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Jörg Dahlmann über Verlust der Bundesliga: "Das wäre das Ende von Sky"


Jörg Dahlmann
"Ich hätte Helene Fischer applaudiert"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 01.03.2022Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Jörg Dahlmann äußert sich im Interview mit t-online auch zu Helene Fischers Auftritt beim Pokalfinale 2017: "Ich hätte ihr applaudiert", so der 63-Jährige über den Schlagerstar.Vergrößern des Bildes
Jörg Dahlmann äußert sich im Interview mit t-online auch zu Helene Fischers Auftritt beim Pokalfinale 2017: "Ich hätte ihr applaudiert", so der 63-Jährige über den Schlagerstar. (Quelle: MIS/ Michael Philipp Bader/ Grafik t-online/imago-images-bilder)

Jörg Dahlmann ist sauer. Und zwar auf seinen alten Arbeitgeber Sky. Dieser feuerte ihn vergangenes Jahr. Warum? Darüber hat Dahlmann nun ein Buch geschrieben – und vorab exklusiv mit t-online darüber gesprochen.

Jörg Dahlmann geht es gut. Wer dem 63-Jährigen auf der Social-Media-Plattform Instagram folgt, erlebt dort einen blendend gelaunten ehemaligen Fußballreporter, der sein Leben genießt.

Nur eine Sache, die wurmt ihn: die vorgezogene, vorläufige Rente. Denn seit gut einem Jahr kommentiert Dahlmann keine Fußballspiele mehr. Nach rund 40 Jahren im Beruf.

(Quelle: leer)

Jörg Dahlmann (63), geboren 1959 in Gelsenkirchen, lernte Journalismus von der Pike auf. Nach Zivildienst, Volontariat und Studium (Sport, Englisch, Geografie) begann er beim ZDF als Fußballreporter. Jahrzehntelang berichtete er für verschiedene TV-Sender über die Bundesliga, von der Champions League, von Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen. Von 2017 bis 2021 kommentierte er für den Pay-TV-Sender Sky.

Dahlmann ist bis heute enttäuscht über sein Ende bei Sky. Auch deshalb hat er nun ein Buch geschrieben, etwas mehr als 300 Seiten lang, und spricht dabei ausführlich über sein Unverständnis sowie seine lange Karriere als Fußballkommentator.

Im Interview mit t-online attackiert er seine ehemaligen Senderchefs, erinnert sich zurück an alte Zeiten bei Sat.1 – und muss sich mit der Frage beschäftigen, welche Verantwortung er selbst an seinem Aus trägt.

Herr Dahlmann, in Ihrem Buch attackieren Sie gleich zu Beginn Ihren ehemaligen Arbeitgeber Sky, nennen konkret den Namen von Redaktionsleiter Mario Nauen. Sie sprechen vom Untergang der Redaktion, einer Fehlbesetzung und dessen Unfähigkeit. Woher kommt dieser Frust?

Jörg Dahlmann (63): Das ist kein Frust, sondern eine Einordnung von mir. Ich bin sauer und enttäuscht gewesen, als ich von Sky gefeuert wurde. Und wenn du von Menschen ausgebootet wirst, von denen du selbst keine hohe Meinung hast, fällt es dir eben schwer, ruhig zu bleiben. Ich zähle da auch Charly Classen (Executive Vice President Sports bei Sky, Anm. d. Red.) dazu, die beiden sind für mich eine Masse. Ich sehe und weiß, welche Fehler sie gemacht haben.

Von welchen Fehlern sprechen Sie?

Mario Nauen war nicht einmal in einer Besprechung bei uns Sky-Kommentatoren dabei, um sich auszutauschen. Ich finde, das muss ein Redaktionsleiter machen. Der kann sich nicht nur in den VIP-Raum reinsetzen und Schnittchen oder Schnitzel essen, sondern muss an die Basis kommen und mit seinen Mitarbeitern sprechen. Konkret werfe ich ihm und Classen einfach schlechte Kommunikation vor. Und schlechte Handhabe mit Problemen.

Sie arbeiten chronologisch die Ereignisse ab, die in Ihren Augen zum Aus bei Sky führten und schreiben: "'Für eine Kuschelnacht mit Sophia Thomalla würde ich mich auch auf die Bank setzen' – dieser Satz sollte mein Leben verändern." Klingt dramatisch.

Mein Ende war schon nach dem Thomalla-Spruch besiegelt. Mir wurde berichtet, dass Sky mich nach dieser Nummer irgendwie loswerden wollte. Den Vorwurf, den ich Sky mache, ist, dass sie mir sowohl im "Fall Thomalla" als auch im "Fall Sushi" einen Strick um den Hals gelegt und zugezogen haben. Wenn man jemanden anklagt, sollte man immer zumindest dessen Argumente anhören. Das ist aber nicht passiert und unwürdig für Leute, die in wichtigen Positionen sitzen.

Der "Sushi-Spruch" brachte dann das Fass zum Überlaufen. Sie hatten in einem Live-Kommentar das Land Japan als "Land der Sushis" bezeichnet.

Ich wurde bei dieser Nummer bewusst missverstanden. Ich würde nie im Leben einen Japaner als Sushi oder einen Italiener als Spaghetti bezeichnen. Das gehört sich nicht. Ich war in einer Live-Situation und wollte ein Synonym verwenden, da ich zuvor schon einmal das Wort "Japaner" benutzt hatte. Das war die ganze Absicht. Ich finde es abstrus, mir eine Böswilligkeit zu unterstellen. Das war unverschämt und anmaßend.

Sie waren bereits fast 40 Jahre im Geschäft. Mit der Vorgeschichte Thomalla sowie den bereits existierenden Spannungen mit der Sky-Führung hätte Ihnen doch klar sein müssen, dass Sie unter besonderer Beobachtung stehen. Ärgern Sie sich über den Sushi-Satz?

Nö. Ich finde es kacke, wie damit umgegangen wurde. Das klingt jetzt, als wäre ich dickköpfig und uneinsichtig. Und viele werden sagen: "Lernt er denn nichts?". Aber ich muss ja trotzdem meine Meinung vertreten. Und ich würde auch den Fall Thomalla vom Sushi-Fall unterscheiden. Nach dem Thomalla-Spruch habe ich mich bei den Leuten entschuldigt, die diesen laxen Spruch von mir als sexistisch empfanden. Möglicherweise war das Altherren- oder Stammtischniveau, das nicht in ein Fußballspiel gehört. Diese Argumentation kann ich nachvollziehen. Der Sushi-Spruch hingegen wurde mutwillig von jenen Menschen fehlinterpretiert, die genau das heraushören und teilweise eben auch mir schaden wollten.

Das Tischtuch mit Ihren alten Senderchefs scheint zerschnitten. Hätten Sie Interesse an einer Versöhnung?

Ich bin immer dafür, dass man den diplomatischen Weg wählt und miteinander spricht. Ich weiß zwar nicht, wie die Kollegen Nauen und Classen darüber denken und welcher Druck vielleicht auf sie ausgeübt wurde. Aber ich hätte mir einfach mehr Rückhalt und mehr Rückgrat gewünscht.

Haben Sie Ihren Wechsel zu Sky im Jahr 2017 jemals bereut?

Nein. Wir hatten einen großartigen Kollegenkreis, ich habe mich mit vielen super verstanden. Als quasi der Nachruf auf mich gehalten wurde, da haben sich einige Kollegen für mich eingesetzt. Der Buschmann. Der Wolff Fuss. Der Wasserziehr. Hansi Küpper.

Was werfen Sie sich persönlich vor?

Es gibt den Spruch: Zum Streit gehören immer zwei. Den finde ich doof. Carsten Schmidt und Burkhard Weber, die mich 2017 geholt hatten, wollten, dass Sky bunter wird. Knapp zwei Jahre später waren beide weg. Die bereits erwähnten Nauen und Classen stehen eben mehr für eine nüchterne, sachliche Berichterstattung. Vermutlich passen wir nicht zusammen. Ich hätte mich umstellen und mich anpassen können. Aber nach 40 Jahren im Geschäft auf den letzten Metern auf einmal sachlich zu werden und von "Expected Goals" zu reden? Nein, das ist nicht meins.

Gehört für Sie die Provokation beim Kommentieren dazu?

Ich weiß, dass ich polarisiere. Aber ich will und wollte nie bewusst provozieren. Es gibt Menschen, die meine Art furchtbar finden. Andere finden sie klasse. Wenn ich zurück an die Zeit von "ran" bei Sat.1 denke: Der Sender hat von Polarisierung gelebt. Bei Werner Hansch (ebenfalls Kommentator, Anm. d. Red.) gingen die Meinungen noch weiter auseinander als bei mir.

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"Das Geld floss in Strömen" schreiben Sie in Ihrem Buch über die Zeit bei "ran" in den 90ern. Was vermissen Sie, beziehungsweise was konnte man sich früher als Reporter erlauben, was heute undenkbar wäre?

Der damalige Redaktionschef Reinhold Beckmann hat einmal zu uns gesagt: "Macht. Wagt. Und wenn ihr zweifelt, macht’s trotzdem. Ich entschuldige mich dann hinterher für euch." Wir hatten einen Freifahrtschein unter ihm. Aber diese Zeiten sind vorbei.

Klingt, als hätten Sie damals deutlich mehr Spaß an der Arbeit gehabt.

Wir haben damals einfach von Grund auf Lust und Laune verbreitet. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sendungen wie "ran" und "Anpfiff" dafür gesorgt haben, dass sich plötzlich andere Leute, auch mehr Frauen, für Fußball interessiert haben, die zuvor nichts damit anfangen konnten.

Mit "ran" und "Anpfiff" begann eine Art "Eventisierung" des Fußballs. Gut 30 Jahre später wird über vieles geredet: Gehälter, Klamotten oder das Aussehen der Spieler – der Sport selbst scheint nicht mehr so im Fokus zu stehen. Sehen Sie das als Problem?

Ich habe kein Problem mit einer gewissen Inszenierung. Wir leben in einer Anti-Gesellschaft. Das mag ich nicht. Helene Fischer wurde in der Halbzeitpause des Pokalfinals 2017 bei ihrem Auftritt ausgebuht. Ich hätte ihr applaudiert. So ein Showact ist doch in Ordnung. Beim Superbowl (Finale der US-amerikanischen Footballliga, Anm. d. Red.) finden die Leute alles geil und fahren auf die Halbzeitshow ab. Bei uns laufen sie Sturm, wenn Helene Fischer singt. Das scheint ein Teil unserer teutonischen Anti-Struktur zu sein.

Aber Sie müssen doch unterscheiden zwischen dem 55-jährigen Ehepaar, das das Finale am TV guckt, und den Frankfurter Ultras in der Kurve. Es ist doch logisch, dass die nicht bei Helene Fischer jubeln.

Trotzdem muss eine gewisse Toleranz vorherrschen. Man muss die Frau doch nicht ausbuhen und kann den anderen Leuten die Show gönnen. Helene Fischer hat nicht den Fußball kaputt gemacht. Sie hat nur gesungen.

Die Pfiffe richteten sich ja nicht gegen Helene Fischer per se, sondern gegen sie als Symbol für falsche oder schlechte Entscheidungen des DFB. Ähnlich war es auch im Fall Dietmar Hopp, den bestimmte Fangruppen als zentrales Symbol nehmen für viele Dinge, die im "modernen Fußball" schieflaufen.

Ich verstehe absolut, dass Fans eine gewisse Sorge in sich tragen – und protestieren. Und ihrem Ärger mit Plakaten dann Ausdruck verleihen. Das ist völlig legitim.

Apropos "moderner Fußball". Die Bundesliga läuft freitags und sonntags beim Streamingsender DAZN, Sky hat nur noch den Samstag. Wäre ein Verlust der kompletten Bundesliga das Ende von Sky?

Ja.

Ja?

Ja (lacht), das wäre das Ende von Sky. Keiner holt sich ein Sky-Abo, um Filme zu gucken. Auch nicht wegen der Comedy. Die Kernkompetenz von Sky ist Sport, insbesondere Fußball und Formel 1. Und ich verstehe einfach drei Dinge nicht. Erstens: Der Nachrichtensender "Sky Sport News" ist leider wieder hinter der Bezahlschranke verschwunden. Man hätte in ihm Free-TV viel stärker promoten müssen – das ist nicht passiert. Zweitens: Die Präsentation der Bundesliga ist unwürdig. Nichts gegen die Protagonisten. Aber so ein Hochglanzprodukt, das live stattfindet, musst du viel größer und besser verkaufen. Und drittens: Der Umgang mit der 2. Bundesliga, in der es keine richtige Konferenz mehr gibt. Aber jetzt höre ich auf, sonst rede ich mich in Rage.

Nur zu.

Es ist die beste 2. Liga aller Zeiten. Mit Werder, mit Schalke, mit dem HSV. Aber wir erleben die mieseste Präsentation aller Zeiten. Keine normale Konferenz. Kaum Kommentatoren in den Stadien. Der Sender sagt dann, er muss Geld sparen. Er kann an 1.000 anderen Stellen sparen, aber doch bitte nicht an der 2. Liga. Das ist gruselig, wie die behandelt wird. Du musst die Live-Strecken stärken. Alle anderen Sachen drumherum sind Rohrkrepierer.

Das letzte Kapitel in Ihrem Buch nennen Sie "Der Sexismus- und Rassismuswahnsinn." Sie schreiben davon, dass der "ideologische Kampf um die Meinungsfreiheit inzwischen die Verwendung von Begriffen und Wörtern erfasst hat." Geht es nicht viel mehr um das Bewusstsein, dass bestimmte Worte eben Leute verletzen können?

Sicher geht es auch darum. Das war ein schwieriges Kapitel. Sky hat zuletzt ein Pamphlet herausgebracht, in dem es beispielsweise darum geht, dass man nicht mehr "farbig" oder "dunkelhäutig" sagen soll, sondern "Person of Colour". Das erschließt sich mir nicht.

Warum nicht?

Ich hatte elf Jahre lang eine dunkelhäutige Freundin, die sich auch selbst so bezeichnete. Ich glaube, dass wir in dem Moment, in dem wir das Thema zu sehr sezieren, es eher noch stärker zum Problem machen.

Sie sprechen in Ihrem Buch aber selbst sehr viel über Rassismus, zählen etliche Fälle auf, in denen im Fußball zuletzt kontroverse Diskussionen entstanden. Warum machen Sie es so sehr zu Ihrem Thema?

Durch die Fälle Sushi und Thomalla bin ich mit Sexismus und Rassismus in einer Art und Weise konfrontiert worden, die ich zuvor noch nicht erlebt habe. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in meiner Autobiografie etwas verarbeiten musste. Aber ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Und es ist schwierig zu erreichen, dass sich niemand angegriffen fühlt.

Aber es ist ja wichtig, wie Sie auch selbst sagen, miteinander zu sprechen und auf Leute zuzugehen, die sich möglicherweise angegriffen fühlen.

Meine Meinungsbildung zu dem Thema ist auch noch nicht komplett abgeschlossen. Ich glaube, wir befinden uns da in Deutschland noch in einer Art Findungsphase, in der sich einiges entwickelt. Wenn ich beispielsweise an den Schlager "Im Wagen vor mir" von Henry Valentino denke: Die Person, die da zu Wort kommt, ist der klassische Stalker. Oder die Polonaise Blankenese: "Erwin fasst der Heidi von hinten...". Das ist Sexismus, den Leute zum Teil immer noch singen, Lieder, die immer noch auf Volksfesten gespielt werden. Da muss man rangehen und viele Dinge verändern. Es bleibt ein schwieriges Thema, das sich nicht eins zu eins argumentativ auf eine Linie bringen lässt.

Anmerkung: "Jörg Dahlmann – Immer geradeheraus" erscheint am 4. März im Edel Books Verlag.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Jörg Dahlmann
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