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S-Bahn-Netz in Hamburg: Hier kommen Rollstuhlfahrer nicht weiter


Situation am Berliner Tor "ein Hammer"
Hier gibt es für Hamburger Rollstuhlfahrer kein Weiterkommen

  • Gregory Dauber
Von Gregory Dauber

Aktualisiert am 27.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Nils Rahmlow sitzt in seinem Rollstuhl vor dem Zugang des S-Bahnhofes Berliner Tor: Weil Aufzüge fehlen, kann diese Station nicht nutzen.Vergrößern des Bildes
Nils Rahmlow sitzt in seinem Rollstuhl vor dem Zugang des S-Bahnhofes Berliner Tor: Weil Aufzüge fehlen, kann er diese Station nicht nutzen.

Die Hamburger Hochbahn hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: In diesem Frühjahr sollen 95 Prozent des U-Bahn-Netzes stufenlos nutzbar sein – für Menschen im Rollstuhl also barrierefrei. Die S-Bahn hänge dem noch hinterher, sagt ein Experte.

Rollstuhlfahrer in Hamburg können weite Teile des U- und S-Bahn-Netzes ohne fremde Unterstützung nutzen. Der Großteil der Bahnhöfe ist mit Aufzügen zu den Gleisen ausgestattet. Doch diese können kurzfristig ausfallen und sind an einigen Orten noch gar nicht vorhanden. Ein Betroffener berichtet von beschwerlichen Wegen.

"Hier geht es einfach nicht", sagt Nils Rahmlow. Der 49-Jährige sitzt in seinem Rollstuhl vor einer Treppe am Berliner Tor, die zu den Gleisen der S-Bahn führt. Was Rahmlow meint: Er kann diesen S-Bahnhof der Deutschen Bahn nicht nutzen. Dort gibt es keine Aufzüge und die Treppen sind zu hoch und steil, als dass er sie überbrücken könnte. "Kürzere Abschnitte kann ich mithilfe der Geländer schon schaffen."

S-Bahn-Netz in Hamburg mit großen Hürden für Rollstuhlfahrer

Der Bahnhof am Berliner Tor ist derzeit eine Großbaustelle. Behelfstreppen führen zu den S-Bahn-Gleisen und sind auch für Menschen ohne Mobilitätseinschränkung anstrengend. Aufzüge gab es dort noch nie, laut der S-Bahn Hamburg steckt man dazu noch in der Planungsphase. Wann der Baustart für die Aufzüge ist, ist noch nicht klar.

Nils Rahmlow kann seit seiner Geburt nicht ohne Gehhilfe laufen. Mittlerweile ist er die meiste Zeit in einem Rollstuhl unterwegs. Als selbst Betroffener unterstützt er andere Rollstuhlfahrer dabei, sich selbstständig im Hamburger Nahverkehr zu bewegen. Der Mobilitätstrainer der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAGH) bietet seinen Kunden jede Woche mehrere Termine an, deren Gestaltung sich an den individuellen Bedürfnissen orientiert.

Rollstuhlfahrer aus Hamburg: HVV-App hilft bei der Planung

"Spontan sein ist schwierig", berichtet Rahmlow im Gespräch mit t-online. Eine gute Planung der Route, auch wenn es nur um ein paar Stationen in Hamburg gehe, sei unerlässlich. "Ich brauche im Rollstuhl sowieso länger, rechne aber immer noch einen Puffer obendrauf." Nützlich sei die App des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV), die eine rollstuhlgerechte Routenplanung ermögliche.

Wer nicht auf den Rollstuhl angewiesen ist, kann beispielsweise vom Bahnhof Altona in weniger als 14 Minuten mit der S1 zum Berliner Tor fahren. Die rollstuhlgerechte Verbindung braucht dagegen 28 Minuten mit dem Bus der Linie 2.

"Am Berliner Tor ist es schon besonders kompliziert für mich", sagt Rahmlow zum wichtigen Knotenbahnhof im Hamburger Netz. Der Bahnhof ist einer der wichtigsten, am meisten genutzten Umsteigepunkte zwischen U- und S-Bahn.

Wenn plötzlich der Aufzug streikt

Doch selbst wenn die rollstuhlgerechte Verbindung geplant und genügend Zeit einkalkuliert ist – schiefgehen kann immer noch einiges. So wie an diesem Tag, als Rahmlow mit t-online am Berliner Tor unterwegs ist. Drei Aufzüge führen auf die U-Bahn-Gleise: Einer zur Zwischenebene, zwei weitere zu den jeweils unterschiedlichen Fahrtrichtungen. Doch hier ist Schluss: Der Aufzug, der zum Gleis Richtung Niendorf Nord, Barmbek und Elbbrücken führt (U2, U3 und U4), ist außer Betrieb. Endstation, zumindest auf Gleisen.

"Darauf muss man immer vorbereitet sein", sagt Rahmlow, der gelassen bleibt. Diese Gelassenheit versucht er auch seinen Kunden beizubringen. "Ich begegne schon einigen Schicksalen. Wer erst seit Kurzem im Rollstuhl sitzt, hat erst mal einiges zu verkraften." Doch oft sei zu beobachten, dass irgendwann der Ehrgeiz Überhand nehme. "Vielen Leuten wird gesagt: Du kannst jetzt nichts mehr machen. Das stimmt nicht. Es ist schon beeindruckend, wie sich manche Leute zurückkämpfen."

Mobilitätstrainer hilft Rollstuhlfahrern, selbstständig zu sein

Rahmlow versteht sich als "Glied in der Kette zurück in die Selbstständigkeit". In mehreren Terminen zeigt er seinen mobilitätseingeschränkten Kunden, wie sie möglichst einfach und sicher im Nahverkehr unterwegs sein können. Geübt wird auf den für die Menschen wichtigen Strecken, es gibt kein Standardprogramm.

Auch wenn für Rahmlow und andere Rollstuhlfahrer nicht alles reibungslos funktioniert: "Die Hochbahn ist auf einem guten Weg. Unsere Bedürfnisse werden wahrgenommen." Wichtig seien auch die teilweise erhöhten Gleiskanten, die den Einstieg für Rollstuhlfahrer erleichtern sollen. Seit März ist der U-Bahnhof Rathaus barrierefrei zugänglich, Ende Mai soll das auch an der Mönckebergstraße der Fall sein, heißt es von der Hochbahn, die das U-Bahn-Netz betreibt.

Experte stellt Hochbahn gutes Zeugnis aus

Ein gutes Zeugnis stellt der Hochbahn auch Joachim Becker aus. Er ist beim Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg für die Verkehrsraumplanung zuständig und steht Behörden und Verkehrsunternehmen beratend zur Seite. "Die Hochbahn hat in den letzten 20 Jahren viel geleistet", sagt er. "Das ist eine Erfolgsgeschichte, auch wenn noch nicht alles perfekt ist."

Anders sieht es für Becker bei der Deutschen Bahn aus: "Bei der Bahn sind die Abläufe deutlich schleppender, das liegt auch an der Konzernstruktur." Der S-Bahnhof am Berliner Tor sei zwar ein Extremfall, allerdings auch kein Einzelfall. "Die Situation dort ist schon ein Hammer. Da kann man nur jedem empfehlen, einen Bogen drumherum zu machen – ob im Rollstuhl oder nicht."

Die HVV-Linien U2 und die U4 sind schon komplett für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die U1, auf deren Verlauf noch drei Haltestellen fehlen, sollen bis 2023 so weit sein. Ab 2024 seien dann die verbleibenden Haltestellen der U3 dran, so die Hochbahn: Saarlandstraße, Sierichstraße und Sternschanze. Im Hamburger S-Bahn-Netz der Deutschen Bahn sind von den 68 Stationen fast 90 Prozent barrierefrei erreichbar. Neben dem Berliner Tor fehlen noch die Stationen Reeperbahn, Diebsteich und Wedel.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit Nils Rahmlow
  • Gespräch mit Joachim Becker
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