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Stefan Effenberg: Warum der FC Bayern gar nicht auf die Jugend setzen kann


Spieler aus der eigenen Jugend? Das ist der falsche Ansatz

Eine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 14.11.2018Lesedauer: 5 Min.
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t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg. Im Hintergrund: Die Allianz Arena in München. Der FC Bayern ist einer der Schwerpunkte des Ex-Nationalspielers. 2001 führte er den Verein als Kapitän zum Sieg in der Champions League.Vergrößern des Bildes
t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg. Im Hintergrund: Die Allianz Arena in München. Der FC Bayern ist einer der Schwerpunkte des Ex-Nationalspielers. 2001 führte er den Verein als Kapitän zum Sieg in der Champions League. (Quelle: imago-images-bilder)

Eine Umfrage von t-online.de ergab: Die Bayern-Fans wünschen sich frisches Blut für die Krisenmannschaft – aus der eigenen Jugend. Warum das der falsche Weg wäre.

Der FC Bayern ist derzeit schwer wiederzuerkennen. Das Spiel in Dortmund war gut, das ist Fakt. Aber das Ergebnis war nicht gut. Die Verantwortlichen haben sich anschließend hingestellt und erklärt, was für ein tolles Spiel das gewesen sei. Sie nannten es "Werbung für den Fußball". Niederlagen schönreden – das macht man bei Bayern normalerweise nicht.

Die spannendste Personalie heißt nicht Ribéry

Zumal es logisch war, dass es eine Leistungssteigerung geben würde, in der heiklen Situation, in dem fantastischen Stadion. Das ist genau wie in der Champions League. Wenn du in der Gruppenphase einen Hammergegner hast, rufst du da automatisch eine andere Leistung ab als gegen zwei schwächere Gegner.

Die Bayern sind aktuell dünnhäutig, das hat man auch an der Reaktion von Franck Ribéry gesehen, der offenbar einen TV-Experten geohrfeigt hat. Noch viel heikler ist aus meiner Sicht eine andere Personalie. Die spannendste überhaupt: James Rodriguez. Der fällt jetzt zwar wochenlang aus, seine Situation könnte aber trotzdem noch zum Problem werden. Ganz einfach, weil er frustriert ist. Er hat in dieser Saison erst ein einziges Spiel über 90 Minuten gemacht. Von den vergangenen fünf Partien kam er nur in einer überhaupt zum Einsatz. James hat natürlich ganz andere Ansprüche – und das werden die Bayern im Laufe der Saison auch sicherlich noch zu spüren bekommen.

Es gibt auffallend viele Ungereimtheiten

Noch ein Beispiel für die auffallend vielen Ungereimtheiten bei den Bayern: Uli Hoeneß hat zunächst Wintertransfers ausgeschlossen, kurz darauf sagte Brazzo, dass sie für den Winter die Augen offen halten würden. Auch das kennt man eigentlich nicht.

Es kommt einfach gerade sehr vieles zusammen. Angefangen hat es damit, dass sechs, sieben Spieler nicht an ihre Leistungsgrenze gekommen sind und bis heute auch nicht kommen. In dem Zustand wird jedes Spiel in der Liga knapp. Wenn Bayern Siege einfährt, sind es Arbeitssiege. Die Leichtigkeit, das Selbstverständnis – das ist alles zurzeit weg.

Das Gute ist: Das wird noch eine hoch interessante Saison für uns.

Der Bayern-Campus ist wirklich fantastisch

Wintertransfers hin oder her: Der Schrei nach einer Blutauffrischung wird immer lauter rund um den FC Bayern. Eine Umfrage von t-online.de und Civey hat ergeben, dass sich drei von vier Bayern-Fans mehr Einsätze von Jugendspielern wünschen. Ich muss da widersprechen – und erklären, warum das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Lösung wäre.


Uli Hoeneß hat mal vor vielen Jahren gesagt: Der FC Bayern ist kein Ausbildungsverein. Damit hat er bis heute recht.

Er hat natürlich erkannt, dass man als europäischer Topklub einen starken Unterbau braucht. Der neue Bayern-Campus in München ist wirklich fantastisch. Ich habe mir den ein paar Mal angeschaut, mit dem Nachwuchschef Jochen Sauer gesprochen und das Gefühl, dass die Spieler da wirklich hervorragend aufgehoben sind. Du hast dort eine riesige Motivation – allerdings nicht in der Form, dass der Anspruch wäre, jedes Jahr einen Jugendspieler in die erste Mannschaft zu bringen.

Bayern erreichen Ziele nur, wenn sie investieren

Der FC Bayern ist kein Verein, bei dem das absolute Priorität genießt. Das ist aber auch vollkommen logisch.

Der Anspruch des FC Bayern ist der, jedes Jahr Deutscher Meister sowie DFB-Pokalsieger zu werden – und in der Champions League vorne dabei zu sein. Den erreichst du nicht, wenn du auf die Jugend setzt. Das können Hertha, Gladbach oder Freiburg machen – die haben auch gar keine andere Wahl. Bayern München erreicht seine Ziele nur, wenn sie regelmäßig investieren.

Hat der FC Bayern ein Problem auf einer Position, wird er immer einen neuen Spieler kaufen oder ausleihen – so wie es bei James von Real Madrid der Fall war. In so einer Situation werden sie keinen Jugendspieler in die erste Mannschaft einbauen.

Läuft also in der Nachwuchsarbeit der Bayern überhaupt etwas schief?

Aufstieg der zweiten Mannschaft wäre verdammt wichtig

Klar ist: Die Tür zu den Profis geht nur ganz, ganz selten auf – und wenn, dann in der Vorbereitung. Gaudino, Scholl oder auch einige Spieler vor dieser Saison durften in der Vorbereitung jeweils mit der ersten Mannschaft trainieren und auch spielen. Wenn die Top-Spieler dann aber zurück sind, sitzen sie während der Saison im Normalfall nicht mal auf der Bank.

Wir kommen jetzt zum Problem: Die zweite Mannschaft spielt nur in der Regionalliga. Sie sind Zweiter, nur einen Punkt hinter dem Tabellenführer – und haben gute Chancen, aufzusteigen. Das wäre verdammt wichtig, weil die dritte Liga eine ganz andere Bühne bietet. Gelingt der Aufstieg nicht, würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass ich mir als Talent in der U17 oder U19 weiterhin ganz genau überlegen muss, ob ich einen längerfristigen Vertrag bei Bayern unterschreibe und in der vierten Liga spiele. Für einen hochtalentierten Spieler ist das definitiv der falsche Weg. Die vierte Liga ist ein Rückschritt.

Man kann keinem Trainer einen Vorwurf machen

Die Philosophie kann aber ohnehin nicht sein, dass sie sagen: Wir haben jetzt einen Mega-Campus – ihr kommt direkt in die erste Mannschaft. Man kann es keinem Trainer vorwerfen – und natürlich auch nicht Niko Kovac –, dass er auf einen gestandenen Spieler setzt, wenn er die Mannschaft verändert.

Die einzig sinnvolle Möglichkeit ist es, die Spieler zu verleihen und zu hoffen, dass sie durchstarten – um sie dann zurückzuholen. Genau dieser Weg hat in der Vergangenheit immer wieder funktioniert.

Jugendspieler kommen vor allem über Umwege zurück

Denn am Ende ist es doch so: Mats Hummels; Sandro Wagner oder David Alaba sind alle über einen Umweg wieder zurück zu Bayern gekommen. Der Einzige, der wirklich durchgängig beim FC Bayern gespielt hat, ist Thomas Müller. Und dessen Entwicklung hat der Verein Louis Van Gaal zu verdanken, der ihn einfach gegen jeden Widerstand eingesetzt hat.

Früher war es noch Bastian Schweinsteiger, der ebenfalls direkt aus der Jugend kam – doch auch Philipp Lahm hat es nur über den Umweg VfB Stuttgart geschafft.

Bayern-DNA ist keine Frage der Herkunft

Deshalb finde ich es falsch, zu beklagen, dass die Identifikation heutzutage verloren gehen würde.

Identifikation oder eine Bayern-DNA sind keine Frage der Herkunft. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns endgültig von dem Gedanken verabschieden müssen, dass wir unbedingt Local Player brauchen. Schon die 12- oder 13-jährigen Talente kommen überall her – und das ist gut so.

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Wir sind 2001 Champions-League-Sieger geworden – die wichtigsten Spieler kamen schon damals aus verschiedensten Städten und Ländern. Oliver Kahn kam aus Karlsruhe, ich aus Hamburg, dazu Giovane Elber und Paulo Sergio aus Brasilien, Bixente Lizarazu und Willy Sagnol aus Frankreich, Sammy Kuffour aus Ghana.


Was ist die Bayern-DNA? Die hat einfach etwas mit Charakter zu tun – nicht mit der Heimatstadt.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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