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25.000 Zuschauer in Belgrad trotz Corona – was war bei diesem Spiel los?


25.000 Zuschauer
Auf die Folgen dieses Fußballspiels schaut ganz Europa

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 12.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Fans im Partizan-Stadion: Die Anhänger standen im "Ewigen Derby" gegen Roter Stern Belgrad dicht gedrängt auf den Rängen-Vergrößern des Bildes
Fans im Partizan-Stadion: Die Anhänger standen im "Ewigen Derby" gegen Roter Stern Belgrad dicht gedrängt auf den Rängen- (Quelle: Marko Djurica/Reuters-bilder)

Es wirkte surreal, so mitten in der Corona-Pandemie: 25.000 Zuschauer strömten zum Belgrader Fußball-Pokalduell ins Stadion. Doch was soll man nun davon halten? Eine Spurensuche.

"Ich werde schon den ganzen Morgen mit Medienanfragen bombardiert", erzählt ein Mitarbeiter des serbischen Fußballverbands (FSS) – der anonym bleiben will – gegenüber t-online.de. "Größtenteils von westeuropäischen Medien, die sehr negative Fragen stellen und uns Vorwürfe machen, dass das Spiel stattgefunden hat."

Doch worum genau geht es?

Die Fußballpartie, von der aktuell die ganze Welt spricht, fand am Mittwoch in Belgrad statt: Pokalhalbfinale, FK Partizan gegen Roter Stern (1:0). Ein Traditionsduell. Und trotzdem unter normalen Umständen kein Spiel, über das außerhalb von Serbien groß diskutiert wird.

Doch wenn sich in Corona-Zeiten 25.000 Zuschauer im Stadion von Partizan versammeln, um das "Ewige Derby" zu feiern, ist das durchaus mehr als nur eine Randbemerkung wert.

Die Frage ist: Wie kann es sein, dass nur zwei Flugstunden von Deutschland entfernt ein Fußballderby vor vollen Rängen abgehalten werden kann? Eine Spurensuche.

Serbien hat nach Wochen rigoroser Ausgangssperren und weiterer Maßnahmen zur Minderung der Infektionszahlen nur noch 14 Corona-Akutpatienten zu verzeichnen. Auch um diesem Erfolg im Kampf gegen die Pandemie Rechnung zu tragen, hat die Regierung beschlossen, Veranstaltungen im Freien ab dem 1. Juni wieder für eine unbegrenzte Anzahl von Teilnehmern zu erlauben – und somit auch den Besuch im Fußballstadion zu ermöglichen. "Die Austragung der Partie war also konform mit der Entscheidung der serbischen Regierung", betont der FSS-Mitarbeiter.

Und trotzdem bleibt festzuhalten: Im Rest Europas wurden einige Ligen aufgrund der Pandemie komplett abgebrochen. In Deutschland spielen die Klubs der ersten drei Ligen vor einer Geisterkulisse. Auch in Spanien oder England startet bald wieder die Liga, dann aber auch ohne Zuschauer.

"Die Öffnung der Stadien ist zum exakt richtigen Moment geschehen"

Der ranghohe Funktionär des serbischen Verbands argumentiert: "Fußball ist Lebensqualität. Wir merken, dass die Öffnung der Stadien zum exakt richtigen Moment geschehen ist. Die Menschen in Serbien wollen wieder raus, wollen wieder leben." Den Besuch eines Fußballstadions, so sagt er, habe man sich durch die wochenlange strikte Einhaltung aller Richtlinien und die niedrige Infektionszahl verdient. Er sei wichtig, um die Moral der ganzen Bevölkerung zu stärken.

Und zudem lag es auch nicht in den Händen des Verbands, sondern in denen des FK Partizan, die Partie vor Zuschauern stattfinden zu lassen. Als Gastgeber des Pokalhalbfinals agierte der 27-malige jugoslawische und serbische Meister als Veranstalter des "Ewigen Derbys". Biljana Obradovic, Pressesprecherin des Klubs, sagt gegenüber t-online.de: "Der FK Partizan hat die Partie nach allen vorhandenen gesetzlichen Regularien vorbereitet und damit alle Vorkehrungen zur Organisation einer öffentlichen Großveranstaltung eingehalten." Doch stimmt das auch?

Spricht man mit Fans, die sich das Spiel live im Stadion angeschaut haben, entstehen Zweifel.

Und dass nicht alle Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus eingehalten wurden, erkennt man bereits nach einem kurzen Blick auf die Fotos der Partie: Tausende Zuschauer stehen in den Fankurven dicht an dicht, singen, schreien, jubeln lauthals, umarmen sich nach einem Tor. Der vorgeschriebene Mindestabstand von einem Meter wird längst nicht immer eingehalten.

"Die Hygienevorschriften wurden eher schlecht als recht umgesetzt", sagt Partizan-Fan Arsenije zu t-online.de. Ähnliches berichtet auch Marko. Er stand während des Derbys in der Kurve Partizans und erinnert sich: "Auf dem Weg ins Stadion hatten noch alle um mich herum Schutzmasken auf. Doch sobald wir die Kurve betraten, legten wir sie ab."

"Die Vorfreude auf die Partie war abnormal groß"

Arsenije glaubt, dass die Regelverstöße im Stadion aus der Emotion heraus geboren waren. Es habe zu Beginn eine merkbare Unsicherheit unter den Besuchern geherrscht, aber "die Vorfreude auf die Partie war abnormal groß." Sobald der Ball zu rollen begann, gab es auf den Rängen kein Halten mehr. "Alle guten Vorsätze, alle Richtlinien mussten in diesem Moment der Hoffnung der Fans auf eine gute Partie weichen."

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Marko ergänzt: "Es ist ein riesiger Erfolg, dass wir wieder ins Stadion gehen können." Bei nur noch 432 aktiven, überwiegend milden Fällen in ganz Serbien sieht er, ebenso wie die Regierung in Belgrad, die Gefahr der Pandemie in Serbien als gebannt. "Das Leben in Belgrad ist fast wieder so wie vor dem Ausbruch der Corona-Krise", erklärt er – und ein Leben ohne Fußball ist nicht nur für ihn unvorstellbar.

Wird das "Ewige Derby" nun zum "Superspreader"-Event?

Im Gegensatz zu Arsenije hat er keine Befürchtungen, dass das historische Derby womöglich zu einem "Superspreader"-Event werden und die Erfolge im Kampf gegen Covid-19 zunichte machen könnte. "Die verschiedenen Tribünen wurden doch extra aus Sicherheitsgründen mit zeitlichem Abstand geräumt", erklärt er. Ein Argument, welches in Anbetracht dessen, dass er und seine Leidensgenossen sich zuvor zwei Stunden lang die Seele aus dem Leib geschrien haben und dabei sehr nah an den Vordermann herankamen auf äußerst wackeligen Beinen steht.

Doch selbst beim FK Partizan machen sie sich keine Sorgen um mögliche Konsequenzen. Vielmehr lebt man dort aktuell die alte Fußballfloskel "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel": "Nach unserem großartigen Derbysieg gegen Roter Stern arbeiten wir bereits daran, die nächste Partie im Stadion Partizan zu organisieren", sagt Partizan-Sprecherin Obradovic.

Ob man damit weiter alleine steht oder auch andere europäische Spiele bald wieder vor Zuschauern stattfinden könnten, ist noch völlig offen. Man darf aber gespannt darauf sein, wie sich die Infizierten-Zahlen in Serbien, speziell in Belgrad, entwickeln.

Verwendete Quellen
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