t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalFrankfurt am Main

Frankfurt am Main: Diese Skater sehen aus wie Topmodels


"King oder Queen der Skate-Week werden"
Diese Skater sehen aus wie Topmodels

Von Sophie Vorgrimler

Aktualisiert am 24.06.2022Lesedauer: 6 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Ein Skater springt auf eine Rampe: Bei der Skate Week in Frankfurt wird die Skateboard-Kultur gefeiert.Vergrößern des Bildes
Ein Skater springt auf eine Rampe: Bei der Skate Week in Frankfurt wird die Skateboard-Kultur gefeiert. (Quelle: Sophie Vorgrimler/t-online)

Fünf Tage lang dreht sich bei der Frankfurter Skate-Week alles um das Skateboard und die dazugehörige Kultur. Auf der Hauptwache zeigen Skater ihre Tricks und Styles.

Keine Haute Couture weit und breit. Wer mitgedacht hat, der trägt auf dem Mode-Event an der Frankfurter Hauptwache am Donnerstagnachmittag: einen Anglerhut. Denn die Sonne brennt auf die grauen Betonplatten des Frankfurter Innenstadtplatzes. Gäbe es Schatten, es hätte dort gemäßigte 30 Grad. In der Skate-Mode ist die Funktionalität ebenso wichtig wie die Optik. Auf einem Hindernis aus Pressspanplatten ist zu lesen "SKTWK". Seit Dienstag macht in Frankfurt die Skate-Week halt – in Kooperation mit der aktuell stattfindenden Frankfurt Fashion Week.

Ganz langsam rollt ein Mann auf seinem Board, dann bringt er sich mit wenigen festen Tritten auf Geschwindigkeit, bevor er zum großen Sprung ansetzt. Die Menge – zwischenzeitlich knapp 200 größtenteils junge Menschen – applaudiert und grölt, als er wieder auf seinem Board landet und entspannt weiterrollt, als hätte er nicht eben noch für eine kurze Sekunde fast zwei Meter über dem Boden geschwebt, während sein Board sich einmal um sich selbst gedreht hat. Auf dem Rücken seines T-Shirts steht: Hauptsache Hauptwache. Ein ausverkauftes, limitiertes Bekleidungsstück eines Frankfurter Skateshops in Kooperation mit HWC, der regionalen Skate-Crew Hauptwache Clan.

"Die Frankfurter Hauptwache ist sehr ikonisch für die Frankfurter Skate-Szene, für die Szene deutschlandweit eigentlich", begründet der Moderator die Auswahl des ersten Skate-Spots der Woche. Hier haben Frankfurts Skater schon Ende der 80er Jahre den guten Boden und die vielen Treppen und Sitzgelegenheiten als inoffiziellen Skatepark liebgewonnen.

"Hier skaten jetzt die Töchter und Söhne der ersten Generation"

"Es gibt immer wieder das Gerücht, dass die Hauptwache umgestaltet werden soll", sagt der 30-jährige Marius aus dem Rhein-Main-Gebiet, der auch mal einen Schnürsenkel zum Gürtel macht. "Die Skate-Szene ist da total dagegen." Die Hauptwache habe für die regionale Szene historische Bedeutung und sei ein wichtiger urbaner Treffpunkt. "Hier skaten jetzt die Töchter und Söhne der ersten Generation."

Später am Tag geht es weiter vor das Historische Museum in der Neuen Altstadt. Außerhalb der Skate-Week wird es nicht gerne gesehen, wenn Geländer und Treppe dort für Kunststücke auf dem Skateboard umfunktioniert werden. Am frühen Abend geht das Programm im großen Skate-Park am Osthafen am Fuße der Europäischen Zentralbank weiter. Etwa 30 Menschen haben sich für diese erste Session angemeldet, eine dreiköpfige Jury bewertet die Sprünge: "Es geht um nicht weniger, als King oder Queen der Skate-Week zu werden", sagt der Moderator. "Der Applaus ist der Lohn des Skaters." Und ein guter Look unterstützt die nötige Selbstsicherheit, sagen hier viele.

Es ist nicht zu übersehen: Hier wird Mode gemacht. Wer spontan an der Absperrung Halt macht, um den sportlichen Höchstleistungen zuzusehen, fällt sofort auf. Denn wer zur Szene gehört, hat sein Board dabei und ist von Schürfwunden gezeichnet. Flache Turnschuhe mit Gummisohle, ausgefallene, hochgezogene Socken. Bunte gemusterte Hemden, in Jeanshosen eingesteckte Basketball-Shirts oder Pullunder. Witzige, kleine Tattoos, geflochtene Zöpfe. Verschiedenste Frisuren, aber keinesfalls akkurat.

"Meine Mama sagt immer, dass ich Müll trage", sagt der 23-jährige Alex aus Wiesbaden, auf dessen fliederfarbenem T-Shirt Chanel zu lesen ist. "Das habe ich aus dem Schrank der Großmutter meiner Freundin. Das müsste aus den 70ern sein, das hat noch diesen breiten Kragen." Ob er sich für Mode interessiert? "Ich gebe kein Geld für Kleidung aus. Das meiste habe ich aus einem Kostümfundus oder es sind aussortierte Stücke, die ich an der Straße gefunden habe." Sein Tipp: Immer bei 60 Grad waschen, sonst stelle sich der Bettwanzen-Blues ein.

Diverse Mode: "Jeder skatet seinen eigenen Style"

Auch der Freundeskreis um Benno, Markus, Philipp, Philip, Felix und Max kann die Fashion-Frage einhellig bejahen. Sie kommen für die Skate Week aus Südhessen, Mannheim und Heidelberg in Frankfurt zusammen. "Frankfurt ist schon bekannt für eine gute Skate-Szene." Auch sie haben manches Second Hand erstanden, tragen aber größtenteils gängige Skate-Marken. Mehrere aus der Gruppe arbeiten in Skate-Shops oder haben ein Sponsoring.

Modisch gefällt der Gruppe vor allem die Diversität der Szene. "Jeder skatet seinen eigenen Style", sagt der 31-jährige Philip, der einen Safarihut aus Tansania mit Volkom-Kleidung kombiniert. Das gelte für die Sportart selbst, aber auch für die Musik – oder eben die Outfits. "Manche Brands stehen für einen rabiateren Fahrstil, andere sind eher Hip-Hop-lastig, wieder andere fahren einen cleanen Look." Trotzdem sei man eine Szene.

"Die Skate-Kultur ist für alle offen, politisch steht sie aber eher links", sagt Felix aus dem Raum Mannheim. Auf seinem T-Shirt: Ein Mann, der Döner schneidet, dazu der Schriftzug: "Nazis sind haram". "Mit seinem Style kann man sich selbst ausdrücken. Die Klamotten müssen aber auch robust sein", sagt der 20-jährige Markus aus Heppenheim. Seine Schuhe sehen wirklich getragen aus.

"In diesem Zustand würde ich wohl noch 50 Euro dafür bekommen." Es sind Nike SB Dunk. "Ein sehr guter Skate-Schuh." Neu gebe es diese Version kaum zu kaufen. Für manche Versionen campen sogenannte "Sneaker-Freaker" vor Skate-Shops, sie werden im vierstelligen Bereich im Internet angeboten, bei Skate-Contests werden Kaufrechte verlost. "Manche Snobs stellen sie sich ins Regal, aber wir fahren den Schuh", sagt Philip. "Das beschreibt die Skate-Kultur gut. Das ist sexy." Dass sich große Modemarken wie Balenciaga oder Gucci bei der Skate-Mode bedienen, findet die Gruppe amüsant bis lächerlich. Sie erzählen von Prada-Skateboards und Skate-Schuhen von Armani.

Früher radikal, heute Mainstream

Nicht zuletzt liegt das auch an der extrem wachsenden Beliebtheit der Sportart. Durch Corona haben viele die Sportart neu für sich entdeckt: Es ist ein Outdoor-Sport, den man auch gut alleine oder mit genügend Abstand lernen kann. Seit 2020 ist Skaten offiziell eine olympische Sportart. "Für uns ist Skaten kein Wettkampfsport, uns geht es um den Fun", sagen Joanna und Sabrina. Sie sind aus München und Innsbruck für die Skate Week angereist. Lage- und saisonbedingt schrauben sie ihren Boards im Winter auch gerne die Rollen ab und "snowskaten" auf dem Schnee.

"Im Sommer trägt man wegen des Schweißes besser kein Plastik, und gegen Verletzung besser dickere Jeans", sagt die 23-jährige Joanna. Die beiden haben das Nötigste in kleinen Umhängetaschen bei sich. "Besser ist aber, man hat gar keine Tasche." Für das Event hätten sie sich extra gestylt: Turnschuhe, Baggypants, ein Bralette, das unter dem Crop-Top vorguckt. "Ein guter Style gibt einem auch die nötige Confidence", sagen sie. Die Szene empfinden sie als offen, jeder dürfe mitmachen. "Früher war Skaten radikal und Skater waren eine Randgruppe. Heute ist es kommerzieller und Mainstream." Skaten sei so angesagt, manche trügen ihr Skateboard auch nur als Accessoire herum.

Loading...
Loading...
Loading...

"Große Modemarken bedienen sich schon immer auch an den Subkulturen, auch an der Skate-Szene", sagt Marc aus Köln. Er ist fester Teil des Orga-Teams der Skate-Week, die seit 2018 in verschiedenen Städten Halt gemacht hat. Für ihn ist es keine Frage, dass Mode sowie Kunst Bestandteil der Skate-Kultur sind – und die Kooperation mit der aktuellen Frankfurter Fashion Week naheliege. Teils nehme das auch elitäre Züge an. "Überspitzt gesagt: Da muss man nur mal die falsche Hose tragen und man ist raus."

Dafür habe die Skate-Kultur auch schon einige Trends hervorgebracht und sei modisch oft um zwei Jahre voraus. "Aktuell trägt man wieder weite Baggy-Pants", erklärt er, und das ist beim Blick in die Runde auch nicht zu übersehen. Als um 2010 Skinny Jeans aufkamen, hätten männliche Skater erst in der Frauenabteilung Stretch-Jeans shoppen müssen, bis die Labels nachgezogen haben. Aber auch jenseits großer Marken entstehe Mode.

"Jede Stadt hat ihre eigenen lokalen Crews, die auch im kleineren Stil Mode produzieren", sagt Marc. Für Frankfurt, weiß er, sei Frafimi Gallucci aktuell prägend – der Name ist zusammengesetzt aus Frankfurt, dem Stadtteil Gallus und der Modemarke Gucci. Und außerdem der Skate-Shop Bonkers in Sachsenhausen.

Mit Stil macht man die besten Tricks, aber Skate-Mode ist auch Sportkleidung. "Dass hier alle ihre Socken hochziehen, dient auch dem Schutz", sagt ein Zuschauer. "Das Brett fliegt dauernd gegen die Knöchel, deshalb fühlen sich unsere Schienbeine auch wie Brotmesser an." Aber Schienbeinschoner: eher nein.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website