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Münchner Grüne Jamila Schäfer: "Die CSU ist sehr nervös und sogar aggressiv"


Jamila Schäfer (Grüne)
"Die CSU ist sehr nervös und sogar aggressiv"

InterviewVon Patrick Mayer

24.09.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Jamila Schäfer: Die 28-Jährige ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen.Vergrößern des Bildes
Jamila Schäfer: Die 28-Jährige ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen. (Quelle: Andreas Gebert)

Die Grünen kämpfen in München um alle vier Direktmandate. Im Interview mit t-online spricht die 28-jährige Bundestagskandidatin Jamila Schäfer über die Pläne ihrer Partei – und die Sorgen der CSU.

Traditionell gewinnt die CSU meist die Direktmandate in München. Jamila Schäfer von den Grünen sagt: "Zeit für einen Wechsel."

t-online: Frau Schäfer, die Bundestagswahl ist nah. Kribbelt es schon?

Jamila Schäfer: Ja, es kribbelt schon (lächelt). Die Vorfreude ist groß, möglicherweise bald in Sondierungsgespräche für einen echten Politikwechsel gehen zu dürfen.

In Bayern geht laut Website "election.de" der Großteil der 46 Bundestagswahlkreise an die CSU. Aber: Ausgerechnet die vier Direktmandate in München wackeln. Laut jüngster Umfragen von INSA und "wahlkreisprognose.de" könnten die Grünen alle für sich entscheiden.

Das ist eine große Verantwortung für uns Grüne. Ich bin in Hadern im Münchner Süden, in dem ich jetzt als Direktkandidatin antrete, aufgewachsen und mich hat schon immer gestört, dass wir von einem CSU-Hardliner im Bundestag vertreten werden. Es wäre großartig, die Vorherrschaft der CSU im Münchner Süden zu beenden.

Seit 1976 ging das Direktmandat im Wahlkreis München-Süd fast immer an die CSU.

Es gab einmal eine Unterbrechung, als 1998 ein SPDler gewählt wurde. Ansonsten war der Süden fest in der Hand der CSU. Es ist Zeit für einen Wechsel.

Warum wankt die CSU Ihrer Meinung nach ausgerechnet in München? Anders gefragt: Was wurde verschlafen?

Das Thema Wohnen ist für ganz viele Bürgerinnen und Bürger ein brennendes Thema. Mir schreiben jede Wochen Studierende, die hierherziehen und keine Wohnung finden. Ich habe den Eindruck, dass die Union sich hier um Antworten herumdrückt. Die Kommunen brauchen in dieser Frage mehr Unterstützung von der Bundesebene, um sozialen Wohnungsbau zu fördern. Viele Leute verstehen, dass wir uns keine Verzögerung mehr leisten dürfen.

In München verkaufte der CSU-regierte Freistaat Bayern im vergangenen Jahrzehnt tausende Wohnungen. Was wollen die Grünen?

Wir fordern ein Vorkaufsrecht zum Ertragswert für die Kommunen. Das macht Spekulationen auf dem Immobilienmarkt unattraktiver. Und Kommunen müssen die Möglichkeiten haben, selbst viele Wohnungen zu bauen und langfristig als Sozialwohnungen zu erhalten. Dadurch, dass die soziale Gebundenheit von Wohnungen nach einer bestimmten Zeit wegfällt, verlieren wir in München viele Sozialwohnungen.

Die Stadt kann mit ihren eigenen Einnahmen nicht ausreichend gegensteuern. Der Bund soll Kommunen wie München künftig stärker finanziell unterstützen, mit dem Ziel, mehr Wohnungen zu bauen. Und wir wollen endlich eine wirkungsvolle Mietpreisbremse ohne Ausnahmen. Das alles haben die Unionsparteien aktiv verhindert.

Um wie viele Wohnungen geht es?

Wir wollen in den nächsten zehn Jahren bundesweit zusätzlich eine Million neue Sozialwohnungen bauen.

München soll laut einer Studie der Stadt von aktuell 1,56 Millionen auf 1,85 Millionen Einwohner 2040 wachsen. Die Uhr tickt, oder nicht?

Absolut. Wir müssen endlich vorankommen. Es ziehen viele junge Familien nach München. Die müssen sich schon nach einem Kita-Platz umschauen, während das Kind noch im Bauch ist. Auch hier brauchen wir eine Bestandsaufnahme und einen Investitionsplan. Auch hier sind wir hinten dran. Dasselbe gilt für die Altenpflege. Die Bundespolitik muss anschieben, dass es vor Ort gelingt, auch in München.

München wird ein großes Selbstbewusstsein nachgesagt. Die Stadt gilt als vergleichsweise wohlhabend.

Es stimmt nicht, dass München nur reich ist. Wir haben hier viele Menschen, die sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können. Das ist ein großes soziales Problem. Wir müssen als Stadtgemeinschaft diese Herausforderungen zusammen angehen, mit unserem Münchner Selbstbewusstsein.

Zu ihrem Wahlkreis gehört das große Stadtviertel Giesing. Die Giesinger sind bekannt dafür, sich besonders gegen die Gentrifizierung zu wehren.

Giesing hat eine aktive Zivilgesellschaft, die will, dass das Viertel seinen Charakter nicht verliert, weil die Immobilienpreise und Mieten ins Unermessliche steigen. In Giesing spüren die Leute den Druck durch die Gentrifizierung. Manche Leute werden regelrecht aus ihren Wohnungen vertrieben. Ich finde es sehr gut, dass es unter den Anwohnern eine große Solidarität gibt, dass sie das nicht einfach akzeptieren wollen.

Sie auch nicht?

Wir haben in unserem Wahlprogramm aufgezeigt, was wir gemeinsam mit den Bürgern anpacken wollen, um die Spekulationsspirale in München zurückzudrängen. Und um dafür zu sorgen, dass die Menschen sich ihre Mieten leisten können.

Die Mietpreisbremse wies stets Schwächen und gesetzliche Lücken auf.

Auf Bundesebene kann man dafür sorgen, dass zum einen der Anstieg des Mietspiegels gedrosselt wird und zum anderen auch innerhalb des Mietspiegels Mieten nur noch um maximal 2,5 Prozent pro Jahr steigen dürfen. Das würde in München helfen die Mieten zu deckeln.

Und der Bund soll Städten wie München das Geld für den Bau neuer Wohnungen bereitstellen?

Wir hatten im Münchner Süden gerade einen Fall, dass die Kommune eine Fläche hätte kaufen können. Die Stadt hätte das Vorkaufsrecht gehabt, aber der Preis war, auch durch Spekulationen, schlicht völlig übertrieben. Viele Einwohner haben sich darüber geärgert. Genau dagegen soll ein langfristiger bedarfsorientierter Investitionsplan helfen. Niemand hat was davon, wenn die Kommunen sich verschulden und der Bund nicht bereit ist auszugleichen.

Wie kann es sein, dass diese lebensnahen Themen jetzt erst auf die Agenda kommen. Es klingt so banal.

Das stimmt, ich frage mich das auch. Es war absehbar, dass München viel mehr sozialen Wohnungsbau braucht. Beim Klimaschutz ist es dasselbe: Es ist fast nichts passiert. In Deutschland ist die Regierung in den vergangenen Jahren immer nur auf Sicht gefahren. Die Politik war nicht bereit, mal unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Mögliche Lösungen wurden einfach in die Zukunft geschoben.

Die Grünen haben in München die CSU offenbar nervös gemacht.

Man merkt, dass die CSU sehr nervös und teils sogar aggressiv ist. Politikerinnen und Politiker links der Mitte werden mit Stalin verglichen. Die CSU kann offenbar nur noch mit Warnungen vor kommunistischer Gewaltherrschaft Wähler mobilisieren – ihr sind die Ideen ausgegangen.

CSU-Chef Markus Söder hat zuletzt erklärt, seine Partei müsse vor der Bundestagswahl insbesondere um München kämpfen. Geht es bei der Landeshauptstadt um einen politischen Prestigesieg?

Es geht nicht um Prestige. Es geht darum, drastische Krisen wie den Klimawandel und die soziale Ungleichheit endlich anzugehen. Aber natürlich wäre es ein Zeichen, wenn wir eine Landeshauptstadt wie München direkt im Bundestag vertreten dürfen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jamila Schäfer
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