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EM 2021 | Spanien gegen Kroatien – Gaizka Mendietas Gedanken zu Joachim Löw


Spanien-Legende Mendieta
"Joachim Löw ist ein bisschen wie Lou Reed"

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 28.06.2021Lesedauer: 7 Min.
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Joachim Löw: Der Bundestrainer verlässt das DFB-Team nach der EM. Spanien-Ikone Gaizka Mendieta sieht bei ihm Parallelen zu einem besonderen Rockmusiker.Vergrößern des Bildes
Joachim Löw: Der Bundestrainer verlässt das DFB-Team nach der EM. Spanien-Ikone Gaizka Mendieta sieht bei ihm Parallelen zu einem besonderen Rockmusiker. (Quelle: t-online/imago-images-bilder)

Vor 20 Jahren prägte Gaizka Mendieta mit Valencia den europäischen Fußball. Nun lebt der Musik-Enthusiast in London und macht sich vor dem Kracher gegen England ganz eigene Gedanken zu Joachim Löw.

Auch zwei Jahrzehnte nach dem Champions-League-Finale 2001 ist Gaizka Mendieta vielen deutschen Fans noch ein Begriff. Der elegante Mittelfeldspieler verwandelte damals zwei Elfmeter – ebenso wie t-online-Kolumnist Stefan Effenberg – und verpasste mit dem FC Valencia gegen Bayern München dennoch den Titel. Mittlerweile ist er 47 Jahre alt, lebt in London und beschäftigt sich immer noch professionell mit Fußball.

t-online: Herr Mendieta, in Deutschland wird auch acht Monate später immer mal wieder über das 0:6 der DFB-Elf gegen Spanien gesprochen. War Spanien damals so gut oder Deutschland so schlecht?

Gaizka Mendieta: Das spanische Team hatte da seinen sprichwörtlich besten und das deutsche seinen schlechtesten Tag. In diesem Spiel ist fast alles ins Spaniens Richtung gelaufen und die Deutschen waren nicht so schlecht wie normalerweise bei einer 0:6-Niederlage. So etwas sieht man in Spielen zwischen großen Fußballnationen nicht oft. Aber um die Frage zu beantworten: Deutschland war nicht so schlecht und Spanien nicht so gut – wie man übrigens auch jetzt bei der EM sehen kann.

Apropos EM: Nach zähen Unentschieden gegen Schweden und Polen hat das spanische Team 5:0 gegen die Slowakei gewonnen. Wie gut ist Spanien wirklich?

Die Polen und Schweden stehen defensiv sehr eng, versuchen oft, alle elf Spieler hinter den Ball zu bekommen und das macht es natürlich schwer. Ein frühes Tor ist da sehr hilfreich und dieses hat das spanische Team zweimal verpasst – trotz zahlreicher Chancen. Gegen die Slowakei waren sie diesbezüglich konsequenter, auch wenn Álvaro Morata früh einen Elfmeter verschossen hat. Doch die Spanier waren danach weiter voll im Spiel, haben kontinuierlich Druck gemacht und dann fielen auf einmal die Tore. Zur Halbzeit stand es bereits 2:0 und dann war mehr Platz da und diesen haben sie für drei weitere Treffer genutzt. Das war ganz wichtig fürs Selbstbewusstsein.

Vor dem 5:0 schien Trainer Luis Enrique der meistkritisierte Mann in Spanien zu sein. Zu Recht?

Nicht wirklich. Wenn man auf die Statistik guckt, sieht man, dass Spanien in allen drei EM-Partien etwa die gleiche Anzahl von Chancen herausgespielt hat. Sie haben im Grunde sehr ähnlich gespielt, doch das war nicht immer auf der Anzeigentafel sichtbar. Natürlich gab es viel Kritik an Luis Enrique, aber das hat sich jetzt größtenteils erledigt.

Ein Hauptkritikpunkt war, dass Enrique Sergio Ramos zu Hause gelassen hat. War das die richtige Entscheidung?

Ja, auf Ramos zu verzichten war die richtige Entscheidung. Ramos war verletzt und hat vier Monate nicht gespielt. Das ist eine lange Zeit. Heutzutage muss man bei hundert Prozent sein für ein Turnier wie die EM. Selbst ein großer Spieler wie Ramos muss da auf seinem besten Level sein.

Ramos verlässt Madrid und ist auf Vereinssuche. Wäre er ein Spieler für die Bundesliga – vielleicht für Dortmund? Mit Raúl ist schon einmal eine Real-Ikone zu einem Ruhrgebietsklub gewechselt, nämlich damals zu Schalke.

Ja, natürlich ist er ein Spieler für die Bundesliga. Aber ich kann ihn mir fast überall vorstellen und bin sicher, dass er zu einem Topklub geht. Wenn man in dieser Zeit seiner Karriere ist, muss man offen sein für alle möglichen Optionen. Ich bin beispielsweise von Valencia zu Lazio Rom und danach nach England gewechselt, um andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Ich denke, das wird er genauso machen. Bei einem anderen Klub in Spanien kann ich ihn mir jedenfalls nicht vorstellen – du spielst nicht so lange für Real und wechselst dann zu einem anderen spanischen Team. Zu Barça wird er jedenfalls nicht wechseln, das ist klar. (lacht)

Zurück zur EM. Spaniens nächster Gegner ist im Achtelfinale Kroatien. Wie stehen die Chancen?

Ich sehe Spanien jedenfalls nicht als Favorit. Wenn man beide Kontrahenten Spieler für Spieler vergleicht, hat Spanien natürlich das bessere Team mit mehr Akteuren bei Topklubs. Aber Kroatien ist immer noch Vizeweltmeister und – ehrlich gesagt – sehe ich die Chancen 50:50. Die Kroaten haben zwar zuletzt gegen Schottland nicht gut gespielt, dank der individuellen Qualität ihrer Topspieler wie Luka Modrić und Mateo Kovačić aber dennoch gewonnen. Es wird ein ausgeglichenes Spiel, das durch Kleinigkeiten entschieden wird – und eine große Herausforderung für Spanien.


Mit Dani Olmo ist auch ein Spieler aus der Bundesliga dabei. Ist er in der spanischen Öffentlichkeit eigentlich so auf dem Radar wie seine Kollegen aus La Liga oder der Premier League?

Ja, er wird schon entsprechend berücksichtigt. Vor der EM habe ich mir mal angeschaut, wie viele Spieler aus Leipzig dabei sind – und war beeindruckt. Olmo ist einer der besten davon. Er ist in der Offensive auf verschiedenen Positionen einsetzbar und spielt seit über einem Jahr auf einem konstant hohen Level.

Olmo hat einen eher ungewöhnlichen Weg in die Nationalmannschaft gemacht. Er wechselte als Teenager zu Dinamo Zagreb, spricht Kroatisch und kennt viele kroatische Nationalspieler. Ein Vorteil für Spanien?

Ich bin mir sicher, dass Luis Enrique und sein Team ebenfalls viele kroatische Spieler kennen. (lacht) Aber natürlich ist es gut, jemanden im Team zu haben, der Kroatien so gut kennt. Olmo hat in der Nationalmannschaft als Spieler von Zagreb debütiert. Selbst heutzutage ist das noch ungewöhnlich und zu meiner Zeit wäre das unmöglich gewesen. Aber Luis Enrique hat einiges verändert und das ist großartig. Zuvor musste man jahrelang konstante Leistung im Klub – meistens in Spanien – abgerufen haben, um in die "Selección" berufen zu werden. Heute geht es mehr um die Form und die richtige physische und mentale Verfassung – weil es insgesamt mehr Spiele gibt.

Kommen wir zum deutschen Team. Waren Sie schockiert über den Auftritt gegen Ungarn?

Einerseits schon, andererseits nicht. (lacht) Ungarn hat gegen Frankreich fast gewonnen und auch gegen Portugal gut gespielt. Es ist also kein Zufall, dass sie auch gegen Deutschland fast gewonnen hätten. Die Deutschen haben einfach zu viele Fehler gemacht und wären dafür fast bestraft worden. Aber sie sind mental stark und es ist ein Turnier. Deshalb erwarte ich das deutsche Team in Zukunft eher in der Verfassung wie gegen Portugal – sehr körperlich, mit starkem Pressing, vielen Chancen und stärkerer Defensive.

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Und wie sehen Sie die Chancen gegen England?

Ausgeglichen. England hat zuletzt ebenfalls nicht so gut gespielt, hat nun in Wembley aber ein Heimspiel. Und es geht gegen Deutschland – da werden sie hochmotiviert sein. Ab jetzt wird alles durch kleine Details entschieden. Vor einem Spiel gehe ich normalerweise die Spieler Position für Position durch und vergleiche. Das Ergebnis: Bei Deutschland gegen England ist die individuelle Qualität einfach sehr ähnlich. In Bezug auf die Art zu spielen, ist das schon etwas anders. Deutschland ist abgeklärter und erfahrener – wie sie als Team spielen, wie sie angreifen. Gerade da ist England nicht so gut.

England hat erst zwei Tore erzielt. Hat Trainer Gareth Southgate sein Team etwas zurückgehalten oder sind sie in der Offensive trotz Spielern wie Harry Kane oder Dortmunds Jadon Sancho wirklich nicht besser?

Die spielen nach dem Motto "Sicherheit zuerst", priorisieren die Defensive. Und weil sie so viel Qualität vorne haben, treffen sie dennoch – wenn auch nicht oft. Aber manchmal sieht es schon so aus, als ob sie die Dinge, die sie eigentlich könnten, bewusst nicht tun. Es wird interessant zu sehen, wie Deutschland darauf reagiert, ob sie England den Ball überlassen und abwarten, oder ob sie von Beginn an hartes Pressing spielen.

Können es die Deutschen ins Finale schaffen?

Natürlich können sie es ins Finale schaffen. Ab jetzt kann jeder das Finale erreichen. Mein Favorit ist Italien und dahinter kommt Belgien und dann folgen Spanien, Frankreich, Deutschland und England.

Welchen deutschen Spieler hätten Sie gerne für das spanische Team?

Puh, da gibt es einfach zu viele. (lacht) Ich schaue sehr viel Premier League und mag Kai Havertz sehr gerne. Er ist jung, sehr talentiert und würde mit der Art, wie er in Chelsea spielt, im spanischen Team definitiv funktionieren. In der deutschen Nationalmannschaft ist er ein bisschen eingeschränkter, was Freiheiten und die Art seines Spiels angeht.

Kommen wir zu Ihnen persönlich. Sie haben 40 Mal für Spanien gespielt und standen mit Valencia zweimal Champions-League-Finale. Was machen Sie heute?

Nach meiner Zeit beim FC Middlesbrough (2004 bis 2008, Anm. d. Red.) bin ich in England geblieben und lebe nun in London. Ich arbeite als Botschafter von Uefa und La Liga und zudem als TV-Experte. Momentan erlaubt mir das, nah am Profigeschäft zu sein, viele Begegnungen zu schauen und mit Spielern zu sprechen. Ich würde aber irgendwann gerne noch direkter in einem Klub oder Verband arbeiten.

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Daneben habe ich unterschiedliche Unternehmen, betreibe einige Restaurants und arbeite als DJ – zuletzt wegen der Corona-Pandemie allerdings nicht mehr so viel. Außerdem unterstütze ich Global United FC, eine NGO, die sich seit einem Jahrzehnt dem Umweltschutz verschrieben hat, auf die Folgen des Klimawandel aufmerksam macht und das mit Fußball verbindet. Das reicht von Hilfsprojekten in Erdbebenregionen wie Haiti über Initiativen zum Bienenschutz in Bayern bis zu Charity-Events wie der Eisfußball-WM. Mit dabei sind über 500 namhafte aktive und ehemalige Profis.

Sie erwähnten Ihr DJing. Wie kam es dazu?

Das hat nach meiner Fußballkarriere angefangen. Ich mag etwas speziellere Musik wie Rock, Indie oder Soul und bin zudem ein großer Schallplattensammler. Ein Freund, der in Valencia einen Plattenladen besitzt, ist DJ und hat irgendwann gefragt, ob wir zusammen auflegen wollen. Und so hat das Ganze angefangen.

Haben Sie einen Lieblingskünstler?

Ich wurde von sehr vielen Bands beeinflusst. Eine große Inspiration ist Lou Reed von The Velvet Underground. Er und Velvet haben die Musik verändert und zusammen mit Andy Warhol auch die Kunst.

Mit welchem Künstler würden Sie Bundestrainer Joachim Löw vergleichen?

Puh, das ist eine schwierige Frage. (schweigt) Wahrscheinlich auch mit Lou Reed.

Warum?

Ich sehe ihn als starken Charakter, bin mir aber auch sicher, dass er eine Art weiche, sehr sensible Seite hat. Von daher ist Löw ein bisschen wie Lou Reed.

Löw wird die DFB-Elf nach dem Turnier verlassen. Wird er danach noch mal bei einer Klubmannschaft anheuern?

Das kann natürlich sein. Er ist einer der besten Trainer der Welt und hat große Erfolge vorzuweisen. Madrid war sicherlich an ihm interessiert in den vergangenen Jahren und ich wüsste nicht, warum Löw nicht zu Real wechseln sollte.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Gaizka Mendieta
  • Website von Global United
  • YouTube-Account von Gaizka Mendieta
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