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FC Bayern – Ex-Star Elber zu Corona in Brasilien: "Leute werden weggeschickt"


Giovane Elber
Corona-Krise in Brasilien: "Es wird schlimmer und schlimmer"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 10.07.2020Lesedauer: 4 Min.
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Der Umgang mit der Corona-Krise von den Menschen in den Favelas – wie hier auf dem Bild in Rio de Janeiro – ist das einzige, was Giovane Elber aktuell noch ein wenig Hoffnung macht.Vergrößern des Bildes
Der Umgang mit der Corona-Krise von den Menschen in den Favelas – wie hier auf dem Bild in Rio de Janeiro – ist das einzige, was Giovane Elber aktuell noch ein wenig Hoffnung macht. (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)

Beim FC Bayern traf er, wie er wollte, in Stuttgart war er Teil des "Magischen Dreiecks": Giovane Elber. Im Interview mit t-online.de spricht der brasilianische Ex-Stürmer über die derzeitige Corona-Lage in seinem Heimatland.

133 Tore in 260 Bundesligaspielen. Mit seinen Treffern für den VfB Stuttgart und den FC Bayern München machte sich Giovane Elber deutschlandweit einen Namen. Hinter Robert Lewandowski und Claudio Pizarro ist Elber bis heute der drittbeste ausländische Bundesliga-Torschütze.

2006 beendete der Brasilianer seine Karriere. Nicht erst seitdem organisiert sich der Ex-Stürmer in seinem Heimatland ehrenamtlich, gründete in seiner Geburtsstadt Londrina die Giovane-Elber-Stiftung zur Förderung brasilianischer Straßenkinder.

In der aktuellen Corona-Krise blickt er besorgt auf Brasilien. Bis Anfang Juli war Elber selbst noch vor Ort. t-online.de hat mit ihm über seine Eindrücke von der Krise gesprochen.

t-online.de: Herr Elber, Sie sind Brasilianer, haben die vergangenen Monate in Ihrer Heimat verbracht. Wie nehmen Sie die Corona-Lage dort wahr?

Giovane Elber (47): Jair Bolsonaro hat das Virus nicht ernst genommen. Er hat Corona als Grippe verharmlost. Dabei müsste ein Präsident seine Bevölkerung eigentlich schützen. Doch er wollte, dass das Leben in Brasilien ganz normal weitergeht. Als ich das gehört habe, dachte ich mir: "Der spinnt, der ist nicht ganz sauber." Es kam dann zwar in den Großstädten temporär zu einem Lockdown – aber nur ganz kurz.

Wie kam der Lockdown bei der Bevölkerung an?

Die Angst, bankrottzugehen, war zu groß. Deshalb haben die Kommunen den Geschäftsöffnungen schnell wieder zugestimmt. Seitdem wurde es im Land schlimmer und schlimmer.

Haben Sie Beispiele dafür?

Man sieht es an den überfüllten Krankenhäusern. Die Kapazitäten sind knapp, es gibt nicht genug Beatmungsgeräte. Die Leute, die auf Hilfe angewiesen sind, stehen in Schlange vor dem Hospital oder werden gar weggeschickt. Bei vielen kommt jede Hilfe zu spät.

Haben Sie das selbst miterlebt?

Der Vater eines guten Freundes von mir ist an den Folgen des Coronavirus gestorben. Er war über 60 Jahre alt, also Teil der Risikogruppe. Als es ihm nicht gut ging und er ins Krankenhaus wollte, wurde ihm von den Zuständigen gesagt, dass er nur ein bisschen Fieber habe. Also haben sie ihn wieder nach Hause geschickt. Ein, zwei Tage später ist er dann gestorben.

Hat Bolsonaro als brasilianischer Präsident versagt?

Er lag falsch. Doch anstatt das zuzugeben, machte er einfach weiter, als wäre nichts passiert. Das war fatal. Ich bin aber nicht nur von Bolsonaro enttäuscht, sondern von der kompletten Politik. In Brasilien denken Politiker nicht an ihre Bevölkerung, sondern daran, wie man die Corona-Krise am besten für sich nutzt. Die Korruption ist in den vergangenen Wochen komplett eskaliert.

Der zuständige Gesundheitsminister, Luiz Henrique Mandetta, der die Epidemie ernst nahm, wurde im April von Bolsonaro entlassen.

Dabei hat Mandetta als einer von wenigen Politikern einen guten Job gemacht. Die Entlassung hat für noch mehr Chaos gesorgt. Ich sehe schwarz für Brasilien. Vor allem bezüglich der Corona-Krise.

Wie kompliziert ist die Situation aktuell für Menschen in den brasilianischen Armenvierteln, den Favelas?

Das Gute in den Favelas ist, dass die Leute dort füreinander da sind. Auf Hilfe vom Staat können die Ärmsten der Armen ohnehin nicht hoffen. Das kennen sie. Doch die Solidarität unter den Nachbarn in den Favelas ist groß – das gibt mir ein wenig Hoffnung.

Richten wir den Blick in Ihre zweite Heimat: Wie geht Deutschland Ihrer Meinung nach mit der Corona-Pandemie um?

Jedem Brasilianer, mit dem ich spreche, nenne ich Deutschland als Positivbeispiel für den Kampf gegen das Coronavirus. Die Regierung um Angela Merkel handelt mit der nötigen Weit- und Vorsicht. Das unterscheidet sie und ihre Kollegen stark von dem, was Bolsonaro macht.

Haben Sie Hoffnung, dass sich die Lage in Brasilien bessert?

Ich habe wenig Hoffnung und bin traurig darüber. Die meisten Politiker in Brasilien sind korrupt und denken lieber an ihr eigenes Bankkonto als an die alte, arme Frau, die um ihr Leben kämpft. Dabei ist Brasilien so reich an Rohstoffen, dass es uns wirtschaftlich eigentlich allen gut gehen müsste. Doch auf den Staat ist kein Verlass. Brasilien ist kompliziert. Und die Menschen in Deutschland wissen teilweise gar nicht, wie gut es ihnen eigentlich geht.

Wenn Sie aktuell einen Wunsch frei hätten: Was würden Sie sich wünschen?

Ich würde alle brasilianischen Politiker austauschen und die Ämter neu besetzen. Doch selbst dann gäbe es keine Garantie auf eine bessere Zukunft. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Veränderungen in unserem Land leider eher zu einer Verschlechterung führen. Das große Problem ist und bleibt das übertriebene Streben nach Macht – keiner denkt an das Land.

In Brasilien sagen wir aber immer, dass man zwei Dinge gar nicht erst kritisieren muss: Politik und Fußball. Ansonsten gibt es Stress.

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