t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



Menü Icon
t-online - Nachrichten für Deutschland
HomeSportBundesliga

Hertha BSC in der Relegation: Das Chaos in Berlin wird immer schlimmer


Drohender Abstieg
Das Chaos bei Hertha wird immer größer

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 23.05.2022Lesedauer: 6 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Herthas Ishak Belfodil beim verlorenen Relegationshinspiel gegen den HSV: Für die Berliner steht bei einem Abstieg viel auf dem Spiel.Vergrößern des Bildes
Herthas Ishak Belfodil beim verlorenen Relegationshinspiel gegen den HSV: Für die Berliner steht bei einem Abstieg viel auf dem Spiel. (Quelle: Martin Rose/getty-images-bilder)

Nach der Heimpleite gegen den Hamburger SV wird der Abstieg von Hertha BSC wahrscheinlicher. Die Angst bei den Fans ist groß. Und ein Gang in die 2. Liga hätte schwerwiegende Folgen.

Als hätten die Fans von Hertha BSC die letzten Wochen und Monate nicht schon genug gelitten, verpatzte die Stadionregie vor dem Anpfiff gegen den Hamburger SV am Donnerstag auch noch die Vereinshymne. Normalerweise ist der Ablauf im Olympiastadion klar: Kurz nach der Bekanntgabe der Aufstellung haken sich die Fans in der Ostkurve, dem Ort der Berliner Ultras, ein, hüpfen und singen. Erst danach wird die Vereinshymne gespielt. Doch gegen den HSV erklangen aus den Lautsprechern des Olympiastadions die ersten Töne von "Nur nach Hause", während die Fans noch hüpften. Doch gerade als sich manche Anhänger entschieden, die Hymne mitzusingen, war Frank Zanders Stimme nicht mehr zu hören.

Der Grund dafür: Die Bundesliga-Hymne war vor dem Relegations-Hinspiel Pflicht und sollte zuerst eingespielt werden. Ein paar erste Pfiffe aus der Ostkurve waren zu hören. Nach der Bundesliga-Hymne wagte die Stadionregie einen neuen Anlauf und spielte "Nur nach Hause" ab. Immerhin: Diesmal ohne Schwierigkeiten im Ablauf. Für die aus Gewohnheit pessimistischen Hertha-Fans waren diese verkorksten Minuten keine Überraschung. Zu oft hatte ihr Herzensklub in nahezu allen Bereichen Fehler gemacht. Im Management, am Spielfeldrand, auf dem Platz und selbst im Ticketverkauf (mehr dazu lesen Sie hier).

Und so sangen einige Hertha-Fans auf dem Heimweg nach der 0:1-Niederlage gegen den HSV: "BSC, wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar. 2. Liga tut so weh, scheißegal, BSC."

Doch so "scheißegal" der Abstieg einigen frustrierten Anhängern inzwischen wäre, für den Klub wäre er in vielerlei Hinsicht ein herber Rückschlag.

Ein Beben in der obersten Etage

Am 29. Mai, sechs Tage nach dem Relegationsrückspiel gegen den Hamburger SV, steht in Berlin die Mitgliederversammlung an. Dabei besonders im Fokus: Werner Gegenbauer. Der Präsident wäre selbst im Falle eines Klassenerhalts angezählt. Seit seinem Amtsantritt 2008 stieg Hertha zweimal ab, rettete sich in der vergangenen Saison erst kurz vor Schluss und steht nun vor dem erneuten Gang in die 2. Liga.

Gegenbauer setzte in dieser Zeit zu lange auf Geschäftsführer Michael Preetz, der im Klub nie eine nachhaltige Struktur aufbaute. Dazu verkrachte er sich mit Investor Lars Windhorst, der nun bei jener Mitgliederversammlung seine Abwahl fordert. Damit hat Windhorst den gleichen Wunsch wie viele Fans, aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Seit Wochen hängt in der Ostkurve das Banner "Windhorst und Gegenbauer raus!". Die Ultras wollen Präsident und Investor loswerden. Laut der "Bild" gibt es sogar Abwahlanträge gegen das gesamte Präsidium, das eigentlich bis 2024 gewählt ist.

Ein Abstieg würde eine Abwahl von Präsident Gegenbauer und Vize Thorsten Manske fast unausweichlich machen. Wenn sie dieser nicht mit einem Rücktritt zuvorkämen.

Was wird aus Bobic?

Nach den vielen Jahren unter Michael Preetz und einem halben Jahr unter Arne Friedrich kam im vergangenen Sommer Fredi Bobic nach Berlin. Der 50-Jährige baute Eintracht Frankfurt erfolgreich um und sollte dies nun auch mit Hertha machen. Doch Fehler in der Kaderplanung und in der Trainerwahl warfen den BSC zurück. Bobic schaffte es zwar, das viel zu hohe Gehaltsgefüge zu verringern, Stabilität brachte er jedoch keine rein.

Deshalb wird auch der Druck auf ihn als Geschäftsführer groß. Er baute Herthas Geschäftsstelle nach seinen Wünschen um, brachte einige Mitarbeiter aus Frankfurt mit. Den erhofften Ertrag sahen die Fans aber nicht. Ganz im Gegenteil: Der Klub gab eher ein altbekanntes Bild ab: Eine Person (früher Preetz, jetzt Bobic) gestaltet alles nach ihren Vorstellungen und schafft eine gewisse Abhängigkeit.

Die Stelle von CEO Carsten Schmidt wurde nach dessen Weggang aus privaten Gründen nie nachbesetzt. Stattdessen bekam Bobic mehr Macht. Auch Sportdirektor Arne Friedrich verließ den Klub wegen fehlender Einflussmöglichkeiten.

Nach einer miserablen Saison mit mehreren Trainerwechseln und einem (bisher) missglückten Umbruch ist der Druck auf Bobic immens, sein Vertrag aber noch bis 2024 gültig. Und bei einem kolportierten Gehalt von 3,2 Millionen Euro ("Sport Bild"), müsste er im Falle eines Abstiegs wohl auch finanzielle Einbußen hinnehmen, denn solch ein Salär wäre für einen Zweitligisten kaum zu tragen. Es sei denn, Bobic tritt zurück. Bisher gibt es dafür aber keine Anzeichen.

Das Rätsel um den Trainer – und den Kader

Der Nachteil an der Relegation ist, dass die Klubs mehr als eine Woche länger auf Klarheit warten müssen. Während andere Absteiger wie Fürth oder gerettete Teams wie Stuttgart auf der Trainerposition Klarheit haben, gibt es bei Hertha zwar Gerüchte um einen neuen Coach. Doch es wird sich wohl keiner von den Kandidaten auf die 2. Liga eingestellt haben. Sandro Schwarz von Dynamo Moskau wurde zuletzt vom "Kicker" als Topfavorit gehandelt. "Bild" nannte André Breitenreiter, den Meistertrainer des FC Zürich, der nun allerdings vor einer Unterschrift in Hoffenheim stehen soll. Doch unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Meldungen: Mehr als Vorgespräche konnte Bobic mit keinem von ihnen führen.

Große Unklarheiten gibt es auch beim Kader. Und der ist eigentlich die größte Aufgabe im Sommer. Die Verträge von acht Spielern laufen Medienberichten zufolge aus. Niklas Stark wird den Klub verlassen, Lukas Klünter, Peter Pekarik, Nils Körber und Ishak Belfodil wohl auch. Kevin-Prince Boateng könnte laut "Sport Bild" aufgrund seiner Führungsqualitäten doch noch ein Jahr dranhängen. Marcel Lotka geht zum BVB und Talent Anton Kade sollte eigentlich gehalten werden, doch die Gespräche wurden zuletzt wohl nicht weitergeführt, sodass der FC Basel bereits Interesse anmeldete.

Loading...
Loading...
Loading...

Dazu dürften einige weitere Spieler in der 2. Liga kaum zu halten sein. Zum einen, weil sie viel zu hohe Gehälter haben, zum anderen, weil sie keinen Vertrag für das Unterhaus haben. Lucas Tousart beispielsweise berichtete der französischen Zeitung "L'Équipe" bereits vor seinem Wechsel über eine Klausel in seinem Kontrakt: "Das konnte ich mit einbringen, um mich bei einem Abstieg abzusichern."

Tousarts Gehalt von fast fünf Millionen Euro könnte Hertha ohnehin nicht stemmen. Auch andere Spieler müssten abgegeben werden, sollten sie keine Einbußen hinnehmen. Zwei Beispiele: Davie Selke soll Medienberichten zufolge über drei Millionen Euro verdienen, Kapitän Dedryck Boyata rund 2,3 Millionen Euro. Summen, die kaum haltbar sind.

Und dann wären da noch die Leihspieler. Im Zuge seines Plans, die Gehaltskosten schnellstmöglich zu drücken, hat Bobic zehn Akteure verliehen, für die es in den meisten Fällen keine Kaufangebote gab. Während Arne Maier (FC Augsburg) und Omar Alderete (FC Valencia) wohl auch bei ihren Klubs bleiben und damit ein paar Millionen Euro Ablöse bringen werden, ist bei drei anderen Spielern die Rückkehr beschlossene Sache.

Eduard Löwen wird aus Bochum zurückkommen, Dodi Lukebakio aus Wolfsburg und Jessic Ngankam aus Fürth. Krzysztof Piatek war beim AC Florenz zuletzt auch nur noch Joker, sodass die Italiener die Kaufoption wohl kaum ziehen werden. Bei Daishawn Redan (PEC Zwolle), Jordan Torunarigha (KAA Gent), Javairo Dilrosun (Girondins Bordeaux) und Deyovaisio Zeefuik (Blackburn Rovers) ist die Lage noch unklar. Auch sie kosten teilweise viel Geld. Piatek ist beispielsweise mit über fünf Millionen Euro Jahresgehalt der Topverdiener der Hertha.

Zeitdruck für Bobic

Sollte Hertha am heutigen Montag (23.05.) absteigen, bleiben bis zum Saisonstart der 2. Bundesliga (15.07.) weniger als zwei Monate Zeit. In diesem Zeitraum müsste Hertha wohl eine neue Führung, einen neuen Trainer und viele neue Spieler finden – und sich im Idealfall auch einspielen. Eine kaum zu bewältigende Aufgabe.

Die folgenden Wochen würden dann intensiv und den einen oder anderen Fan überfordern. Denn die finanzielle Situation bei Hertha ist eine Schieflage. Geld von Investor Lars Windhorst wäre für all das keins mehr da. Das betonte Fredi Bobic bereits im Februar im Sport1-"Doppelpass".

Der Geschäftsführer Sport müsste einen neuen Trainer finden, mit ihm schnelle Entscheidungen bezüglich der Kaderplanung treffen, Spieler verkaufen oder kostenfrei abgeben und günstige, gute Transfers tätigen, um zum Trainingsauftakt eine ordentliche Mannschaft zu haben.

Der Hoffnungsschimmer

Was im Abstiegsfall Mut machen kann, sind zwei Faktoren: die Konkurrenz und der eigene Nachwuchs. Mit Werder Bremen, Schalke 04 und dem Hamburger SV wären drei Schwergewichte der 2. Bundesliga weg. Mitabsteiger Greuther Fürth steht vor einem Kaderumbruch, auch Arminia Bielefeld verliert einige Stammkräfte wie Patrick Wimmer, Stefan Ortega oder Amos Pieper.

Mit Nürnberg, Hannover, Düsseldorf, Darmstadt oder St. Pauli wären einige gute Teams ernstzunehmende Konkurrenten, doch Voraussetzungen wie der Hauptstadtklub Hertha BSC hätte keines von ihnen. Das gibt den Berliner Fans in Sachen Wiederaufstieg Hoffnung.

Und wenn es darum geht, den Kader mit eigenen Talenten aufzufüllen, hat Hertha keinen Mangel. Linus Gechter (18 Jahre) schaffte bereits den Sprung zu den Profis, auch Anton Kade (18) würde bei einem Verbleib wohl eine wichtige Rolle spielen. Julian Eitschberger (18) und Luca Wollschläger (19) feierten bereits ihre Debüts für die Profis. A-Junioren-Kapitän Mesut Kesik (19) hat dazu im Februar einen Profivertrag unterschrieben.

Sie sind Teil eines starken U19-Jahrgangs, der dieses Jahr im Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen Borussia Dortmund steht – und weitere Hoffnung geben könnten, in dieser Situation einer ungewissen Zukunft der Hertha.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website