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Deutsche tanken im Ausland: "Die Leute werden narrisch"


Tanktourismus an der Grenze
Ausnahmezustand in Österreich: "Die Leute werden narrisch"

Von Jennifer Lichnau

Aktualisiert am 15.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Ukraine-Krieg: Die steigenden Spritpreise bereiten nun auch der deutschen Taxibranche zunehmend Sorgen. (Quelle: Reuters)

Leere Zapfsäulen und panische Autofahrer – die Stimmung an österreichischen Tankstellen in der Grenzregion zu Deutschland ist angespannt. Manchen geht schon der Diesel aus.

Irgendwann half alles nichts mehr: Mit Kabelbindern sperrte Romina Reinpold die Diesel-Zapfpistolen ihrer Tankstelle ab. Denn am Sonntagnachmittag hatte Reinpolds Tiroler Tankstelle plötzlich keinen Sprit mehr. Zu groß war der Ansturm auf die Tankstelle in der Grenzregion. Doch die Kabelbinder-Sperre half nicht: Einige Kunden rissen die Kabelbinder ab und versuchten, trotzdem zu tanken.

Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine sind die Spritpreise in die Höhe geschnellt, zuletzt mussten die Deutschen mehr als zwei Euro für den Liter Diesel zahlen.

"Die Leute haben Panik, nichts mehr zu bekommen", sagt Reinpold, "und das zu Recht." Der Treibstoff werde derzeit nicht nur teurer, sondern aufgrund des Ukraine-Kriegs auch knapper, sagt Reinpold. Laut ihres Lieferanten könnte es passieren, dass die Tankstellen nur mehr ein bestimmtes Kontingent an Treibstoff bekommen. Seit vergangenem Sonntag sind auch bei Reinpold die Preise über zwei Euro gestiegen. Günstiger als in Deutschland ist der Sprit trotzdem noch.

Aus München über die Grenze: Der Tanktourismus blüht

"Die Leute werden narrisch", sagt auch Hartwig Bamberger, Leiter der Kufsteiner Polizei. Kufstein, ein weiterer Grenzort, bekommt die Folgen des Tanktourismus ebenso zu spüren. Dabei steigen die Preise in Österreich auch immer weiter.

An diesem Freitag kostet ein Liter Diesel in Kufstein bereits über zwei Euro, ein Liter Benzin liegt knapp unter der Zwei-Euro-Marke. Am Wochenende würden die Tankstellen überrannt, sagt Bamberger. Die Tanktouristen reisen mit Kanistern an. Er kann das verstehen.

Spritpreis knackt auch in Österreich die Zwei-Euro-Marke

"Jeder muss schauen, wo er bleibt", sagt er. Und trotzdem ist es für die Anwohner in Kufstein anstrengend. "Die Nerven liegen blank", sagt Bamberger. Und das auf beiden Seiten der Grenze. Auf den Hauptstraßen stauen sich die Autos vor den Tankstellen, die Anwohner müssen Umwege fahren und schauen auf lange Autoschlangen vor ihrem Balkon. Da sind die Steuereinnahmen für Österreich ein schwacher Trost.

"Die Nerven liegen blank"

In der Tat profitiert Österreich vom Tanktourismus, sagt Martin Grasslober vom ÖAMTC, dem österreichischen Automobilclub. Schon vor dem starken Anstieg der Preise war es für Österreich von Vorteil, dass der Sprit im Land getankt und dann jenseits der Grenzen verfahren wurde.

Für die Menschen in der Region nehme die Belastung durch die aktuelle Situation trotzdem zu, sagt er, Steuereinnahmen hin oder her.

Die Tirolerin Tankstellenchefin Reinpold sagt, ihre Tankstelle schlage keinen Profit aus der Krise, da der Einkaufpreis gerade enorm hoch ist und die Gewinnspanne weiterhin nur bei ein paar Cent pro Liter läge. "Wir kaufen derzeit leider selbst zu Preisen ein, die ich in den letzten sieben Jahren als Prokuristin nicht erlebt habe", sagt sie.

Solche Spritpreise noch nie erlebt

Wegen der steigenden Preise fordern Verbraucher in Österreich und in Deutschland eine Spritpreisbremse oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf Kraftstoff. Für sie macht Michael Haberland mobil.

Er ist Präsident des "Verbands mobil in Deutschland e. V.". Seine Petition für eine Spritpreisbremse hat durch die aktuelle Krise extremen Zuwachs bekommen. Gestartet hatte er sie bereits im vergangenen Oktober – ohne zu ahnen, wie drastisch sich die Lage entwickeln wird.

In seiner Petition fordert Haberland eine Deckelung der Spritpreise bei 1,80 Euro für den Liter Diesel und zwei Euro für den Liter Benzin. Das sei laut ihm die einzige Möglichkeit, Familien, aber auch Unternehmer zu entlasten.

In Ungarn darf ein Liter Diesel beziehungsweise Superbenzin seit November maximal 480 Forint kosten, umgerechnet 1,35 Euro. Inzwischen wurde die Regelung von der ungarischen Regierung bis Mai verlängert. Die Tankstellen machen durch die staatlich festgesetzten Preise jedoch ein Verlustgeschäft.

Die Reaktion: Einige begrenzen die Menge des Kraftstoffs, die je Fahrzeug getankt werden kann, und andere haben sich ganz vom Markt zurückgezogen.

"Wir sind die teuersten in ganz Europa"

"Wir haben die teuersten Spritpreise in ganz Europa, das ist eine reine Gelddruckmaschine für den Staat", sagt Haberland. Die Forderung nach einem Tempolimit tut er als reinen Populismus der Koalition ab. 125.000 Unterschriften hat er bereits gesammelt.

Die Autofahrer, die nach Österreich fahren, versteht Haberland. „Der Tanktourismus blüht überall in den Grenzregionen“, sagt er. Das bestätigt Grasslober vom österreichischen Automobilclub. Die Österreicher an der Grenze zu Tschechien oder Ungarn fahren genauso über die Grenze, um Geld zu sparen. Wer über die Grenze nach Österreich fährt, sollte vorher die Preise vergleichen und abwägen, ob sich die Fahrt lohnt. Denn auch dort steigen die Preise und sind aktuellen Schwankungen unterworfen.

Wo das alles noch hinführen soll, wisse sie nicht, sagt Reinpold aus Scharnitz. Das liegt auch an der Unwägbarkeit des Ukraine-Krieges. Die Lage bleibt angespannt.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Romina Reinpold
  • Gespräch mit Prokuristin Tankstelle Scharnitz
  • Gespräch mit Hartwig Bamberger, Leiter der Polizei in Kufstein
  • Gespräch mit Michael Haberland, Präsident von Mobil in Deutschland e.V. Gespräch mit Martin Grasslober vom ÖAMTC
  • tagesschau.de: "Wie Europas Verbraucher entlastet werden sollen"
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