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Bielefelds Samir Arabi im Interview: "Unser Etat ist Corona zum Opfer gefallen"


Samir Arabi
Bielefeld-Boss spricht über Chancengleichheit im deutschen Fußball

  • Dominik Sliskovic
InterviewVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 18.09.2020Lesedauer: 6 Min.
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Macher der Arminia: Geschäftsführer Samir Arabi.Vergrößern des Bildes
Macher der Arminia: Geschäftsführer Samir Arabi. (Quelle: imago-images-bilder)

Samir Arabi führte Arminia Bielefeld in neun Jahren von der drohenden Insolvenz in der 3. Liga in die Bundesliga. Im t-online-Interview spricht er deutlich die wirtschaftliche Ungleichheit im Fußball an.

Nach elf Jahren Abwesenheit ist Arminia Bielefeld zurück in der Bundesliga. Dass dem ostwestfälischen Traditionsklub von der Alm wieder der Sprung in die Beletage des deutschen Fußballs gelungen ist, ist zu großen Teilen das Werk von Geschäftsführer Samir Arabi. Der gebürtige Aachener übernahm die Arminia 2011 in einer schwierigen Situation: Das Team war zum ersten Mal seit 1995 in die Drittklassigkeit abgestürzt – die Insolvenz drohte.

Arabi schrak jedoch nicht vor der Mammutaufgabe zurück, half der Arminia bei der Organisation eines zuverlässigen Sponsorenbündnisses und lockte durch sein Scouting-Geschick fähige Jungprofis an den Rand des Teutoburger Waldes.

Im Interview mit t-online blickt Arabi auf das Erreichte zurück, prangert jedoch auch die Ungleichheit im Fußballgeschäft an.

t-online: Herr Arabi, Sie sind seit neun Jahren bei Arminia Bielefeld. Zunächst als Sportlicher Leiter, seit 2016 als Geschäftsführer Sport. Was waren bei Ihrem Dienstantritt Ihre kurz- und mittelfristigen Ziele?

Samir Arabi (41): In den Jahren zuvor hatten wir durch wirtschaftliche Schwierigkeiten leider den Fahrstuhl in Richtung Keller genommen. Wenn man als Traditionsverein nach langen Jahren in der ersten und zweiten Liga den bitteren Gang in die dritte Liga antreten musste, ist die Rückkehr in die zweite Liga natürlich das erste Ziel. Dort wollten wir uns wieder stabilisieren. Als im April 2011 der Abstieg aus der 2. Bundesliga feststand, hatten wir jedoch nur noch einen Jugendspieler unter Vertrag. Das zeigt deutlich, in welcher Situation wir damals waren. Es ging also zuallererst darum, dass der Verein wieder Boden unter die Füße bekommt.

Was musste getan werden, um diese Ziele zu erreichen?

Wir hatten kaum Zeit, um einen Drittligakader zusammenzustellen. Zudem fehlte uns der Etat, um fertige Spieler mit Zweitligaerfahrung zu verpflichten, die uns wieder nach oben hätten führen sollen. Also mussten wir entwicklungsfähige Spieler scouten und unter Vertrag nehmen. Es ist ja immer noch so, dass die wirtschaftliche Lage aller Drittligisten schwierig ist. Da kann man keine langfristigen Pläne oder eine wirtschaftliche Konsolidierung eines Vereins vorantreiben. Wir benötigten damals externe Hilfe, um überhaupt die Lizenz zu erhalten.

Ist es denn nun über die vergangenen neun Jahre seit dem Abstieg gelungen, die Arminia auf zwei wirtschaftlich gesunde Beine zu stellen?

Ja, die Arminia steht auf zwei festen, gesunden Beinen. Das ist insbesondere durch das "Bündnis Ostwestfalen", ein Zusammenschluss ostwestfälischer Unternehmen, gelungen. Gemeinsam haben wir es geschafft, die Schulden zu tilgen und uns somit in die Lage versetzt, die Entwicklung des Vereins aktiv gestalten zu können. Das bedeutet jedoch nicht, dass es in den kommenden Jahren Millionentransfers in Bielefeld geben wird. Wir wirtschaften weiterhin ostwestfälisch seriös und konservativ.

Kann sich die Arminia so denn in der Bundesliga festsetzen?

Jeder Klub, egal wie hoch der Etat ist, ist ambitioniert und ehrgeizig. Wenn du einmal in der Bundesliga bist, willst du dort auch bleiben. Aber wir können unsere Situation realistisch einschätzen: Wir sind von den wirtschaftlichen Möglichkeiten her abgeschlagen Letzter in der Tabelle. Nichtsdestotrotz wollen wir auf Dauer zu den "Top-24-Klubs" Deutschlands gehören. Das muss unser Ziel sein: sehr gut in der zweiten Liga unterwegs zu sein – und wenn man einmal den großen Sprung schafft, mit jeder Faser seines Körpers darum kämpfen, oben zu bleiben.

Inwiefern machen diese wirtschaftlichen Grenzen auch den Reiz Ihrer täglichen Arbeit aus?

Die tägliche Arbeit mit meinen Kollegen und den Sponsoren aus dem „Bündnis Ostwestfalen“ macht mir großen Spaß. Trotz aller Freude an der Arbeit würden wir uns aber natürlich auch nicht dagegen wehren, wenn die Arminia eines Tages wieder mehr Geld zur Verfügung hätte. Dass wir aber auch so unseren Weg erfolgreich gehen können, haben wir nicht zuletzt in der vergangenen Saison gezeigt, als wir finanziell potentere Vereine wie Hannover, Stuttgart und Hamburg hinter uns gelassen haben.


Die Arminia hat aus vergleichsweise wenig viel gemacht...

Und das ist auch in dieser Spielzeit unser Anspruch: mit Kreativität und Engagement eine konkurrenzfähige Mannschaft auf die Beine zu stellen, die die Großen der Liga ärgern kann. Wir dürfen jedoch nicht den Fehler begehen und das von nun an jede Saison einfach wie selbstverständlich erwarten. Es muss jedem bewusst sein, mit welchen Gegnern wir es auf dem Platz, aber auch dem Transfermarkt zu tun haben.

Arminia hat bisher nur ablösefreie Spieler verpflichtet. Inwiefern ist diese Strategie auch der Corona-Krise geschuldet?

Nehmen wir etwa Noel Niemann: Das ist ein talentierter 20-jähriger Bursche, den wir ablösefrei von 1860 München verpflichtet haben. An solche Spieler muss man sehr frühzeitig herantreten. Das haben wir getan, weil wir – unabhängig davon, in welcher Liga er zu diesem Zeitpunkt gespielt hat – davon überzeugt waren, dass er ein extrem spannender Spieler ist, der uns weiterhelfen kann.

Es gab aber natürlich auch andere Spieler, die wir gerne verpflichtet hätten, die jedoch noch Vertragslaufzeit hatten und dementsprechend eine Ablösesumme fällig geworden wäre, die wir aufgrund der Corona-Krise nicht zahlen konnten oder wollten. Unser ohnehin schon geringer Etat ist so gesehen der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen, weil wir ihn noch einmal deutlich verkleinern mussten.

Ihr Frankfurter Kollege Fredi Bobic sagte im t-online-Interview zum aktuellen Transfermarkt, das Geld sitze nicht mehr so locker, daher würden immer mehr Vereine auf Spieler-Tauschgeschäfte setzen...

Ich würde Fredis Aussage so unterschreiben. Wir haben diese Verschiebung des Marktes hin zu Tauschgeschäften ebenfalls wahrgenommen. Allerdings muss man sagen, dass wir als Aufsteiger bei Transfers nach oben in ein höheres Regal greifen. Spieler von uns als Tauschobjekt anzubieten, macht keinen Sinn, weil sie den größeren Klubs entweder nicht gut genug sind oder die Vereine genau die Spieler haben wollen, die wir nicht abgeben.

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Aufsteiger sind in Deutschland generell immer erste Abstiegskandidaten. In England etwa ist das nicht unbedingt der Fall – auch durch die Verteilung der TV-Gelder?

Die TV-Gelder sind nur ein Mosaiksteinchen in dieser Rechnung. Die Klub-Strukturen in England lassen finanzstarke Investoren zu, was bei uns in Deutschland durch die 50+1-Regelung nicht möglich ist. Von daher werden Aufsteiger hierzulande nie die Möglichkeiten ihrer englischen Pendants haben.

Wenn in England ein Verein absteigt, gibt es einen Einmal-Millionen-Rettungsschirm von etwas über 50 Millionen Euro, durch den die finanzielle Diskrepanz zwischen erster und zweiter Liga abgefedert werden soll. Was halten Sie von einem solchen Konzept in Deutschland?

Zwischen der zweiten und dritten Liga haben wir bereits einen ähnlichen Fonds. Es sieht jedoch so aus, dass, wenn man nach Jahren in der zweiten in die dritte Liga absteigt, einen enormen Klubapparat verschlanken muss. Da ist diese Zahlung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Von daher stimme ich Ihnen zu: Die finanzielle Diskrepanz zwischen den Ligen ist einfach zu groß. Die können die Vereine allein nicht auffangen. Da benötigt es gute Konzepte.

Sie bezeichneten die Arminia in einem Interview als "Gummiboot gegen lauter Motorboote". Wie muss Bielefeld bei diesen Voraussetzungen das Rennen Bundesliga denn dann nun angehen?

Trotz aller Widrigkeiten mit Selbstvertrauen. Alle Beteiligten müssen wissen, dass wir im selben Boot sitzen und paddeln. Uns ist in den vergangenen Wochen noch der ein oder andere Transfer gelungen, sodass ein Spielerberater zu mir sagte: "Nun hat dein Paddelboot schon einen kleinen Motor." Jetzt liegt es an uns, dass wir geschickt durch die Wellen manövrieren, bestenfalls zwei, drei große Motorboote die Orientierung verlieren und wir an ihnen vorbeiziehen. Wichtig ist dabei, dass wir die Nerven behalten, sollte es auch einmal stürmisch werden.

Britischen Statistikern zufolge gelingt eher Aufsteigern mit der besten Defensive in der Aufstiegssaison der Klassenerhalt als den Konkurrenten mit der besten Offensive. Die Arminia war in beiden Bereichen Ligaspitze 2019/2020...

Dürfte man diesen Statistikern Glauben schenken, müsste der Klassenerhalt tatsächlich ein Spaziergang für uns werden. Sollte es wirklich so locker flockig ablaufen, seien Sie gewiss, dass ich die Leute, die diese These aufgestellt haben, auffinden und ihnen einen ausgeben werde.

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