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"L'amour toujours" auf Erlanger Bergkirchweih verboten: Blinder Aktionismus?


Verbot von "L'amour toujours"
Ein Akt der Notwehr oder doch nur blinder Aktionismus?

  • Olaf Kern
  • Sven Sartison
Pro & KontraVon Olaf Kern, Sven Sartison

27.05.2024Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Gigi D'Agostino: Der italienische Musiker live bei einem Konzert.Vergrößern des Bildes
Gigi D'Agostino: Der italienische Musiker live bei einem Konzert. (Quelle: Imago/xDreamstimexPhotobunn)

Auf der Bergkirchweih in Erlangen wird das Lied "L'amour toujours" verboten. Eine Reaktion auf den rassistischen Missbrauch des Songs. Die richtige Entscheidung?

Ein Video aus einem Sylter Nobelclub sorgt für Entsetzen. Darin zu sehen und zu hören: Mehrere Party-Gäste, die zur Melodie des bekannten Songs "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino rassistische Parolen skandieren. Ein Vorfall, der hohe Wellen geschlagen und bereits erste Nachahmer gefunden hat.

Auf der Bergkirchweih in Erlangen kam es am Freitagabend zu einem ähnlichen Vorfall. Im Altstädter Schießhaus, dem Geburtshaus des Volksfestes, grölen zwei Männer "Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus", als der beliebte Partysong des italienischen DJs gespielt wird. Die Stadt und die Kellerwirte reagierten, beschlossen, das Lied nicht mehr auf der Bergkirchweih zu spielen.

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Am Montagmittag zog nun auch das Münchner Oktoberfest nach. Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner sprach sich ebenfalls für ein Verbot von "L'amour toujours" aus. Doch ist die Verbannung des Liedes von Volksfesten und anderen Veranstaltungen tatsächlich der richtige Schritt?

Pro
Olaf Kern
Olaf KernHead of Regio Süd

Ein Akt der Notwehr

Keine Party, kein Club, kein Dorffest mehr ohne – als Beobachter beschleicht einen das ungute Gefühl, die hässliche Fratze des Rechtsextremismus zeigt sich überall dort, wo mittlerweile dieses Schlagerlied von Gigi D'Agostino läuft. Der einst fröhliche Dance-Hit dient als Steilvorlage für einen alten Schlachtruf der Rechten. Seit Monaten geistert so eine ausländerfeindliche Parole der 1980er-Jahre wieder durchs Land. Wie wäre es damit: Einfach nicht mehr spielen! Das hat nichts mit Zensur zu tun. Der Künstler kann am wenigsten dafür, dass sein Lied gekapert wurde, das dürfte jedem klar sein.

Aber ein Verbot ist ein Akt der Notwehr und ein Zeichen gegen rechtsextremistische Propaganda, zu der die Pop-Hymne von einst – seien wir mal ehrlich – mittlerweile gehört. "L'amour toujours" wird nicht nur von reichen Töchtern und Söhnen auf Sylt missbraucht, die Melodie ist eine Art Code unter Neonazis geworden. Oder dient als Untermalung von einschlägigen TikTok-Videos mit rechtem Inhalt. In einer Endlosschleife setzt es sich fort und in den Köpfen fest.

Sicher kann ein Verbot eines einzigen Liedes die eigentlichen Probleme wie Rassismus und Rechtsextremismus nicht lösen. Das wäre zu simpel gedacht. Aber überall dort, wo der Song noch gespielt wird, ist er eine Einladung für das Brüllen von fremdenfeindlichen Zeilen, womöglich noch begleitet vom Hitlergruß.

Rechte Kräfte feiern die jeweils neu produzierten Bilder und benutzen jeden neuen Skandal gezielt, um ihr Gedankengut zu streuen und weiter in den Mainstream zu transportieren. Damit muss Schluss sein. Zuschauen oder entsetzt abwenden gilt spätestens seit Sylt nicht mehr. Und auch wenn man das nicht möchte: sobald "L'amour toujours" läuft, läuft im Kopf auch der hetzerische Text. Das gehört verboten. Dazu kann jeder Party- oder Festveranstalter einen einfachen Beitrag leisten: den Song nicht spielen. Der Verbreitung von Ressentiments und ausländerfeindlichem Gesang mittels des Liedes von Gigi D'Agostino muss Einhalt geboten werden. Nicht nur auf strafrechtlichem Wege.

Kontra
Sven Sartison
Sven SartisonRedakteur Regio München

Nicht mehr als blinder Aktionismus

Erst bei einer Nobelparty auf Sylt, dann auf der Bergkirchweih in Erlangen – gleich zweimal wurde das Lied "L'amour toujours" in den vergangenen Tagen für den Transport von rechtsextremem Gedankengut missbraucht. In Erlangen haben die Kellerwirte nun Konsequenzen gezogen und den 23 Jahre alten Song vom Volksfest verbannt. "Die Bergkirchweih ist so bunt wie unsere Stadt. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus haben hier keinen Platz", heißt es in der Begründung. Die Entscheidung scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar, schlüssig, richtig. Und doch ist sie bei genauerem Betrachten nicht mehr als blinder Aktionismus.

Wer ernsthaft glaubt, ein Verbot von "L'amour toujours" würde das Problem lösen, verschließt schlichtweg die Augen vor der Realität. Das Übel müsste – wie es immer heißt – an der Wurzel gepackt werden. Allein durch den Bann eines einzelnen Musikstückes lassen sich Rechtsextremismus und ähnliche Ideologien nicht bekämpfen.

Wer ein solches Gedankengut in sich trägt oder einfach nur meint, auf einen aktuellen Trend aufspringen und provozieren zu müssen, der stimmt das Lied auch ohne musikalische Untermalung vom Band an. Und manch einer wird sich aufgrund des Verbots vielleicht sogar denken: "Jetzt erst recht". Ähnlich war es beim Hit "Layla" von DJ Robin. Dieser wurde aufgrund seines sexistischen und frauenfeindlichen Textes ebenfalls auf vielen Volksfesten nicht mehr gespielt. Gesungen wurde das Lied dennoch. Nimmt man jemandem etwas weg, will er es umso mehr.

Was den aktuellen Fall von der Diskussion um "Layla" unterscheidet: Der Originaltext von "L'amour toujours" ist nicht negativ, der Song wird schlichtweg missbraucht. DJ Gigi D'Agostino selbst erklärte im Gespräch mit t-online, dass sein Hit nur eine einzige Bedeutung habe: "Mein Lied handelt von Liebe". Dieses nun aufgrund der missbräuchlichen Verwendung einer Minderheit zu verbieten, könnte durchaus auch als Zensur betrachtet werden. Die Gefahr besteht, dass in Zukunft weitere Lieder umgedichtet und daraufhin verboten werden. Das Problem wäre dann nicht gelöst, es würde sich sogar potenzieren.

So lässt man sich von einer rechtsextremen, rassistischen Minderheit vorführen, gibt sich dieser praktisch geschlagen, lässt sich vorschreiben, wozu man feiern darf und wozu nicht. Man bestraft die unschuldigen Hörer, diejenigen, die mit dem Song Positives verbinden. Stattdessen könnte man "L'amour toujours" auch weiterhin spielen, lautstark mitsingen, ein Zeichen setzen und zeigen: "Hey, ihr macht uns dieses Lied nicht kaputt. Wir sind größer und stärker als ihr." Und damit die eigentliche Aussage des Songs nach außen transportieren: Liebe. Und zwar immer und vor allem – für alle.

 
 
 
 
 
 
 

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