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Bürger wehren sich gegen den Leopard 2: Lärm raubt Münchnern den Schlaf


Bürgerinitiative gegen Rüstungskonzern
Laute Raubkatze: Der Leopard 2 raubt Münchnern den Schlaf


Aktualisiert am 21.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Ein neuer Panzer Leopard 2 A7V auf einem Kasernengelände (Symbolbild): In München-Allach prüft Kraus-Maffei Wegmann viele seiner Panzer.Vergrößern des Bildes
Ein neuer Panzer Leopard 2 A7V auf einem Kasernengelände (Symbolbild): In München-Allach prüft Kraus-Maffei Wegmann viele seiner Panzer. (Quelle: Daniel Karmann/dpa)

Seit 1964 werden Panzer in München auf ihre Tauglichkeit überprüft: Doch die dafür notwendige Strecke hatte nie eine Genehmigung. Der Lärm treibt Bürger auf die Barrikaden.

Wenn Gerhard Moosburger an einem schönen Sommersamstag auf seiner Terrasse sitzt und einen Kaffee genießen will, geht das seit Jahren nur mit "Begleitmusik". Leider ist die wenig harmonisch, mehr ein bis in die Eingeweide zu spürendes Brummen. Die Geräusche stammen von Panzern. Sie fahren wenige Hundert Meter von Moosburgers Haus entfernt, auf dem Firmengelände des Rüstungskonzerns Kraus-Maffei Wegmann (KMW). Seit 1964 betreibt das Unternehmen im Norden seines Werksgeländes eine Panzerteststrecke für Rad- und Kettenfahrzeuge. Dort reißen die stählernen Raubkatzen Kilometer ab. Starten, wenden, donnern über den Untergrund.

Und seit einigen Jahren kämpft Moosburger gegen die Strecke an. Er gründete die Bürgerinitiative "Schule statt Panzer". 2020 reichte man eine Petition beim bayerischen Landtag ein. Anwälte der Initiative haben das Münchner Referat für Klima und Umwelt (RKU) dazu aufgefordert, die Panzerteststrecke von Krauss-Maffei Wegmann stillzulegen. Denn die Strecke ist nie offiziell genehmigt worden.

Als die Strecke 1964 gebaut wurde, gehörte das Gelände am nördlichsten Stadtrand von München zu den am wenigsten bebauten Flächen der Stadt. Heute ist es ein belebter Stadtteil, wie überall in München gibt es zu wenig Wohnraum. Rund um die Panzerprüfstrecke sind Tausende Wohnungen entstanden.

Der Ukraine-Krieg lässt das Interesse an Panzern wachsen

Nun hat Moosburger lange vor dem Ukraine-Krieg begonnen, gegen die Panzerprüfstrecke vorzugehen. Anfangs hielt sich der Wirbel in Grenzen. Panzer waren kein Gesellschaftsthema. Doch jetzt? Mit dem Krieg in der Ukraine? Muss man es da nicht aushalten, wenn Panzer fahren?

Gegenfragen von Moosburger: "Ich bin kein Pazifist, ich sehe durchaus die Notwendigkeit von Panzern. Aber müssen die in einem Wohngebiet herumbrettern und viele Liter Kraftstoff die Stunde verbrennen? Während nebenan Kitas gebaut werden? Und überall Wohnraum fehlt?"

Der gebürtige Münchner sagt, er wohne seit 1989 in Allach. Viele Jahre habe man von der Strecke kaum etwas gehört. Doch seit einigen Jahren sei der Lärm vom nahegelegenen Areal unerträglich geworden. Woran das liegt, wisse er nicht. "Sie spüren die Panzer bereits morgens in Ihren Eingeweiden. Unsere Gläser in den Küchenschränken stellen wir extra weiter auseinander, damit sie nicht ständig klirren." Wenn der Wind falsch stehe, müsse man vor dem Haus gegen den Lärm anschreien.

Kraus-Maffei Wegmann hält die Panzerprüfstrecke für unverzichtbar

Die Fronten scheinen verhärtet. Kraus-Maffei Wegmann möchte auf Nachfrage von t-online nichts mehr zu der Angelegenheit sagen. Ralf Ketzel, Geschäftsführer von KMW, warnte allerdings in einem Gespräch mit dem "Münchner Merkur", dass sein Rüstungsbetrieb ohne die Teststrecke "bestehende Lieferverpflichtungen beim Leopard 2 oder dem Puma nicht mehr einhalten" könne. Mittelfristig ginge es zudem um die Frage, wie Krauss-Maffei Wegmann seine Kompetenz und damit die Firma generell am Münchner Standort halten könne.

Fast ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werden Kapazitäten und Fähigkeiten westlicher Rüstungsunternehmen auch Thema auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) sein. Kraus-Maffei Wegmann wird aufgrund seiner Panzer sicher Gesprächsthema sein.

Aufträge hat das Unternehmen genug, nur nicht aus Deutschland: Die norwegische Rüstungsbeschaffungsbehörde (NDMA) hat bei KMW am Freitag, dem 17. Februar, 54 Leopard-2-Kampfpanzer in der neuesten Version A7 NOR bestellt. Die Fahrzeuge sollen von 2026 bis 2028 ausgeliefert werden, teilte KMW nach der Vertragsunterzeichnung mit. Es könnten noch weitere 18 Leopard 2 in dieser Version hinzukommen.

Heute setzt KMW vor allem auf Wartungsarbeiten beim Leopard

KMW ist Hersteller von Waffensystemen wie dem Kampfpanzer Leopard 2 und der Panzerhaubitze 2000. Mit mehr als 4000 Mitarbeitern bezeichnet sich das Unternehmen mit Sitz in München als Marktführer in diesem Segment in Europa. Seine Hochzeiten in der Produktion hat KMW aber vor langer Zeit erlebt: Im Kalten Krieg hat man jährlich etwa 300 Leopard-Panzer produziert, also etwa einen pro Arbeitstag.

Danach änderte sich das Geschäftsmodell: Zuletzt gab es ein Neubauprogramm in der Größenordnung von 50 Leopard-Panzern pro Jahr. Zudem gibt es ein Upgrade-Programm, bei dem 60 oder 70 Fahrzeuge pro Jahr auf einen moderneren Stand gebracht werden. Etwa 50 weitere Fahrzeuge kommen zur Instandsetzung, also zur Reparatur und Wartung. Und diese findet oft auf der Teststrecke in Allach statt.

Erst im Januar hatten Betriebsrat und Gewerkschaft eine Demonstration für die Prüfstrecke organisiert. Mehr als 1000 Menschen nahmen damals daran teil. Auch aus den Reihen der Münchner SPD wurde Unterstützung für den Rüstungskonzern und seinen Standort in Allach verkündet.

Nun muss sich das Münchner Referat für Klima- und Umweltschutz mit der Angelegenheit auseinandersetzen. Bis 2022 seien sowohl die Stadt München als auch der Konzern von einem "ordnungsgemäßen Betrieb der Panzerteststrecke" ausgegangen. Mittlerweile geht laut einer Sprecherin des städtischen Referats auch das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz davon aus, dass es bereits 1964 grundsätzlich einer Baugenehmigungspflicht bedurft hätte.

Der Betrieb der Panzerteststrecke ist wohl nicht "gänzlich illegal"

Die Sprecherin erklärt weiter, da aber diese Baugenehmigung nicht vorliege, falle die Anlage nicht, wie bisher angenommen, unter den Bestandsschutz. Dies habe zur Folge, dass das Genehmigungsverfahren wiederholt werden müsse und nun auch die Prüfung des Bauantrages beinhalte. Baurechtlich ist die Anlage nach Experteneinschätzung grundsätzlich wohl zulässig.

Und der Betrieb der Panzerteststrecke sei auch nicht "gänzlich illegal", weil erst eine Gesetzesänderung aus dem Sommer 2001 eine immisionsschutzrechtliche Genehmigung notwendig gemacht habe.

T-online liegen Unterlagen vor, die Antworten des Referats auf Beschwerden von Anwohnern beinhalten. Dabei ging es um eine kurzfristige Stilllegung der Prüfstrecke, bis die Causa endgültig geklärt ist. Das Referat begründete die Ablehnung dieses Ansinnens damals auch damit, dass in der geltenden Rechtsprechung das "Recht des Betreibers an der Ausübung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs umso stärker an Gewicht gegenüber dem öffentlichen Interesse zunimmt, je länger die Behörde eine formell illegale Nutzung geduldet hat". Also doch illegal? Und welche Chance hat die Bürgerinitiative dann überhaupt noch, nach Jahrzehnten des Betriebs auf der Strecke?

Moosburger erklärt, trotz der komplizierten Lage, der besonderen Brisanz des Streitobjekts, er fühle sich nicht, als würde er einen Kampf gegen Windmühlen führen. Er setzt nun auf das bayerische Verwaltungsgericht – aktuell stellt die Bürgerinitiative eine Materialsammlung für eine Klage fertig.

Eine Panzerprüfstrecke erhält wegen des russischen Angriffskrieges eine ganz neue Brisanz

Bis Unternehmen und Bürgerinitiative mit einer Entscheidung durch die zuständigen Behörden rechnen können, wird noch Zeit vergehen. Vor Mitte 2023 ist laut Klimareferat nicht damit zu rechnen. Derzeit laufen noch die Phasen der Öffentlichkeitsbeteiligung des Genehmigungsverfahrens: Zum öffentlichen Interesse gehören laut Referats-Sprecherin auch Zwecke der Landesverteidigung, daher wurde im laufenden Verfahren auch das Verteidigungsministerium hinzugezogen.

In den t-online vorliegenden Unterlagen antwortet das Referat auf das Ersuchen um Stilllegung explizit, diese Zwecke sind "im Kontext der derzeitigen politischen Lage bei der Angemessenheit einer Stilllegungsanordnung maßgeblich zu berücksichtigen". Mit Blick auf den Ukraine-Krieg, der bald ins zweite Jahr geht, ist das mögliche Aus einer Panzerprüfstrecke alles andere als eine lokale Angelegenheit.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Gerhard Moosburger
  • Schriftliche Unterlagen des Klima- und Umweltreferates
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