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Revolution im Fußball: Diese Schreckensszenarien birgt die "Super League"


Diese Schreckensszenarien birgt die Super League

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 19.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Toni Kroos im Duell mit Liverpools Georginio Wijnaldum: Beide könnten bald mit ihren Teams in der "Super League" spielen.Vergrößern des Bildes
Toni Kroos im Duell mit Liverpools Georginio Wijnaldum: Beide könnten bald mit ihren Teams in der "Super League" spielen. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Zwölf europäische Spitzenklubs haben die Gründung einer elitären Super League bekanntgegeben. Die Entscheidung ist eine Zäsur in der Fußballgeschichte und könnte den Sport in seinen Grundfesten verändern.

Es war zu später Stunde, als die Stellungnahme, die aus Berichten und Gerüchten, Realität machte, veröffentlicht wurde. Um kurz nach Mitternacht am Montag, dem 19. April 2021, gaben zwölf europäische Spitzenklubs unter der Führung von Real Madrids Präsident Florentino Perez und Juventus Turins Vorstandsvorsitzenden Andrea Agnelli die Gründung einer paneuropäischen Fußball-"Super League" bekannt.

In undurchsichtigen, diskreten Verhandlungen hatten die Entscheidungsträger sechs englischer (FC Arsenal. FC Chelsea, Tottenham Hotspur, FC Liverpool, Manchester City, Manchester United), drei spanischer (Atletico Madrid, Real Madrid, FC Barcelona) und drei italienischer Klubs (AC Mailand, Inter Mailand, Juventus Turin) über die Köpfe von Millionen von Fans ein Konstrukt erschaffen, das nicht nur sie, sondern auch den europäischen Fußball-Dachverband Uefa düpiert.

Denn: Am heutigen Montag wollte die Institution vom Genfer See die Reform ihres prestigeträchtigsten und lukrativsten Wettbewerbs, der Champions League, präsentieren – um eben jene Großklubs zu besänftigen, die nun gegen die Uefa putschieren.

US-Bank JP Morgan spendiert "Super League" Milliarden

Mussten Real, Juve und Co. bisher im für sie schlechtesten Fall unattraktive Qualifikations- und Playoffrunden über sich ergehen lassen, um die Endrunde der Champions League zu erreichen, sollte ihnen in Zukunft über einen Koeffizienten ihr Platz in der Königsklasse nahezu stets sicher sein.

Die Entscheidung gegen die Privilegien der Uefa und für die "Super League" zeigt, dass diese Klubs der Marke Champions League entwachsen sind. So sollen die "Super League"-Gründungsmitglieder von der US-Bank JP Morgan mit 3,5 Milliarden Euro alimentiert werden. Juventus Turin geht in einem Börsenbulletin von Auszahlungen in Höhe von über zehn Milliarden Euro aus. Zum Vergleich: Real Madrids Konzernumsatz lag im Jahr 2020 bei 715 Millionen Euro. Durch den zugesicherten "Super League"-Betrag hätte Real mit einem Schlag bereits über ein Drittel seines Vorjahres-Umsatzes eingefahren.


Quasi als Vorschlag zur Güte bieten die "Super League"-Teams an, ihre Partien unter der Woche auszutragen, um wochenends am regulären nationalen Ligabetrieb teilzunehmen und so den traditionellen Spielkalender zu erhalten. Die englische Premier League, die ihre bisherige Konkurrenz auch durch einen ausgeklügelten Finanzierungsschlüssel wahren konnte, würde dadurch jedoch enorm an Wettbewerbscharakter verlieren, wenn sechs von 20 Vereinen durch die "Super League"-Einmalzahlung bereits die Finanzkraft von etwa dem FC Everton erreicht hätten (212 Millionen Euro Jahresumsatz 2020, Anm. d. Red.).

Zudem ist fraglich, was in einer solchen Zukunft die Qualifikation zur Champions League wert wäre. In der Premier League berechtigen die ersten vier Plätze zur Teilnahme an der europäischen Königsklasse. Geht man davon aus, dass die sechs "Super League"-Teams durch ihre finanzielle Übermacht die nationale Liga unter sich entscheiden und aufgrund ihrer Partien unter der Woche gegen Barcelona, Real, Juve und Co. nicht am Europapokal teilnehmen, wer würde dann England vertreten – und welchen Stellenwert hätte eine solche Champions League dann überhaupt noch?

Fans kein Faktor in "Super League"-Überlegungen

Die nationalen Fußballverbände haben bereits zu verstehen gegeben, dass sie – sollte die "Super League" tatsächlich ihren Spielbetrieb aufnehmen – teilnehmende Vereine sanktionieren und ihre Zukunft ohne sie planen würden. Das würde auch bedeuten: Fans von Liverpool, ManUtd oder Inter würden in ihrer Möglichkeit, ihr Team zu unterstützen, ihm hinterherzureisen, massiv eingeschränkt werden. Bustouren über das Land zum Auswärtsspiel gegen den unangenehmen Aufsteiger würde es nicht mehr geben. Gerade im Ausblenden dieses Aspekts – dem Ausleben des Fanseins, überhaupt des Faktors Fan – zeigt sich das treibende Motiv hinter der "Super League"-Gründung: Geld und Vermögensaufbau.

Wenn Real-Präsident und "Super League"-Boss Perez also davon spricht, dem Fußball helfen und ihn "an seinen rechtmäßigen Platz in der Welt bringen" zu wollen, dann meint er damit in erster Linie den aus seiner Sicht rechtmäßigen Platz auf dem Finanzmarkt. Die Anteilseigner der zwölf "Super League"-Aktiengesellschaften goutieren den Schritt dementsprechend. Allein Juventus Turins Börsenkurs ist seit der Veröffentlichung des Gründungsschreibens über sieben Prozent gestiegen.

Das Ende der Premier League, der Primera Division, der Serie A, der Champions- und Europa League, wie wir sie kennen, könnte jedoch erst der Anfang der Veränderungen im europäischen Fußball sein, die die Gründung der "Super League" angestoßen hat. Werden Klubs als Anlage- und Spekulationsobjekt gesehen, ist die lokale Entkopplung nicht mehr weit. Ein Franchisesystem im Stile des US-Profisports, in dem Vereine zuvorderst als ortsunabhängige Marken existieren, droht.

Droht europäischen Klubs das US-amerikanische Modell?

Allzu abwegig ist dieser Gedanke nicht. Man nehme nur das Beispiel der beiden Mailänder Vereine AC und Inter. Beide Traditionsvereine haben in den vergangenen Jahren mehrere Besitzerwechsel über sich ergehen lassen müssen, schlagen sich mit Schuldenbergen im dreistelligen Millionenbereich herum – und planen dennoch bereits seit geraumer Zeit, das gemeinsame Giuseppe-Meazza-Stadion aufzugeben und Neubauten zu errichten. Zwar würden die JP-Morgan-Millionen bei der Schuldentilgung und einer möglichen Baufinanzierung helfen, Bauland in und um Mailand ist jedoch weiter rar.

Was also, wenn ein neuer Investor Inter oder den AC mit neuer Infrastruktur lockt, dafür jedoch einen Umzug aus der lombardischen Metropole fordert? Für europäische Fußballfans mag es ein abstruses Schreckensszenario sein, einen Verein deshalb in eine andere Stadt zu verfrachten, für US-amerikanische Basketball- und Footballanhänger ist es jedoch seit jeher ein bekannter und vielerorts rational nachvollziehbarer Grund. Die Hemmschwelle für solche Aktionen im europäischen Fußball dürfte mit der Gründung der "Super League" insbesondere bei den US-amerikanischen Besitzerfamilien Kroenke (FC Arsenal) und Glazer (Manchester United) bedeutend gesunken sein.

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Bleibt die Frage, wer dieses Produkt "Super League" mit all seinen Auswüchsen konsumieren will. Graswurzelfans aus Anfield, San Siro und Old Trafford dürften den neuen Wettbewerb mit einer Mischung aus Argwöhn und Abscheu betrachten. Doch um sie dürfte es in dieser Planung ohnehin nicht gegangen sein.

Vielmehr spricht die "Super League" das Publikum an, das in der Champions-League-Saison erst zum Viertelfinale einschaltet, das sich jährlich zur Eventreise ins Emirates-, Etihad- und Allianz-Stadion aufmacht, an die Anhänger in Fernost und Nordamerika, die bereits heute den Großteil der Merchandise-Erlöse ausmachen und wegen des Spektakels, das Messi im "Clásico" und Cristiano Ronaldo im "Derby d'Italia" verspricht, mitfiebern – und nicht, weil sie Bill Shanklys Idee vom "Fußballsozialismus" oder die tragische Geschichte der "Busby Babes" romantisieren.

Verwendete Quellen
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