Bayern-Trainer Vincent Kompany Sein größter Sieg

Der FC Bayern hat das bislang beste Team Europas besiegt und setzt damit seine beeindruckende Erfolgsserie fort. Zu verdanken hat er das insbesondere einem.
Aus Paris berichtet Julian Buhl
Als der 2:1-Sieg des FC Bayern am Dienstagabend bei Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain feststand, ließ auch der ansonsten so besonnene Cheftrainer Vincent Kompany seinen Emotionen freien Lauf. Jubelnd stürmte er auf den Platz und feierte ausgelassen den Triumph im Pariser Prinzenpark inmitten der Jubeltraube seiner Spieler. In diesem Moment gewährte der Belgier ungefilterte Einblicke in das, was dieser Erfolg für ihn bedeutet. Es ist für den 39-Jährigen nämlich nicht weniger als sein bislang größter Sieg in seiner noch jungen Trainerkarriere.
Mit dem 16. Sieg im 16. Pflichtspiel setzten er und die Bayern nicht nur hinter den Traumstart ein riesiges Ausrufezeichen – sondern vor allem auch hinter ihre internationalen Titelambitionen. Die Bayern rütteln am Thron von PSG und sind spätestens jetzt der Favorit auf den Gewinn der Champions League.
Es ist eine bemerkenswerte Entwicklung, die der Rekordmeister seit Kompanys Ankunft in München im Sommer des vergangenen Jahres genommen hat – nach einer komplett titellosen Vorsaison.
Und das mit dem nahezu gleichen Spielerkader, dafür aber ohne langzeitverletzte Spieler wie Alphonso Davies oder Jamal Musiala. Wie dieser Wandel gelang? Mit und dank Kompany. Die Mannschaft folgt seiner auf Ballbesitz, Dominanz und hohe Intensität ausgerichteten Spielidee bedingungslos. Und hat diesen Ansatz nach knapp anderthalb Jahren Zusammenarbeit offenbar komplett verinnerlicht. Genau damit dominierte sie den amtierenden Champions-League-Sieger in dessen eigenem Stadion. 2014er-Weltmeister Mats Hummels sprach anerkennend von einem Klassenunterschied. Ex-Europameister Matthias Sammer ordnete die Geschehnisse gar als "eine neue Dimension von Fußball" ein. Es handelt sich um Kompany-Fußball.
Ein Schachzug zur Halbzeit
Kompanys Handschrift war in Bayern von Anfang an zu erkennen, und inzwischen wird sie immer deutlicher. Er nimmt alle Spieler mit. Dank seiner cleveren Rotation fühlt sich jeder in seiner Mannschaft wichtig. Sein Konzept geht voll auf.
Dem Ex-Profi gelingt es offenbar sogar, seine Mannschaft auf vermeintlich unvorhersehbare Situationen perfekt vorzubereiten, etwa auf jene, in die Luis Díaz die Bayern mit seiner Roten Karte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit in Paris brachte.
Kapitän Manuel Neuer verriet nach der daraus resultierenden "Abwehrschlacht", von der die Protagonisten hinterher stolz sprachen, dass Kompany genau solche Unterzahlsituationen regelmäßig in seinen Übungseinheiten trainieren lässt.
Mit der Einwechslung von Tom Bischof zur zweiten Halbzeit als dritten Sechser gelang dem Coach zudem ein cleverer Schachzug, der sich auszahlte. Dafür nahm er sogar in Kauf, mit Serge Gnabry den bis dahin besten Spieler auf dem Platz auswechseln zu müssen. Damit bewies Kompany mal wieder das richtige Gespür.
Mehr Lernbereitschaft als Guardiola
Viele Experten erkennen bei Kompany bereits Parallelen zu Startrainer Pep Guardiola, unter dem der Belgier jahrelang bei Manchester City als Kapitän spielte. Der Spanier führte die Bayern von 2013 bis 2016 zu einem ähnlich dominanten Fußball. In einem Punkt ist Kompany aber sogar bereits besser als Guardiola: In dem Spiel gegen PSG bewies er nämlich, dass er aus seinen Fehlern lernen kann und vor allem auch will.
In der vergangenen Saison waren ihm und den Bayern sein etwas zu offensiv ausgerichtetes taktisches Konzept unter anderem bei den Niederlagen in Barcelona (1:4), Rotterdam (0:3), Aston Villa (0:1) oder dem Viertelfinalaus in der Königsklasse gegen Inter Mailand (2:2, 1:2) noch zum Verhängnis geworden. Mittlerweile hat der frühere Weltklasseverteidiger sein System aber mit zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen in der Defensive erfolgreich angepasst.
Gleichzeitig bleibt Kompany sich und seinen Grundsätzen auch in den Topspielen treu. Guardiola experimentierte dagegen gerade in den entscheidenden Partien der Saison und verwunderte dabei nicht selten mit seinen taktischen Auf- und Umstellungen vor allem die eigenen Spieler. Auch deshalb schaffte er es in der Champions League mit Bayern nie über das Halbfinale hinaus. Mit Kompany sind die Hoffnungen der Bayern nun groß, dass es endlich auch mal wieder ins Endspiel gehen könnte.
Wer hätte das bei Kompanys Amtsantritt im vergangenen Jahr gedacht, als der Trainernovize erst nach den Absagen anderer prominenter Kandidaten wie Xabi Alonso oder Ralf Rangnick verpflichtet wurde? Er hat sich in kürzester Zeit aber von der D-Lösung zur A-Lösung für Bayern entwickelt – oder besser zur K-Lösung: der Kompany, also Königs-Lösung.
Die Klubbosse wissen jedenfalls längst, was sie an ihm haben. Sie belohnten ihn zuletzt bereits mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung um zwei weitere Jahre bis 2029. Damit beseitigten sie nicht nur den letzten Makel, der Kompany zuvor als vermeintliche Verlegenheitslösung noch anhaftete. Sie kamen damit auch dem wachsenden Interesse an Kompany aus der englischen Premier League zuvor.
Speziell sein Ex-Klub Manchester City soll ihn mit zunehmendem Interesse beobachtet haben – als möglichen zukünftigen Nachfolger für Guardiola. Daraus wird aber erst einmal nichts. Für die Bayern könnte die mit Kompany abgeschlossene Vertragsverlängerung nämlich durchaus den Beginn einer großen Trainerära in München bedeuten. Die Hoffnungen darauf hat Kompany mit dem Triumph in Paris weiter geweckt.
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