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Diskriminierung von Sinti und Roma: "Schamlosigkeit"


Diskriminierung von Sinti und Roma: "Schamlosigkeit"

Von dpa
14.12.2021Lesedauer: 3 Min.
Forschungsarbeit zur "Landfahrerzentrale" im BLKAVergrößern des BildesRomani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. (Quelle: Lennart Preiss/dpa/dpa-bilder)
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Die Diskriminierung der Sinti und Roma ist einer Studie zufolge auch nach dem Ende des Nationalsozialismus in bundesdeutschen Behörden fortgesetzt worden. Bei der 1946 gegründeten Landfahrerzentrale des heutigen Bayerischen Landeskriminalamtes (BLKA) habe man das Ende des Zweiten Weltkrieges und das Ende des NS-Regimes nicht als Bruch wahrgenommen, sagte am Dienstag die Historikerin Eveline Diener in München, die dazu in Kooperation mit der Behörde für ihre Dissertation an der Fernuniversität Hagen geforscht hat. "Es war schlicht und ergreifend kein Unrechtsbewusstsein vorhanden."

Ausdruck fand die Diskriminierung demnach in der 1946 errichteten Landfahrerzentrale, die erst 1965 unter zunehmendem öffentlichen Druck abgeschafft wurde. Hier seien Menschen unter der diffamierenden Fremdbezeichnung "Zigeuner" zentral erfasst worden, schreibt Diener. Der Begriff gilt heutzutage als diskriminierend und wird häufig mit dem Begriff "Z-Wort" umschrieben.

Bei der Landfahrerzentrale handele es sich um die "Zigeunerpolizei-Leitstelle" der Nazis, die in das 1946 neu gegründete Landeserkennungsamt versetzt worden sei, so Diener. Dokumente belegen nach Auskunft Dieners, wie stark das Personal der Landfahrerzentrale der NS-Ideologie verhaftet war. Gerade in der Anfangszeit seien zudem Vorerfahrungen "sehr erwünscht" gewesen. "Die Bezeichnung "Beamter alter Schule" taucht immer wieder in Beurteilungen auf, und zwar als sehr positiv", berichtete die Historikerin, die selbst am BLKA in der Kriminalprävention arbeitet.

Diener zufolge ging Bayern schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik besonders stark gegen Sinti und Roma vor. Das "Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen" von 1926 habe damals als radikalstes Gesetz im Deutschen Reich gegolten und habe im Nationalsozialismus weiter bestanden. 1953 sollte ein neues Gesetz her: Die Landfahrerverordnung. Hier habe man möglichst viel aus der alten Regelung übertragen wollen. Das Grundgesetz habe man dabei als "sehr hinderlich" betrachtet. Erst in den 1960er Jahren habe man sich davon distanziert, erklärte Diener.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, lobte die Arbeit zur Historie des BLKA und der Landfahrerzentrale. Die Bezeichnung "Landfahrer" sei ein Tarnbegriff gewesen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sei es in Wirklichkeit darum gegangen, eine Minderheit total zu erfassen, vom Kleinkind bis zum Greis. Er spricht von einer "Schamlosigkeit der Beamten nach dem Krieg". Sie hätten sich nicht gescheut, Häftlingsnummern aus Konzentrations- und Vernichtungslagern wie Auschwitz als Identifizierungsmerkmal zu verwenden. Auch nach 1965 seien Sinti und Roma in den Dateien weiter erfasst worden, nur mit anderen Kürzeln wie "hwAO - Häufig wechselnder Aufenthaltsort" oder "Mobile ethnische Minderheit".

Unter Verweis auf die rund 500.000 Sinti und Roma, die von den Nazis ermordet wurden, forderte Rose weitere Untersuchungen durch unabhängige Historiker und sprach auch die Entschädigungen für das erlittene Unrecht in der NS-Zeit an. Man habe systematisch versucht, die Leute von berechtigten Zahlungen auszuschließen. Obwohl sie Opfer des Holocaust waren, habe man gesagt, sie seien aus Gründen der Kriminalprävention in diese Lage gekommen, sagte Rose. Wie den Juden habe man auch den Sinti und Roma negative Eigenschaften unterstellt.

Nach Auskunft Dieners versorgte die Landfahrerzentrale nach dem Krieg die Entschädigungsbehörden mit Informationen, ob Betroffene aus polizeilicher Sicht Ansprüche hatten. Diese Äußerungen seien aber sehr selten zugunsten der Antragstellerinnen und Antragsteller ausgegangen. "Man hat sich im Gegenteil damit gebrüstet, dem Staat damit sehr viel Geld zu sparen", erklärte die Historikerin.

Das Landeskriminalamt will aus den Recherchen Lehren ziehen. So sollten Beamtinnen und Beamte schon in der Ausbildung für dieses Thema sensibilisiert werden, sagte BLKA-Präsident Harald Pickert. Rose appellierte an Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) und andere Polizeibehörden, diesem Beispiel zu folgen.

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