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Oktoberfest 2022 in München: "Ganz oder gar nicht"


Weiter Bangen wegen Corona-Lage
Warum das Oktoberfest immer noch scheitern könnte

Von Christof Paulus

16.06.2022Lesedauer: 5 Min.
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2022 soll das Oktoberfest nach drei Jahren Pause wieder stattfinden. (Symbolbild) Aber noch ist nicht klar, ob die Vorbereitung in der Corona-Pandemie wirklich klappen kann.Vergrößern des Bildes
2022 soll das Oktoberfest nach drei Jahren Pause wieder stattfinden (Symbolbild). Aber noch ist nicht klar, ob die Vorbereitung in der Corona-Pandemie wirklich klappen kann. (Quelle: Sven Simon/imago images)

Haben sich viele zu früh gefreut? Auch wenn in München die Vorbereitungen aufs Oktoberfest laufen, ist die Veranstaltung des Volksfests noch nicht in trockenen Tüchern. Gesundheitspolitiker Johannes Wagner aus Bayern erklärt, wie die Chancen stehen.

Noch drei Monate dauert es, bis das erste Oktoberfest seit drei Jahren wieder in München eröffnet wird. Davon gehen zumindest viele aus, die Stadt arbeitet schon an der ersten Durchführung seit Beginn der Corona-Pandemie. Doch Oberbürgermeister Dieter Reiter stellte kürzlich klar: Die Wiesn gibt es nur ganz oder gar nicht. Man könne Zugangsbeschränkungen schließlich "nicht vier Wochen vorher aus dem Hut zaubern", sagte er.

Und das heißt: Sollte die Corona-Lage sich bis zum Herbst wieder so verschärfen, dass Masken, G-Regeln oder Abstandsgebote zurückkämen, stünde das Oktoberfest auf der Kippe – wieder einmal. Doch könnte es wirklich so weit kommen? Der Coburger Johannes Wagner ist Arzt, hat während der Pandemie im Krankenhaus gearbeitet und sitzt seit 2021 für die Grünen im Bundestag. Er setzt auf einen klaren Plan – und keine falschen Versprechen.

Herr Wagner, am 17. September soll das berühmteste Volksfest der Welt starten. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hat nun allerdings angekündigt, dass das Oktoberfest nur stattfinden soll, wenn es keine Corona-Auflagen dort gibt. Das heißt also: Wiesn 2022, ganz oder gar nicht. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass in diesem Jahr wieder gefeiert werden kann?

Johannes Wagner: Das ist total schwer vorherzusehen. Erfahrungsgemäß sinken die Fallzahlen im Sommer, das ist bei allen Atemwegserkrankungen so. Allerdings gibt es Varianten, die so ansteckend sind, dass wir wieder einen Anstieg der Zahlen sehen könnten – womöglich schon im Sommer, wenn diese Varianten sich weiter ausbreiten. Natürlich haben viele Menschen durch Impfungen oder auch eine durchgemachte Infektion einen guten Schutz vor schweren Verläufen, wie lange dieser Schutz aber reicht und ob neue Varianten diesen Schutz umgehen können, ist aber nicht final geklärt. Der Sommer bietet also durchaus noch die Möglichkeit für Überraschungen, positiv wie negativ.

Und bis zum Oktoberfest dauert es noch lange.

Daher ist es so unglaublich schwer, exakte Vorhersagen zu treffen. Und ebenfalls schwer ist es, bei einem so großen Volksfest Auflagen einzuhalten. Schon die Eingangskontrollen stellen die Stadt vor die Frage, mit welchem Aufwand man Zehntausende Menschen täglich kontrollieren müsste – und die Kontrollen sind wohl noch das geringste Problem. Im Zelt wird es für das Personal dann unzumutbar, zwischen angetrunkenen Gästen Hygienemaßnahmen durchzusetzen. Da kann ich die Aussagen des Oberbürgermeisters gut nachvollziehen: entweder ganz oder gar nicht. Ich finde es wichtig, dass wir keine falschen Versprechen machen. Und eine Prognose ist gerade noch ganz schwer.

Immer wieder haben Lobbygruppen versucht darzulegen, dass ihre Anliegen keine Pandemietreiber seien. Auch viele Wirte setzen sich dafür ein, die Maßnahmen in der Gastronomie zu lockern. Für wie riskant halten sie ein Volksfest wie die Wiesn, wenn es um die Frage geht, ob sie ein Infektionsherd werden könnten oder nicht?

Alle wissenschaftlichen Daten, die mir vorliegen, deuten in eine Richtung. Und auch in vielen Fachgesprächen, die wir im Bundestag hatten, wurden Volksfeste immer wieder als Pandemietreiber genannt. In geschlossenen Räumen mit schlechter Luftzirkulation – das kann auch ein Zelt sein – und dann auch noch viele feiernde Menschen, da ist das Infektionsgeschehen extrem groß.

Mögliche Varianten und Mutationen haben Sie schon angesprochen, einige davon grassieren schon in anderen europäischen Ländern – etwa in Portugal. Wie beurteilen Sie da die Lage, dass diese auch hierzulande das Infektionsgeschehen noch einmal verändern könnten?

Diese Varianten, die teils ansteckender sind, können das Infektionsgeschehen hier auch wieder nach oben treiben. Den saisonalen Effekt darf man zwar nicht unterschätzen, weshalb wir wohl keine Zahlen wie im Winter erreichen werden, aber eine Sommerwelle ist nicht auszuschließen. Nach aktuellem Wissensstand ähneln die neuen, sehr ansteckenden Varianten zum Glück eher dem Krankheitsverlauf der aktuellen Omikron-Variante, das heißt: Sie können gerade Ungeimpfte und Vorerkrankte schwer krank machen, sind aber nicht so gefährlich wie die Delta-Variante. Dass wir deshalb im Sommer erneut eine Überlastung des Gesundheitssystems erleben, glaube ich nicht. Was im Herbst passiert, ist aber eine spannende Frage.

In den Köpfen vieler scheint die Pandemie vorbei oder vergessen zu sein. Wie hinderlich ist das bei der Aufgabe, das Land auf mögliche neue Wellen vorzubereiten?

Für Menschen, die dreimal geimpft sind, ist das Risiko ja tatsächlich gering, schwer an aktuellen Covid-Varianten zu erkranken. Daher kann ich es gut nachvollziehen, wenn man sich hat impfen lassen und seinen Teil beigetragen hat, dass man jetzt den Sommer genießen möchte. Mir geht das ganz ähnlich. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man auf Konzerte oder Festivals geht und sich mit Freunden trifft. Sozialer Kontakt ist sogar wichtig und gut für die mentale Gesundheit. Und viele haben sicher im Hinterkopf, dass man die Lage immer wieder neu bewerten muss. Uns macht es auch keinen Spaß, in der Politik Auflagen zu erlassen.

Wir sind im kontinuierlichen Kontakt mit Fachmenschen aus der Medizin. Wenn das Oktoberfest stattfinden kann, würde mich das auch freuen. Wenn wir aber merken, die Lage gibt es nicht her, dann werden wir das auch so kommunizieren. Zuvor ist es unsere politische Aufgabe im Bundestag, einen rechtlichen Werkzeugkasten zur Verfügung zu stellen, auf dessen Grundlage überhaupt Maßnahmen ergriffen werden könnten. Die aktuellen Regelungen laufen aus, weshalb wir uns da noch im Sommer kümmern müssen.

Sie sprechen es an: In der Ampelkoalition gibt es mit der FDP einen Partner, der am liebsten alle noch verbliebenen Maßnahmen so schnell wie möglich beenden möchte. Das aktuelle Infektionsschutzgesetz verliert am 23. September seine Gültigkeit. Wie viel Hoffnung haben sie, eine Verlängerung der Corona-Regeln gegen den Willen der FDP durchzusetzen?

Es ist wichtig, dass man das nicht parteitaktisch bewertet, sondern auf die Mediziner und Virologinnen hört, die sich auskennen. Und da ist etwa der Expertenrat der Bundesregierung klar: Wir brauchen einen Werkzeugkasten, der Rechtssicherheit gibt im Fall der Fälle. Ich verstehe den Wunsch, Klarheit zu haben und nie wieder Maßnahmen zu fordern, aber das ist keine gute, wissenschaftsbasierte Politik. Abzuwägen ist anstrengend, für die Bevölkerung, die Gastronomie oder die Politik, aber das einzig ehrliche und gute Vorgehen.

Wir haben schon mehrfach gemerkt, dass eine Politik, die sich zu voreiligen Versprechen hinreißen lässt, am Ende zurückrudern muss und an Glaubwürdigkeit verliert, etwa mit Aussagen, wann die Pandemie vorbei sei. Aufgabe der Bundesregierung ist es aber, Rechtssicherheit zu schaffen und Chaos zu verhindern, wenn wir wieder Maßnahmen bräuchten. Da erwarte ich auch von unserem liberalen Koalitionspartner, dass er wissenschaftliche Argumente ernst nimmt.

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Kommen wir zurück nach München und zum Oktoberfest: Eine Prognose halten Sie ja für schwer, aber wann kann man die Lage denn besser einschätzen und sagen, es klappt – oder es klappt doch nicht?

Wir werden das Infektionsgeschehen weiter engmaschig beobachten. Natürlich darf man nicht ewig warten. Wenn man noch mal eingreifen müsste, gilt der Grundsatz: "Hit hard and early", also früh und entschlossen handeln. Es ist daher nicht ganz auszuschließen, dass man auch kurzfristig zuvor sagen müsste: Nein, leider doch nicht. Aber ich erwarte schon, dass wir Ende August, Anfang September mit Sicherheit besser wissen, welche Varianten zirkulieren und wie sie sich auswirken. Dann kann man mit Sicherheit schon viel besser absehen, ob das Oktoberfest stattfindet oder nicht.

Johannes Wagner ist Arzt und sitzt für die Grünen im Bundestag (Archivbild): Der Coburger hofft auf eine Rückkehr des Oktoberfests, aber versprechen will er nichts.
Johannes Wagner ist Arzt und sitzt für die Grünen im Bundestag (Archivbild): Der Coburger hofft auf eine Rückkehr des Oktoberfests, aber versprechen will er nichts. (Quelle: Stefan Kaminski)

Zur Person

Johannes Wagner ist 31 Jahre alt und vertritt den Wahlkreis Coburg in Franken im Bundestag. Dort ist er unter anderem Mitglied des Gesundheitsausschusses. Der Grünen-Politiker ist studierter Mediziner und arbeitete in Coburg in der Kinderklinik.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Johannes Wagner
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