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Wiesn in Frankfurt und Co.: Die peinlichsten Oktoberfest-Kopien Deutschlands


Klischee und Sprachverhunzung
Das sind die peinlichsten Oktoberfest-Kopien Deutschlands

MeinungVon Christof Paulus

Aktualisiert am 15.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Der Kotzhügel, die größte Peinlichkeit des Münchner Oktoberfests (Archivbild). Doch das hält andere Städte nicht davon ab, das riesige Bierfest zu imitieren, meist mehr schlecht als recht.Vergrößern des Bildes
Der Kotzhügel, die größte Peinlichkeit des Münchner Oktoberfests (Archivbild): Auch er hält andere Städte nicht davon ab, das riesige Bierfest zu imitieren. (Quelle: Michael Westermann/imago-bilder)

Ist Fasching jetzt schon zwei Mal jährlich? Auch im Herbst feiert man inzwischen überall im Kostüm und nennt das Oktoberfest. Wo sich das nicht lohnt.

Dirndl, Lederhose und große Biere, mehr braucht es nicht für ein Oktoberfest. Zumindest scheint das ein Großteil der Republik im Herbst zu denken, wenn – noch bevor Münchens Oberbürgermeister das Original eröffnet – in allen Regionen des Landes und darüber hinaus Kopien des Volksfests gefeiert werden. Manche geben sich dabei wirklich Mühe. Andere bieten nicht mehr als eine billige Nachmache.

Dabei ist an Volksfesten außerhalb Bayerns gar nichts auszusetzen. Weder haben die Bayern das Feiern erfunden, noch ist es verboten, so Spaß zu haben, wie es einem gefällt. Doch wer sich, wie kürzlich Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, derart aus dem Fenster lehnt und seinem bayerischen Kollegen Markus Söder empfiehlt, in Frankfurt das Oktoberfest "mal richtig" zu erleben, der muss auch damit rechnen, etwas genauer betrachtet zu werden.

Oktoberfest Frankfurt

Und in Frankfurt sieht das so aus: Da gibt es am Eingang einen Trachtenverleih, denn mottogemäße Kleidung ist Pflicht – als sei ein Oktoberfest eine Kostümparty. Dass eine Einlasskontrolle mit Dresscode so gar nicht zu der Idee eines Volksfestes passt, ist offenbar keinem aufgefallen. In München wiederum würde es niemanden stören, wenn man in Jeans, T-Shirt und Pullover auf die Wiesn geht.

Und in München käme auch niemand auf die Idee, Eintritt für das Festgelände zu nehmen. In Frankfurt kostet es jedoch mindestens 50 Euro, um ins Zelt zu kommen, ein echtes Festgelände außerhalb des Zeltes gibt es nicht. Was als Volksfest verkauft wird, ist eigentlich eher Fasching im Herbst. Kein Wunder, dass es sogar in Hessen einen zweifelhaften Ruf hat – egal, was Boris Rhein sagt.

Wandsbeker Wiesn

Immerhin, das Doppel-W-Wortspiel ist gelungen. Doch während Hamburg eigentlich – vom Fußball mal abgesehen – genug Grund hat, selbstbewusst als "Tor zur Welt" aufzutreten, begnügt man sich beim Volksfest in bayerischer Tradition mit einem billigen Abklatsch, der weder für Norddeutsche noch für Süddeutsche irgendwie authentisch sein kann. Und wie in Frankfurt geht auch hier wieder nichts ohne Eintritt. Dass bayerische Volksfeste zwar eine Gelddruckmaschine sind, auf der Gäste Hunderte Euro lassen können, aber eben auch für ein paar Münzen einen schönen Tag mit Kindern haben können – das scheint sich noch nicht jenseits des Weißwurstäquators herumgesprochen zu haben.

Was man dafür aus Bayern übernehmen will: Die Sprache. "Mordsgaudi", "Schmankerln" oder "Maßbier" verspricht der Veranstalter. Dabei heißt es auch im Plural meist "Schmankerl", in einer Maß ist immer Bier und eine "Mordsgaudi" sagt man vielleicht schon mal in Bayern – doch das Wort ist mehr Klischee als Umgangston. So steht jetzt schon fest: Gäbe es eine Kopie der Reeperbahn im Süden, sie wäre bestimmt näher dran am Original als die "Wandsbeker Wiesn" am echten Oktoberfest.

Bremer Freimarkt

Eigentlich gibt es hier nicht viel zu motzen aus bayerischer Sicht: Der Bremer Freimarkt stellt – obwohl er anders als die Wiesn vollständig im Oktober stattfindet – gar nicht den Anspruch, eine Oktoberfest-Kopie zu sein. Es gibt Fahrgeschäfte, der Markt kostet keinen Eintritt und ist fast 1.000 Jahre alt – das kann das Münchner Oktoberfest mit seinen knapp 200 Jahren nicht bieten.

Umso mehr fragt man sich: Was hat die Bayernfesthalle auf dem Freimarkt zu suchen? Eine mobile Veranstaltungshalle, Festzelt zum Mieten, in dem man auch im höchsten Norden auf Bayern machen kann. Das passt sicher gut auf den Dorfplatz einer Kleinstadt, in der sonst nichts los ist. Doch man sollte meinen, der Freimarkt und Bremen hätten den Bayern-Abklatsch nicht nötig. Den gibt es ja eh zweimal jährlich in der Bundesliga.

Heidelwiesn

Hier in Heidelberg fängt es ja schon mit dem Namen an. Der ist bestenfalls gut gemeint, aber wenig gelungen. Hinzu kommen die bekannten Probleme aus anderen Städten: Kein Angebot für Kinder, horrender Eintritt und diverse Fehltritte (es heißt Obazda, nicht Obatzda, und Weißwürste isst man am Vormittag, während die Heidelwiesn erst um 17 Uhr öffnet). Aber das alles wäre nicht so schlimm, wüsste man hier nicht eigentlich, wie man feiert.

Denn die Region an Rhein und Neckar ist wirklich nicht bekannt für Bier, sondern für Wein. Und drum gibt es hier auch immer wieder Weinfeste, die besser sind, als man sie in München je feiern könnte. Warum dann ein Oktoberfest-Abklatsch, der auch noch bis in den November geht, wenn man mit kurzer Lederhose oder Dirndl frieren muss? Man kann sich ja ein Beispiel an Bayern nehmen: Indem man eben so feiert, wie man es kann.

Saarländische Wiesn

In Saarbrücken warb man vor zehn Jahren mit dem Slogan: "Im Feiern besser als Bayern." Es ist nicht allzu gewagt, zu sagen: Das war gelogen. Überall im kleinsten Bundesland gibt es im Oktober Partys, die sich Oktoberfest nennen, aber nicht mehr bieten als Mallorca-Musik, Bier in großen Krügen und ein paar traditionelle Verkleidungen. Auch Fasching ist im Südwesten äußerst beliebt, ohne den Hochburgen Mainz, Düsseldorf oder Köln das Wasser reichen zu können. Will man beim Oktoberfest ähnlich dastehen?

Münchner Oktoberfest

Aber auch das Original darf in der Liste nicht fehlen. Denn so schön die Idee, ein Volksfest mit guter Stimmung und besonderer Kleidung zu feiern, einmal war und, wie man in anderen bayerischen Orten sehen kann, immer noch ist – so wenig ist hier noch davon übrig.

Das Bier kostet fast 14 Euro, überall liegen Alkoholleichen herum, die Stadt ist überflutet von Touristen und billigen Trachten-Imitaten. Für München und die Gastronomie ist die Wiesn eine Gelddruckmaschine, und mächtig stolz ist man natürlich auch darauf, das berühmteste Volksfest der Welt auszurichten. Auch wenn das für viele Gäste auf einer Wiese endet, die man "Kotzhügel" nennt.

Verwendete Quellen
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