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Bekommt Nürnberg ein NSU-Dokuzentrum?


Ein Bombenanschlag und drei Morde
Wieso die SPD für ein NSU-Dokuzentrum in Nürnberg kämpft

  • Meike Kreil
Von Meike Kreil

31.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Ein Mahnmal und Bäume erinnern in Nürnberg an die Opfer der Terrorgruppe NSU (Symbolfoto): Drei von zehn Morden geschahen hier, außerdem ein Bombenanschlag.Vergrößern des Bildes
Ein Mahnmal und Bäume erinnern in Nürnberg an die Opfer der Terrorgruppe NSU (Symbolfoto): Drei von zehn Morden geschahen hier, außerdem ein Bombenanschlag. (Quelle: Florian Schuh/imago-images-bilder)

Die rechtsextreme NSU-Terrorzelle hatte in Nürnberg mehrere grausame Taten begangen. Das lastet bis heute auf der Stadt. Die SPD will ein "NSU-Dokuzentrum" für Nürnberg. Kann das gelingen?

Der kleine Schotterplatz im Vorort, unscheinbar zwischen Bäumen, war einst der Arbeitsplatz von Enver Şimşek. Bis der Blumenverkäufer am 9. September 2000 von der rechtsextremen Terrororganisation NSU niedergeschossen wurde. Seit 2021 erinnert eine Gedenktafel an ihn, der Platz wurde nach ihm unbenannt. Auch Abdurrahim Özüdoğru wurde ermordet, in seiner Schneiderei in der Südstadt. Im vergangenen Jahr wurde dort eine Gedenktafel angebracht.

Reicht das aus? Gedenktafeln und die Umbenennung von Plätzen, über 20 Jahre später?

Die SPD-Stadtratsfraktion hat eine andere Idee: Sie will ein NSU-Dokumentationszentrum für Nürnberg. Ein Bombenanschlag und drei Morde haben hier ihre Spuren hinterlassen, erklärt Fraktionsvorsitzender Thorsten Brehm. Dass sie proaktiv Aufklärung einfordern, "das sind wir den Opfern des NSU und ihren Angehörigen schuldig". Ein Dokumentationszentrum gibt es in Nürnberg bereits, das der NS-Stadtgeschichte gewidmet ist.

Koalitionsvertrag fordert Aufklärung des NSU-Komplexes

Außerdem ist im Koalitionsvertrag der drei Regierungsparteien "die Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU" festgeschrieben. Brehm wertet das als Arbeitsauftrag für Nürnberg.

Das Projekt stehe noch am Anfang, Konzept und Standort seien offen. Die SPD-Stadtratsfraktion hatte das NSU-Dokuzentrum bereits im Dezember 2021 gefordert. Mittlerweile liegt das Vorhaben auf Bundesebene beim Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, wo das Thema angesiedelt wurde. Für Brehm ist klar, dass die Stadtspitze nun Gespräche mit den dortigen Verantwortlichen führen sollte, damit Bewegung in die Sache kommen kann.

Beim Geld sieht Brehm den Bund und/oder den Staat in der Pflicht. Dass Nürnberg das Zentrum nicht allein finanzieren könne, sollte klar sein. Sowieso, der Freistaat könne sein Engagement hierzu noch deutlich ausbauen, so der Fraktionsvorsitzende.

Das Zentrum soll sich bei Realisierung aber nicht nur der Geschichte widmen, sondern auch dem "Hier und Jetzt": Die SPD sieht einen "Ort der gelebten Erinnerungsarbeit", der mit einer Aufklärungs- und Forschungsstelle zum Thema Rechtsextremismus verknüpft ist.

"Verfestigte Strukturen von Rechtsextremismus" in Nürnberg

So habe auch Nürnberg mit "sehr verfestigten Strukturen von Rechtsextremismus“ zu kämpfen – und es ist nicht weniger geworden". Hier bedürfe es dringender Aufklärung.

Welche Lösung kann es geben? Eine starke Demokratie, antwortet Brehm. Dafür brauche es gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine gelungene Integration. Als weitere Herausforderung für die Stadt kommen durch den Ukraine-Krieg die Flüchtlinge hinzu. Zur schnellen Integration müssten hier schnellstmöglich die Strukturen geschaffen werden. "Wenn ich die Bilder von den zerbombten Städten sehe, kann ich mir nicht vorstellen, dass es für sie zeitnah wieder nach Hause gehen wird."

NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag

Im bayerischen Landtag wird es indes zum zweiten Mal einen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex geben. Grüne und SPD haben dazu gemeinsam einen Antrag eingereicht – die Stimmen der beiden Fraktionen reichen für die Einsetzung des Gremiums aus. Nach dem ersten Untersuchungsausschuss im Jahr 2013 sollen nun insbesondere die Rolle der bayerischen Sicherheits- und Justizbehörden sowie der zuständigen Ministerien und politischen Entscheidungsträger im Umgang mit dem NSU beleuchtet werden.

Eine Resolution des Nürnberger Stadtrats unterstützt das Vorhaben. "Zu viele Dinge liegen noch im Dunkeln", so Brehm.

In Nürnberg wird derweil auch über die Umbennung eines zweiten Platzes nachgedacht: Auch İsmail Yaşar – der in der Südstadt einen Imbiss betrieb, bevor er vom NSU ermordet wurde – soll ein Platz gewidmet werden. "Wenn alles planmäßig durch den Stadtrat geht, dann werden wir am 2. Juni 2022 einen Platz in der Nähe des Tatorts nach ihm benennen, eine Gedenkstele errichten und einen Baum pflanzen." Das erklärt Martina Mittenhuber vom Menschenrechtsbüro der Stadt auf Nachfrage. Auch am Kartäusertor gibt es bereits ein Mahnmal zur Erinnerung an alle Opfer des NSU.

Dass darüber hinaus das NSU-Dokuzentrum tatsächlich realisiert wird, "da bin ich sehr optimistisch", so Brehm. Wo es stehen werde, das müsse sich noch zeigen. "Sollte es am Ende doch nicht Nürnberg werden, dann treten wir bei diesem sensiblen Thema sicher nicht in einen Standortwettbewerb."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Thorsten Brehm, Fraktionsvorsitzender SPD-Stadtratsfraktion
  • Nachfrage bei Martina Mittenhuber, Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg
  • Nachrichtenagentur dpa
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