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Garmisch nach dem Schock – "Es ist stark, was wir leisten"


Bundesstraße nach Zugunglück wieder frei
Garmisch nach dem Schock – "Es ist stark, was wir leisten"

Von Christof Paulus, Jennifer Lichnau

10.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Einsatz- und Rettungskräfte nach dem schweren Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen (Archivbild): Fünf Menschen sind in dem entgleisten Zug gestorben, noch immer laufen Arbeiten an der Unglücksstelle.Vergrößern des Bildes
Zahlreiche Einsatz- und Rettungskräfte nach dem schweren Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen (Archivbild): Fünf Menschen sind in dem entgleisten Zug gestorben. (Quelle: Josef Hornsteiner/dpa)

Es geht voran an der Unglücksstelle von Garmisch-Partenkirchen. Die Bundesstraße ist wieder frei, Teile des Zuges sind abtransportiert, der Einsatz ist für viele beendet. Aber bis die Menschen und Helfer im Loisachtal den Unfall mit fünf Toten bewältigt haben, wird es dauern.

Sie sind vor allem müde, sagt Bernhard Schrallhammer über sich und seine Kollegen vom Technischen Hilfswerk in Garmisch-Partenkirchen. Seit fast einer Woche arbeiten Retter und Helfer an der Unglücksstelle auf der Zugstrecke nach München, auf der am vergangenen Freitag ein Zug entgleist ist. Die Verletzten im Zug waren nach einer Stunde gerettet, die fünf Toten in wenigen Stunden geborgen, auch die Bundesstraße am Unfallort ist inzwischen wieder freigegeben. Aber abgeschlossen hat hier noch lange niemand.

Noch immer laufen die Arbeiten hier im Dorf Burgrain. Bis zuletzt waren Schrallhammer und das THW dort im Einsatz. Die Wagen, zwei davon noch auf dem Gleis, die restlichen umgestürzt am Bahndamm hängend, mussten gesichert, anschließend die Strecke geräumt werden. "Wir waren tagelang auf den Beinen", berichtet Schrallhammer. Und freilich, bei einem Unfall mit Toten und vielen Verletzten ist klar: Das belastet nicht nur physisch.

Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen wird noch lange wirken

Am Freitag gebe es ein Treffen der Helfenden, sie wollen sich zusammensetzen und über das reden, was sie umtreibt: wie anstrengend der Einsatz war. Was sie gesehen haben. Und was sie denken. Doch ein Stück weit muss jeder mit den schlimmen Bildern auch selbst zurechtkommen, sagt Schrallhammer. Hinter den Einsatzkräften liegt eine Woche, die am Freitag mit einem Rätsel begann. Und eine Menge Arbeit mit brachte.

Das Rätsel, das ist bis heute die Frage, warum der Zug kurz nach dem Start in Garmisch-Partenkirchen auf dem Weg nach München entgleiste. Kurz nach Mittag ging der Alarm los, wenige Minuten danach war Herbert Maurus am Ort. Der Kreisbrandinspektor musste aus seiner Heimat Murnau rund 20 Minuten zur Unglücksstelle fahren, dort koordinierte er den Einsatz. "Das Erste, was ich mir beim Blick auf die Bahn gedacht habe, war: 'Wo ist der zweite Zug?'", erzählt er. Und kurz danach: "Oh, scheiße."

Als er die zerstörte Bahn gesehen hatte, war er von einer Kollision ausgegangen. Doch das ist eben nicht passiert: Der Zug entgleiste. Einen solchen Einsatz zu koordinieren, das bedeute: zu sagen, was zu machen ist, wie es zu machen ist, und wer es macht, sagt Maurus.

Die Feuerwehr habe Personen aus den Wagen geholt, manche befreit, anschließend diejenigen an das Bayerische Rote Kreuz übergeben, die eine Behandlung brauchten. Welches Gerät benötigt man? Wer braucht eine Ablösung? Auf all das habe er achten müssen, berichtet er.

Zugunglück in Bayern: Auf Helfer achtgeben

Eine kurze "Chaos-Phase" habe es gegeben, sagt er. "Aber die war zum Glück nur sehr kurz. Sonst hätten wir es nicht geschafft, in einer Stunde alle Passagiere aus dem Zug zu retten." Alle, die noch zu retten waren. Vier Frauen und ein Jugendlicher haben das Unglück nicht überlebt.

"Es ist wichtig, auf die eigenen Leute zu achten", sagt Maurus. Erfahrenere Teammitglieder seien es gewesen, die etwa die Toten geborgen haben. Aber "Alltagsgeschäft" sei das auch für sie nicht gewesen, sagt er, einige Leichen mussten freigeschnitten werden.

Ein Seelsorger habe an der Unfallstelle mit den Rettern gesprochen, das Kriseninterventionsteam kümmerte sich um traumatisierte Helfer. Und dann sei es auch wichtig, dass das Team sich zusammensetze, über den Einsatz rede, gerne auch "bei einer Halben Bier", wie Maurus sagt. "Es ist stark, was wir leisten", blickt er auf die Arbeit der rund 500 Helfer an der Unfallstelle: Die meisten von ihnen waren ehrenamtlich dort.

Bahnstrecke Garmisch-Partenkirchen nach München weiter gesperrt

Unverändert ist seit einer Woche die Situation am Bahnhof in Garmisch-Partenkirchen. Immer noch ist der Ort über Schienen von München aus nicht zu erreichen, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Während die benachbarte Bundesstraße am Mittwoch wieder freigegeben wurde, ist an und auf den Gleisen noch einiges zu tun.

Die Unfallstelle sei noch nicht freigegeben, sagt ein Bahnsprecher. Erst wenn das passiert, könnten Lok und Wagen über die Schiene geborgen werden. "Hierzu muss jedoch zunächst das Gleis instandgesetzt werden, damit unser Schienenkran zur Unfallstelle gelangen kann", erklärt er. "Die Instandsetzung des Gleisabschnittes soll im Laufe der nächsten Tage beginnen."

Warum ist die Werdenfelsbahn in Burgrain entgleist?

Die Polizei ermittelt weiterhin, denn warum der Zug an der Stelle entgleiste, die weder als auffällig noch gefährlich bekannt war, bleibt weiter unklar. Der Professor für das Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der TU Berlin, Markus Hecht, sagte der "Wirtschaftswoche", defekte Schienen seien die wahrscheinlichste Ursache. Ursache könne etwa ein Instandhaltungsfehler am Gleis sein. Gegen drei Mitarbeiter der Deutschen Bahn laufen Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung.

Immer noch stehen die zwei Wagen auf den Schienen bei Burgrain. Weggeräumt sind bisher nur die umgestürzten Wagen, unter größter Kraftanstrengung: Weil sie sich ineinander verkeilt hatten, konnten sie nicht einzeln vom Kran gehoben werden, sondern mussten erst getrennt und in Teile zerschnitten werden; jetzt lagern sie in einer Kiesgrube, wie der Bayerische Rundfunk berichtet. Es sind brutale Kräfte, die am Freitag gewirkt haben: auf Gleis und Zug, auf die Psyche der Bewohner und Helfer in Garmisch-Partenkirchen. Und der Unfall hat noch lange nicht aufgehört nachzuwirken.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches und Vor-Ort-Gespräch mit Herbert Maurus
  • Anfrage an die Deutsche Bahn
  • Telefonisches Gespräch mit Bernhard Schrallhammer
  • Bayerischer Rundfunk: "Nach Zugunglück: Umgestürzte Waggons zerteilt und weggebracht"
  • Nachrichtenagentur dpa
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