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Silvester in Borna – OBM Urban: "Wer aufs Rathaus schießt, schießt auf uns"


Silvester-Randale in Borna
"Wer aufs Rathaus schießt, der schießt gegen uns alle"

InterviewVon Andreas Raabe

Aktualisiert am 14.01.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Oberbürgermeister Urban, Aufnahme vom Bornaer Markt am Silvesterabend 2023 (Collage)Vergrößern des Bildes
Oberbürgermeister Urban, Aufnahme vom Bornaer Markt in der vergangenen Silvesternacht (Collage): "Wir wollen dem Unrecht nicht weichen." (Quelle: Stadt Borna/privat)

Oliver Urban, Oberbürgermeister im sächsischen Borna, über die Silvester-Randale auf dem Marktplatz, seine Pläne für die Zukunft und darüber, was er von den Tätern denkt.

In der Silvesternacht kam es im sächsischen Borna zu Randale auf dem Marktplatz. Aus einer größeren Gruppe heraus sollen Feuerwerkskörper auf den Weihnachtsbaum und das Rathaus geschossen worden sein. Auch die eintreffende Polizei wurde mit Pyrotechnik beschossen, ein Streifenwagen beschädigt.

Die Polizei Leipzig spricht inzwischen von einer Gruppe von "30 bis 60 teilweise Vermummten", von der die Randale ausgegangen sein soll. Dies sagte ein Polizeisprecher am Freitag zu t-online. Sie sucht auf einem Fahndungsportal weiterhin nach Hinweisen und ermittelt wegen Landfriedensbruch. Zwei junge Männer seien direkt nach der Tat gestellt worden, berichtete der Sprecher.

Oliver Urban ist Oberbürgermeister in Borna und seit Bekanntwerden der Vorfälle ein gefragter Mann. Der in Leipzig geborene SPD-Politiker wurde im August 2022 OBM der kleinen Stadt, davor saß er mehr als 20 Jahre im Bornaer Stadtrat. Am Freitag sei er zur Zeugenaussage bei der Polizei geladen, erzählt er. Vorher beantwortet Urban ein paar Fragen von t-online.

Wie haben Sie die Silvesternacht in Borna erlebt?

Oliver Urban: Ich wohne etwa 400 Meter vom Marktplatz in Borna entfernt und war am Silvesterabend zu Hause. Ich war also nicht vor Ort, aber ich spreche natürlich mit den Bewohnern der Stadt. Kurz vor Mitternacht habe ich von Bekannten eine Nachricht aufs Handy bekommen: "Herr Urban, auf dem Marktplatz ist was los." Ich hörte von anderen, die an dem Abend in einem Lokal am Markt waren und feierten, dass die dort dann das Tor verrammelt haben. So richtig mit einem Balken – wie bei "Herr der Ringe".

Was haben Sie dann gemacht?

Ich allein wollte da nicht hingehen. Man hängt ja auch an seiner Gesundheit. Ich hörte, dass es wieder Attacken auf den Weihnachtsbaum gab. Der war auch in früheren Jahren öfter Ziel von Böllereien an Silvester. Wir hätten den Baum vorher auch abbauen können, damit er kein Ziel mehr ist. Wir haben das diskutiert. Aber wir wollen dem Unrecht nicht weichen.

Was wollen Sie jetzt tun?

Ich habe vorgeschlagen, dass es ab dem nächsten Silvester eine Böllerverbotszone in der Innenstadt geben soll. Und ich bin mir sicher, dass das auch klappt. Wir werden dann ein schönes städtisches Feuerwerk anbieten am Breiten Teich. In der Innenstadt wollen wir das aber einschränken.

Waren das mehrheitlich junge Leute dort auf dem Markt an Silvester?

Ich will kein Jugendbashing betreiben. Es waren mehr als 200 Menschen am Markt, die haben ja nicht alle randaliert. So wie ich das gehört habe, soll dort ein harter Kern von etwa 30 jungen Leuten gewesen sein, die außer Rand und Band gewesen sein sollen.

Die Polizei spricht inzwischen von 30 bis 60 Personen, die "teilweise vermummt" gewesen sein sollen und von denen der Beschuss des Weihnachtsbaumes, des Rathauses und der Polizei hauptsächlich ausgegangen sein soll. Meinen Sie die?

Ja, die Vermummten.

Mal ganz platt gefragt: Waren in diesem harten Kern, diesen 30 bis 60 Randalierern, Deutsche oder waren es doch eher Migranten?

Nach dem, was ich gehört habe, muss ich sagen, das waren mehrheitlich deutsche Jungs. Migranten spielten da keine oder eine untergeordnete Rolle. Ich denke schon, das ist ein deutsches Problem.

Was wissen Sie über angebliche "Sieg Heil"-Rufe, die eine Anwohnerin gehört haben will?

Ich habe das nicht wahrgenommen. Wenn sich das als wahr erweisen sollte, wäre das sehr traurig. Das Beschießen des Baumes und des Rathauses soll ja mehr als eine Stunde angehalten haben. Da müssen wir die gesellschaftlichen Ursachen suchen. Fest steht: Wer auf das Rathaus schießt, der schießt gegen uns alle. Wenn das einen rechtsextremistischen Hintergrund hat, dann fordert das uns umso mehr auf, etwas dagegen zu tun. Und das machen wir ja auch.

Gibt es in Borna ein Problem mit Rechtsextremismus?

Es gibt, wie überall, auch hier einen gewissen Prozentsatz an Menschen mit teilweise verfassungsfeindlichem Gedankengut. Für mich war bisher aber kein Schwerpunkt in Borna erkennbar. Das war in den Neunzigerjahren mal anders, die Soko Rex (eine Spezialtruppe der Polizei Sachsen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, Anm. d. Red.) hatte in Borna sogar eine Außenstelle. Es hat sich gelegt. Aber wir werden dem jetzt wieder nachgehen müssen. Wir werden alles tun, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt.

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir müssen überlegen, wie wir wieder rankommen an die Jugendlichen. Es soll endlich wieder aufsuchende Sozialarbeit in Borna geben, also Streetworker. Wir haben leider seit vielen Jahren keinen Streetworker mehr. Aber wir suchen jetzt einen. Es wird zudem bald ein Workshop starten zu "Migration, saubere Stadt und Drogenprävention" in Borna. Wir wollen mehr präsent sein mit unserem Ordnungsdienst. Wir haben unseren Schulsozialdienst und Vereine wie zum Beispiel "Bon Courage", die eine sehr gute Arbeit machen. Wir versuchen auch, den Jugendsport zu fördern, durch Steuererleichterungen und kostenfreie Nutzung von Turnhallen und Sportplätzen für Vereine.

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für die Randale?

Ich denke mir, dass Alkohol eine Rolle spielt, außerdem hatten wir jetzt zwei Jahre ein gedämpftes Silvester – jetzt durfte man wieder. Es gibt natürlich auch so etwas wie ein jugendtypisches Über-die-Stränge-Schlagen. Aber in dem Moment, wo jemand auf den Weihnachtsbaum und das Rathaus schießt – da steckt auch ein Stück Staatsverachtung drin. Die fordern uns ja heraus!

Das Rathaus ist ja der Ort, wo alle hingehen, wo wir überlegen, wie wir die Stadt schöner machen – und da gehen welche hin und schießen auf das Rathaus? Ich begreife das als Herausforderung, ich will dagegen etwas machen und nicht bloß weinen. Denn diejenigen, die das tun, die stellen uns alle infrage.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Oliver Urban
  • Telefonat mit der Polizei Leipzig
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