelle: Jannis Große)

Wieder einmal hatte Fridays for Future zum "globalen Klimastreik" aufgerufen. Die Tage vor den Demos wurden aber überschattet von der Debatte um die Ausladung einer Musikerin, die Dreadlocks trägt. Ein Stimmungsbild der Hamburger Demo.

Die Ortsgruppe von Fridays for Future (FFF) aus Hannover hatte wenige Tage vor der Demo am Freitag die Musikerin Ronja Maltzahn wieder ausgeladen, weil sie als Weiße Person Dreadlocks trägt. FFF begründet die Ausladung, die Maltzahn publik gemacht hatte, mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung. Dreadlocks seien in Bürgerrechtsbewegungen Schwarzer* Menschen ein Widerstandssymbol, so FFF Hannover.

12.000 Menschen demonstrieren in Hamburg

Zur FFF-Demo in Hamburg kamen nach Veranstalterangaben 12.000 Menschen aller Altersgruppen, die drei Stunden lang durch Hamburg-Mitte zogen. Unter den Teilnehmenden waren auch People of Color und Menschen mit Dreadlocks. Während der Demo hat t-online sich umgehört, wie diese Menschen die Debatte der jüngsten Tage wahrgenommen haben.

Lea Löchel und ihr Partner Malik Fofana sind zusammen auf der Demo. Beide tragen Dreadlocks. Sie ist Weiß, er ist Schwarz. "Wir haben schon gezweifelt, ob wir heute hierherkommen sollen. Wir können die Entscheidung von Fridays for Future nicht nachvollziehen", sagt der 31-Jährige. "Ich bin mit der Sorge hierhergekommen, angefeindet zu werden, und Malik mit der Sorge, nicht angefeindet zu werden", sagt seine 27-jährige Partnerin.

Keine Anfeindungen von Dreadlock-Tragenden auf Demo in Hamburg

"Denn es wäre auch rassistisch, wenn er wegen seiner Hautfarbe nicht angefeindet werden würde, ich aber schon", sagt Lea, die seit mehr als zehn Jahren Dreadlocks trägt. Auf der Demo in Hamburg habe es noch keine Reaktionen auf ihre Frisuren gegeben. Als sie ein Jahr in Südafrika gelebt habe, sei sie wegen ihrer Dreadlocks nie angegangen worden. "Im Gegenteil, für viele Schwarze dort war das ein Zeichen meiner Solidarität."

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Maliks Vater stammt aus Gambia, erzählt er. Er kommt aus Bad Oldesloe. "In Gambia gibt es keine Dreads, also habe ich mir das auch angeeignet." Wenn er nur wegen seiner Hautfarbe nicht für seine Frisur kritisiert werde, sei das für ihn auch rassistisch. "Für mich ergibt dieser Vorwurf gar keinen Sinn. Dreads gibt es seit Tausenden von Jahren in vielen Kulturen, auf allen Kontinenten." Er kenne auch keine anderen Schwarzen Menschen, die Dreadlocks bei Weißen als rassistisch empfänden.

Malik trägt Dreadlocks, weil er sie in Indien kennengelernt hat

"Natürlich ist echt wichtig, dass mit Kulturen kein Mist gemacht wird. Wer so etwas trägt, sollte sich schon Gedanken machen", sagt Lea. Malik trägt Dreadlocks aus spirituellen Gründen, wie er sagt. Er habe das bei den Sadhus in Indien kennengelernt, wo er Yoga gelernt habe. Die umstrittene Entscheidung von FFF sehen beide auch kritisch, weil sie befürchten, dass sich die Bewegung von innen heraus spalte. "Das kann nicht sein", sagt Malik.

Lea sagt, sie habe ihre Dreadlocks anfangs aus modischen Gründen getragen. Heute gehe es ihr um Selbstbestimmung, auch wenn sie die Frisur immer noch "cool" findet. "Wenn ich Dreads trage, habe ich das Gefühl, ich zu sein. Egal, was ich anziehe." Sie befürchtet, dass sich die linke Bewegung in der Debatte um kulturelle Aneignung selbst zerfleische. Malik ergänzt: "Natürlich muss man respektieren, wenn sich Leute davon angegriffen fühlen. Dreads sind aber kein Eigentum einer speziellen Kultur."

Für Lea ist das Tragen von Dreadlocks als Weiße Person auch ein Schritt Richtung Normalisierung: "Je mehr unterschiedliche Menschen beispielsweise eine bestimmte Frisur tragen, wächst auch die allgemeine Anerkennung dieser Frisur. Das kann auch marginalisierten Gruppen, die unter Diskriminierung leiden, helfen." Es gehe um die Freiheit jedes einzelnen Menschen, über das eigene Aussehen zu bestimmen, ohne dafür diskriminiert zu werden.

Klimaaktivistin: Entscheidung war richtig, aber kam viel zu spät

Klimaaktivistin Lakshmi Thevasagayam, die von FFF als Rednerin eingeladen ist, sieht das anders. "Wir sind nicht an dem Punkt, an dem wir sagen können: Wir teilen alle Kulturen und alles passiert gleichberechtigt. Es gibt noch zu viele Weiße Menschen, die Profit aus der Ausbeutung anderer Kulturen schlagen." Diskriminierung und Marginalisierung von Nicht-Weißen sei immer noch aktuell und müsste rückgängig gemacht werden. "Weiße haben dabei nicht die Deutungshoheit."

Bei ihrem Auftritt auf der Bühne hatte Lakshmi FFF in Deutschland direkt kritisiert. "An diesem Konflikt sieht man perfekt, was das Problem von Fridays for Future ist: Es werden immer Weiße Menschen in den Vordergrund gerückt, anstatt dass von vorneherein Nicht-Weiße Künstler angefragt werden. Die Situation rund um die Ausladung, wie sie nun gekommen ist, ist natürlich super unglücklich", sagt sie zu t-online.

Es hätte gar nicht so weit kommen dürfen, dass eine Ausladung notwendig sei. FFF dürfe keine Bewegung von Weißen Akademikern und Akademikerinnen bleiben. Lakshmi kommt selbst aus Hannover und sagt: "Es hätte genügend Nicht-Weiße Artists in Hannover gegeben."

19-jähriger Demoteilnehmer hat früher selbst Dreadlocks getragen

Am Rand der Demo steht der 19-jährige Jakob aus Hamburg mit seinem Lastenfahrrad. "Ich bin deutscher Abstammung und habe vor etwa vier Jahren selbst noch Dreadlocks getragen", erzählt er im Gespräch mit t-online. "Ich verstehe, dass sich Menschen dadurch angegriffen fühlen. Wer sich nicht mit der Kultur und den Rechten Schwarzer Menschen auseinandersetzt, sollte keine Dreadlocks tragen."

Die Entscheidung von FFF empfindet er dennoch als falsch: "Ich kenne die Sängerin nicht. Aber man sollte immer hinschauen, wie sich die Träger von Dreadlocks positionieren. Jeder sollte sich bewusst sein, was der Hintergrund dieser Frisur sein könnte." Ein sensibler Umgang mit dem Thema sei für beide Seiten notwendig. "Früher habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Da war ich noch jung und wurde nie mit dem Thema kultureller Aneignung konfrontiert. Heute weiß ich mehr darüber."

*Hintergrund: "Der Begriff Schwarz wird oft als Selbstbezeichnung von Menschen afrikanischer und afro-diasporischer Herkunft, schwarzen Menschen, Menschen dunkler Hautfarbe und people of colo(u)r gewählt. Das großgeschriebene "S" wird bewusst gesetzt, um eine sozio-politische Positionierung in einer mehrheitlich weiß dominierten Gesellschaftsordnung zu markieren und gilt als Symbol einer emanzipatorischen Widerständigkeitspraxis."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Eigene Recherchen
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