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Aktivisten kleben sich an teurem BMW fest: Es ist ein richtiges Zeichen


Kleben fürs Klima
Es muss weh tun, sonst bringt es nichts

MeinungVon Jennifer Lichnau

Aktualisiert am 31.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Die Aktivisten der Gruppe "Scientist Rebellion" in der BMW-WeltVergrößern des Bildes
Die Aktivisten der Gruppe "Scientist Rebellion" in der BMW-Welt (Quelle: Scientist Rebellion)

Die Kritik an den radikalen Klimaprotesten zeigt: Die meisten haben den Klimawandel und seine Folgen nicht verstanden. Erst recht ein Grund für den Protest.

Kartoffelbrei oder Tomatensuppe, die gegen historische Gemälde klatschen. Passanten, die Klimaaktivisten schimpfend von der Straße zerren. Polizisten, die auf Knien versuchen, festgeklebte Aktivisten mit Lösemittel von der Straße zu bekommen. Kein Zweifel, der Klimaprotest von Gruppen wie die "Letzte Generation" oder "Scientists for Future" wird immer radikaler. Aber das muss er auch. Der Protest muss weh tun, sonst bringt er nichts.

Und wer glaubt, der Klimawandel betreffe ihn persönlich nicht, wägt sich in falscher Sicherheit. Die Generation, die sich gerade radikalisiert, hat es satt, ignoriert zu werden. Und klar, wenn Straßenblockaden fürs Klima einen Krankentransport behindern, wie am Montag in Berlin geschehen, und damit ein Menschenleben gefährden, ist die Kritik an der Protestform nachvollziehbar.

Aktivistin hat "gigantische Angst" vor dem Klimakollaps.

Aber die Menschen, die da sitzen, haben Angst. Angst vor einer Welt, in der das Klima alles zerstört. Angst vor einer Welt, in die man keine Kinder mehr setzen will. Carla Hinrichs zum Beispiel, die Aktivistin der Protestbewegung "Letzte Generation" sagte in einem Interview mit dem NDR, sie habe "gigantische Angst" vor dem Klimakollaps.

Auch die Aktivisten, die sich am Samstag in München an einen rund 170.000 Euro teuren BMW geklebt haben, tun dies aus Furcht vor den Folgen, die der Klimawandel weltweit haben wird. Auf Twitter schreiben sie zu ihrer Aktion: "Das Leben von Menschen ist in Gefahr, und die Regierung muss Klimaversagen zugeben."

Bei dem blauen M8 handelt es sich um ein Ausstellungsstück in der BMW-Welt in München. Ein futuristisches Gebäude, in dem man glänzende Autos mit jeder Menge PS bestaunen kann. Eine schicke Parallelwelt, in der es keinen Klimawandel zu geben scheint.

Es wirkt aus der Zeit gefallen, hochmotorisierte Autos, die nicht nur wahnsinnig schnell fahren, sondern auch extrem viel kosten, auf ein Podest zu stellen. Ganz ehrlich, wo, außer auf einer Rennstrecke, haben solche Autos irgendetwas zu suchen?

Wer Klimaaktivisten als Kriminelle bezeichnet, macht es sich zu einfach

Der Schaden, den die Aktivisten verursacht haben, beläuft sich nach Polizeiangaben auf mehrere Zehntausend Euro, er liegt also weit unter den 170.000 Euro, die der BMW kosten soll. Menschen kamen nicht zu Schaden, höchstens einige Polizisten ins Schwitzen, als sie die Aktion auflösen sollten.

Nach diesem Protest hat es nicht lange gedauert, bis der Unkenruf aus der Politik folgte:
CSU-Vize Hans Theiss habe in einer Anfrage die Stadtspitze zu einem raschen Handeln aufgefordert, berichtet die "tz". "Die sogenannten Öko-Aktivisten sind eigentlich Öko-Kriminelle", sagt Theiss demnach. Der Zweck heilige eben nicht die Mittel.

In diesem Fall tut er es eben doch. Es ist einfach, die Klimaaktivisten als Kriminelle zu bezeichnen und nicht die, die auf milliardenschweren Umsätzen sitzen und Gewinnsteigerung und Wohlstand über alles stellen, sogar über Menschenleben.

Was uns erwartet: Flutkatastrophen, Hitzewellen, Flüchtlingsströme

Und ja, eine funktionierende Wirtschaft, sichert auch Menschenleben. Aber nicht eine, an deren Gewinnen sich nur wenige bereichern und die gleichzeitig die ganze Welt mit den Klimafolgen belastet.

Ein Beispiel: Die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent sind für weniger als vier Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, bekommen die Folgen aber doppelt und dreifach zu spüren.

In Afrika sind 118 Millionen Menschen in Armut von Dürren und Fluten bedroht. Steigende Temperaturen, mehr Extremwetterlagen und veränderte Regenfälle verschärfen die Hungerkrise auf dem Kontinent und vertreiben Menschen aus ihrer Heimat. Das geht aus einem Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) aus dem Jahr 2021 hervor.

Die Folgen des Klimawandels tun weh und gefährden Menschenleben

Was bringt wirtschaftlicher Erfolg, wenn es in den kommenden Jahren so heiß wird, dass man gar nicht mehr arbeiten gehen kann. Oder, wenn das eigene Haus, die eigene Existenz mit der nächsten Flutkatastrophe davongespült wird? Erst im Sommer sind bei der Flut in Pakistan mehr als 1.600 Menschen gestorben, laut offizieller Zählung der "National Disaster Management Authority" (NDMA). Neun Millionen Menschen mussten nach Schätzungen ihre Häuser verlassen.

Die Folgen des Klimawandels tun weh und sie gefährden Millionen Menschenleben. Klar, bisher spüren die fatalen Folgen meist andere Menschen. Und das ist die Krux: Menschen ändern erst bereitwillig etwas, wenn es unbedingt sein muss. Wenn die Folgen des Klimas das eigene Leben so beeinträchtigen, dass es unbequem wird. Dann ist es aber zu spät. Deswegen muss es Menschen geben, die sich jetzt an Straßen und Bilder kleben, die jetzt unbequem sind.

Denn sie haben recht: Wer kann schon noch ins Museum gehen, wenn der Klimawandel zu Hitzewellen, Hungersnöten und Flutkatastrophen führt? Wer kann dann noch unbehelligt in seinem 170.000-Euro-BMW über die Landstraßen düsen und sich des Lebens erfreuen? Die Antwort ist ebenso einfach wie klar: niemand.

Verwendete Quellen
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