Rasante Entwicklung im Frauenfußball "Der Transfermarkt wird explodieren"

Auf dem Fußball-Transfermarkt der Männer sind horrende Ablösesummen mittlerweile Normalität. Wann ist das auch bei den Frauen der Fall?
Zweimal wurde bei Transfers von Fußballerinnen bisher die Millionengrenze überschritten. Einmal im Januar bei der Amerikanerin Naomi Girma, die zum FC Chelsea wechselte, und vor wenigen Tagen bei dem Wechsel von der Kanadierin Oliva Smith zum FC Liverpool.
Uefa-Direktorin Nadine Keßler vermutet daher im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: "Ich glaube, der Transfermarkt wird explodieren. Es ist ein enormes, schnelles Wachstum. Ich weiß nicht, wann wir die 100-Millionen-Marke brechen, aber wenn das in dem Tempo so weitergeht, dann dauert es nicht allzu lang."
Acht deutsche EM-Spielerinnen wechseln zur nächsten Saison
Aber auch abgesehen von den Mega-Transfers kommt mehr Bewegung in die Transferfenster des Frauenfußballs. So wechseln in Jule Brand (Olympique Lyon), Sophia Kleinherne (VfL Wolfsburg), Kathrin Hendrich (Chicago Red Stars), Stina Johannes, Cora Zicai (beide VfL Wolfsburg), Sara Däbritz (Real Madrid), Carlotta Wamser (Bayer Leverkusen) und Sydney Lohmann (Manchester City) gleich acht Spielerinnen aus dem EM-Kader der deutschen Nationalmannschaft im Sommer den Verein. "2018 wurde das Transfersystem bei der Fifa eingeführt. Und wir haben jetzt ein Wachstum ungefähr um das Zehnfache im Vergleich zu vor sieben Jahren", verdeutlichte Keßler.
Neben dem immer mehr boomenden Transfermarkt gibt es eine weitere Parallele zum Herrenfußball: Auf der Insel gibt es das meiste Geld, sagt Jasmina Čović, Chefin der Women's Football Agency (kurz: WFA) und Beraterin von Nationalspielerin Laura Freigang: "Die Engländer haben Kohle, aber auch Klubs wie Galatasaray, Parma und Como investieren. Dort werden wohl gute Gehälter geboten." In diesem Sommer sei für zwei WFA-Kickerinnen Ablöse gezahlt worden. "Das gab's in den zehn Jahren davor nur einmal."
Damit einhergeht auch eine Veränderung im Beraterbusiness. Denn mit steigenden Transfers und Ablösesummen steigt auch die Anzahl derer, die an dem Wachstum profitieren möchten. "Vor zehn Jahren gab es in Europa weniger als zehn Berater, jetzt sind es allein in den Top-Ligen über 300 – mindestens", sagt Čović. "Es ist extrem viel Konkurrenz entstanden." Was ihr auffällt: "Von 300 Beratern sind circa 295 männlich." Čović ist laut eigener Aussage die einzige Frau an der Spitze einer Agentur. Mittlerweile hätten alle Spielerinnen im Profibereich einen Berater.
"Nur die Bayern haben dazu die Möglichkeiten"
Keßler sieht die Entwicklungen im Frauenfußball grundlegend positiv. Neben der Tatsache, dass solche Transfers "eine wichtige Einnahmequelle" für die Vereine darstellen, profitiert die ganze Branche durch die steigende mediale Aufmerksamkeit. Denn klar ist: Je mehr Millionentransfers es gibt, desto mehr interessieren sich auch die Medien dafür.
In der Bundesliga hingegen werde es noch einige Zeit dauern bis zum ersten Millionentransfer – da ist sich Čović recht sicher. "Nur die Bayern haben dazu die Möglichkeiten – die versuchen aber oft, Spielerinnen ablösefrei zu bekommen. Ausnahme war Lena Oberdorf." Die 23-Jährige kam 2024 für die deutsche Rekordablöse von 400.000 Euro vom VfL Wolfsburg, der seit Jahren Spitzenspielerinnen verliert. Eintracht Frankfurt geht es aktuell genauso.
Naturgemäß treibt die Nachfrage die Preise nach oben, findet Spielerinnen-Berater Jörg Neblung. "In Deutschland müssen wir schauen, dass wir die Lücken zu den internationalen Topvereinen nicht noch größer werden lassen. Zumal sich inzwischen auch Investoren bei den Frauen-Klubs einkaufen." Bestes Beispiel: die London City Lionesses. Michele Kang, die neben den Löwinnen noch Lyons Frauenteam und US-Club Washington Spirit besitzt, hat den Hauptstadt-Klub gerade in Englands erstklassige Women's Super League geführt.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa